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Balkan - Serbien / Kosovo

Karte Serbien-Kosovo: The World Factbook


31.07.2010 - IMI-Analyse 2010/028
IGH-Gutachten zum Kosovo: Weg in einen neuen Imperialismus
Im Februar 2008 verabschiedete das "Parlament" des Kosovo eine Erklärung, mit der sich die Provinz von Serbien, dem Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien, lossagte und für unabhängig erklärte. Allerdings ist Artikel 2, Absatz 4 der UN-Charta eindeutig - das dort verankerte Einmischungsverbot schützt die territoriale Integrität eines Landes vor einer gewaltsamen Zerschlagung. Selbst die nach Beendigung des NATO-Angriffskrieges verabschiedete – und bis heute gültige - Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates vom Juni 1999 nimmt Bezug auf dieses Prinzip. Sie enthält eine "Bekräftigung des Bekenntnisses zur Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Bundesrepublik Jugoslawien ..."
Nachdem zahlreiche Protagonisten des NATO-Angriffskriegs gegen Jugoslawien den Kosovo nach seiner Unabhängigkeitserklärung umgehend als Staat anerkannten, eine Mehrheit der UN-Vollversammlung dies aber bis heute kategorisch ablehnt, legte die UN-Generalversammlung dem Internationalen Gerichtshof (IGH) auf Betreiben Serbiens folgende Frage zur Entscheidung vor: "Ist die einseitige Unabhängigkeitserklärung durch die Provisorischen Institutionen der Selbstverwaltung des Kosovo im Einklang mit dem Völkerrecht?" (Resolution 63/3) Am 22. Juli 2010 fällte der Internationale Gerichtshof seine Entscheidung, die wohl weit reichende Folgen für Völkerrecht und Weltfrieden haben dürfte. |weiterlesen in IMI-Analyse 2010/028²)


16.06.2008 - IALANA
Die diplomatische Anerkennung des Kosovo ist widerspricht dem Völkerrecht. Zu diesem Urtiel kommt ein Studi aus Juristinnen und Juristen der IALANA. In einer Presseerklärung heist es dazu:
Der Vorstand der VDW hat sich intensiv mit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo und deren Anerkennung durch eine Reihe westlicher Staaten befasst.
Die IALANA kommt dabei zu den folgenden Schlussfolgerungen:
· „Die kosovarische Unabhängigkeitserklärung vom 17.2.2008 ist unvereinbar mit der UN-SR-Resolution 1244/99 vom 10.Juni 1999, der UN-Charta und dem Völkergewohnheitsrecht
· Die völkerrechtliche Anerkennung des Kosovo durch die Erklärungen der deutschen Bundesregierung und weiterer Regierungen anderer Staaten verstößt gegen die UN-SR-Resolution 1244/99 und gegen das völkerrechtliche zwischenstaatliche Interventionsverbot.
· Nach der kosovarischen Unabhängigkeitserklärung ist die Rechtsgrundlage für das aktuelle völkerrechtliche Mandat der Bundeswehr im Rahmen von KFOR im Kosovo und auch für die künftige Bw-Entsendung in den Kosovo im Rahmen der EU völkerrechtlich und verfassungsrechtlich sehr zweifelhaft geworden.“
weiterlesen)

Missachtung des geltenden Völkerrechts: Gutachter der IALANA zur diplomatischen Anerkennung des Kosovo


20.12.2007 - Informationsstelle Militarisierung
{EUropas erste Kolonie - Der Ahtisaari-Bericht zur Kosovo-Statusfrage und der völkerrechtliche Amoklauf der "Internationalen Gemeinschaft"

Studien zur Militarisierung EUropas 32/2007 von Jürgen Wagner aus dem Vorstand der Informationsstelle Militarisierung


In den letzten Jahren hat sich eine grundlegend neue Qualität westlicher Kriegspolitik herauskristallisiert. Denn inzwischen werden renitente Staaten nicht mehr nur per Strafaktion militärisch gemaßregelt, sondern darüber hinaus im Rahmen anschließender Besatzungsregime deren Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung tief greifend entlang westlicher Interessen re-strukturiert. Gerade der Kosovo ist in vielerlei Hinsicht das Pilotprojekt dieses Neoliberalen Kolonialismus, der mittlerweile auch in anderen Ländern durchexerziert wird. "Protektorate sind in", erläutert Carlo Masala vom NATO Defense College. "Von Bosnien über Kosovo, nach Afghanistan bis in den Irak, das Muster westlicher Interventionspolitik ist immer dasselbe. Nach erfolgreicher militärischer Intervention werden die 'eroberten' Gebiete in Protektorate umgewandelt und die westliche Staatengemeinschaft ist darum bemüht, liberale politische Systeme, Rechtsstaatlichkeit und freie Marktwirtschaft in diesen Gebieten einzuführen." (weiterlesen )


17.12.2007 - german-foreign-policy.com:
Aufs engste verflochten
BERLIN/PRISTINA - Vor Übernahme der Besatzungsverwaltung durch die EU plädieren Berliner Politikberater für eine Bereinigung der Kontakte zu den Anführern der Organisierten Kriminalität im Kosovo. In dem künftigen EU-Protektorat müsse man "von der Praxis Abstand nehmen, kompromittierte lokale Politiker, denen Korruption und Kriminalität vorgeworfen werden, als vermeintlich loyale Partner zu akzeptieren", heißt es bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Beabsichtigt wird
eine Sichtung des kriminellen Milieus, auf das sich die EU-Verwalter bisher stützten, und das nun auf seine weitere Verwendbarkeit überprüft werden soll. Gesucht wird unverbrauchtes Personal, um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage im zukünftigen EU-Protektorat halbwegs zu stabilisieren. Die Situation sei auch nach rund acht Jahren Besatzung desaströs, heißt es im Auswärtigen Amt; vor allem ist "der Versuch des Aufbaus einer multiethnischen Gesellschaft (...) gescheitert." Grund ist die NATO-Kooperation mit "politischen Extremisten", die seit je "mit organisierter Kriminalität aufs Engste verflochten" waren, jedoch als Bodentruppen für den Krieg gegen Serbien benötigt wurden. Sie beherrschen die kosovarischen Clans und können seit ihrer faktischen Indienststellung 1998/99 nicht mehr umgangen werden.

Experimentierfeld
Die Forderung, von der Kooperation mit schwer belasteten Anführern der Organisierten Kriminalität in Zukunft abzusehen, erfolgt kurz vor der Übernahme der Besatzungsverwaltung in Pristina durch die EU. Wie die Staats- und Regierungschefs der Union am Freitag beschlossen, wird Brüssel rund 1.800 Polizisten und Juristen in das Kosovo entsenden und in Kürze einen "Sonderbeauftragten" ernennen. Die "Mission" ist die bisher größte Maßnahme der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Das Kosovo bekommt damit zusätzliche Bedeutung als "zentrales Experimentierfeld" der EU. Diesen Charakter hebt bereits eine Anfang 2007 fertiggestellte Studie hervor, die das Institut für Europäische Politik (IEP) aus Berlin im Auftrag des Zentrums für Transformation der Bundeswehr erarbeitet hat. Der "Balkanraum" biete "aufgrund der komplexen zivil-militärischen Herausforderungen eine einzigartige Chance zur Weiterentwicklung gemeinsamer europäischer Fähigkeiten sowie der Vernetzung ziviler und militärischer Krisenmanagementakteure", heißt es in dem Dokument. Dies gelte "insbesondere für das Kosovo".[1]

Deutsche Führung
Der bisherigen Tätigkeit deutscher bzw. europäischer Kräfte im Kosovo stellt die Studie des IEP ein miserables Zeugnis aus. Dies betrifft insbesondere die Sicherheitslage. Zwar blieben umfassende Pogrome derzeit aus, weil das "taktische Kalkül" der kosovarischen Clanchefs dem entgegenstehe, heißt es in dem Papier: Pristina wolle alles vermeiden, was die Sezession verzögern könne. Doch dauere die Gewalt gegen ethnische Minderheiten "unterhalb der internationalen Wahrnehmungsschwelle" unvermindert an. "Das hinter den Angriffen sichtbar werdende terroristische Kalkül (...) kommt einer langfristig angelegten ethnischen Säuberung gleich, die auf dem Prinzip der Einschüchterung aufbaut", heißt es weiter. Zudem komme es "zu einer teils systematisch anmutenden Gängelung von Nicht-Albanern seitens öffentlicher kosovarischer Behörden und Ämter". Dies müsse "angesichts der siebenjährigen KFOR-Präsenz sowie der weltweit unvergleichbar hohen internationalen Hilfen als überaus ernüchternd betrachtet werden" - umso mehr, als "mittlerweile nahezu alle Führungsfunktionen auf dem Balkan mit deutschen Staatsbürgern besetzt sind".

Blutrache
Ein desaströses Bild zeichnet die Studie auch von der sozialen Lage im Kosovo. Demnach leben rund 37 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, 15 Prozent sogar in extremer Armut. Von rund einer Million erwerbsfähigen Kosovaren gehen nicht einmal 340.000 einer regelmäßigen Beschäftigung nach; von diesen jedoch betreibt fast die Hälfte (145.000) landwirtschaftliche Subsistenzarbeit. Die Analphabetenquote liegt bei rund 20 Prozent, weniger als zehn Prozent der Bevölkerung besitzen "mehr als den minimalen Schulabschluss". "Historischer Hintergrund", heißt es in der Studie, "ist neben der traditionellen Gesellschaftsstruktur auch ein in den achtziger Jahren ausgerufener Boykott 'serbischer' Schulen im Kosovo seitens des damaligen" - vom Westen verhätschelten - "'Präsidenten' Ibrahim Rugova." Streitigkeiten werden nach wie vor häufig durch tradiertes Gewohnheitsrecht ("Kanun") beigelegt. "Der Kanun schreibt dabei nicht nur die Vorherrschaft des Mannes fest, sondern baut darüber hinaus auf einem gewaltlegitimierenden Ehrkonzept auf, welches die Begriffe Besa (Ehre) und Gjakmaria (Blutrache) in den Mittelpunkt eines pseudojuristischen Ordnungssystems stellt", berichtet das IEP.

Pilze, Altmetall, Holz
Auch die wirtschaftliche Lage im Kosovo ist der Studie zufolge katastrophal. Das Handelsbilanzdefizit erreicht extreme Werte ("Import-/Export-Verhältnis: 27:1"), die "wenigen kosovarischen Handelswaren" ("Pilze, Altmetall und Holz") werden überwiegend über Serbien umgeschlagen. Die Schließung der Grenze nach der Sezession wird die Ausfuhren gänzlich zum Erliegen bringen. Ausländische Investitionen sind gegenwärtig "angesichts der grassierenden Korruption, der teilweise offenen Schutzgelderpressung sowie der breiten Übernahme staatlicher Kontrollfunktionen seitens krimineller Akteure" nicht zu erwarten, heißt es in der Analyse. Für industrielle Tätigkeiten fehlt ohnehin die nötige Infrastruktur. So ist etwa "zu konstatieren, dass es die internationale Gemeinschaft (...) nicht vermocht hat, wenigstens die Grundversorgung mit Strom sicherzustellen". Lange andauernde Stromausfälle hatten "in vergangenen Winterperioden sogar in einigen Gebieten Erfrierungstote zur Folge". "Eine unmittelbare Verantwortung für dieses Versagen", heißt es weiter, "trägt hierbei die Europäische Union, die in der VI. UNMIK-Säule über die direkte Verwaltungskompetenz für den Energiebereich verfügt und alle Leitungspositionen der kosovarischen Energieagentur KEK besetzt."

Mafiaboss
Hoffnungen, nach der Abspaltung von Serbien könne es wirtschaftlich bergauf gehen, halten die Autoren der Studie für verfehlt. Allenfalls sei mit einem kurzen "Strohfeuer" zu rechnen, das nicht länger als ein oder zwei Jahre andauern werde. Die anschließende Ernüchterung könne durchaus "zu schweren Unruhen, wenn nicht gar revolutionsähnlichen Erhebungen führen", heißt es weiter. Hohe Gewinne erzielt der Studie zufolge im Kosovo lediglich die Organisierte Kriminalität: Sie operiert mit einem Tagesumsatz von rund 1,5 Millionen Euro. Geschäftsfelder sind der illegale Handel mit Waffen und Drogen, Geldwäsche sowie Zwangsprostitution. "Aus früheren UCK-Strukturen (...) haben sich unter den Augen der Internationalen Gemeinschaft mittlerweile mehrere Multi-Millionen-Euro-Organisationen entwickelt". An deren Spitze stehen einflussreiche Clanführer wie die ehemaligen UCK-Anführer Ramush Haradinaj (Ministerpräsident des Kosovo 2004/2005) und Hashim Thaci (Sieger bei den Wahlen Mitte November und voraussichtlich nächster Ministerpräsident). Sie genießen hohes Ansehen: "Bereits heute", berichtet das IEP, "stellt 'Mafiaboss' den meistgenannten Berufswunsch von Kindern und Jugendlichen dar."

Bodentruppen
Die Ursache erkennt das IEP, aber auch die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in der Kriegskooperation mit der NATO. Die - so die SWP [2] - "mit organisierter Kriminalität aufs Engste verflochtenen politischen Extremisten und gewalterprobten Untergrundkämpfer" der UCK operierten 1998/99 de facto als Bodentruppen der westlichen Luftstreitkräfte - und forderten nach Kriegsende Tribut. "Als gewählte Volksvertreter oder neu gekürte Beamte erlangten sie unter internationaler Obhut politische Respektabilität", schreibt die SWP. Die westlichen Besatzungskräfte führen die Kooperation mit ihnen bis heute fort. "Um ihre Ziele zu erreichen, sind die internationalen Beamten auf die Zusammenarbeit mit den tatsächlichen Führern der Kosovo-Albaner angewiesen", heißt es zur Erklärung.

Totale Kontrolle
Angesichts der bevorstehenden Übernahme der Besatzungsverwaltung in Pristina durch die EU werden nun Forderungen laut, sich der mafiösen Strukturen im Kosovo zu entledigen oder sie in protokollarische Respektabilität zu überführen. Die enge Verflechtung von Organisierter Kriminalität, Clanstrukturen und politischen Organisationen - ein Ergebnis der von Berlin forcierten Gewaltpolitik zur Entmachtung Belgrads - lässt dieses Vorhaben geboten erscheinen. Mit der nun bevorstehenden Sezession, schreibt das IEP, "werden die kriminellen Akteure näher denn je ihrem Ziel der totalen Kontrolle des Kosovo kommen".[3]

[1] Operationalisierung von Security Sector Reform (SSR) auf dem Westlichen Balkan; Institut für Europäische Politik 09.01.2007
[2] Die Balkan-Mafia; Diskussionspapier der Stiftung Wissenschaft und Politik 09.12.2007
[3] Operationalisierung von Security Sector Reform (SSR) auf dem Westlichen Balkan; Institut für Europäische Politik 09.01.2007

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10.12.2007 - german-foreign-policy.com:
Countdown
PRISTINA/BELGRAD/BERLIN - Am heutigen Montag beginnt der Countdown zur Abspaltung der Provinz Kosovo von Serbien. Damit erreicht Berlin ein seit Jahren systematisch verfolgtes Ziel. Brüssel und Washington haben die Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina für beendet erklärt und leiten nun konkrete Schritte zur Anerkennung eines Staates Kosovo ein. Die Maßnahmen erfolgen unter vorsätzlichem Bruch internationalen Rechts und beinhalten Versuche, den UN-Generalsekretär für schwere Provokationen gegenüber Moskau in Anspruch zu nehmen. Serbische Bemühungen, auf völkerrechtlich zulässiger Grundlage eine Lösung für den Konflikt zu finden, wurden von den kosovarischen Anführern schon längst nicht mehr ernst genommen, weil ihren Sezessionsplänen die Unterstützung Deutschlands und der Vereinigten Staaten sicher war. Die derzeitigen Planungen sehen die Abtrennung des Kosovo spätestens im Mai 2008 vor. Sie laufen auf ein von NATO-Truppen besetztes und von EU-Personal verwaltetes Protektorat hinaus, das dem serbischen Hoheitsgebiet endgültig entrissen worden ist. Das Vorhaben droht neue gewalttätige Unruhen auf dem Gebiet mehrerer südosteuropäischer Staaten zu entfachen.
Mit dem endgültigen Abschluss der Verhandlungen zwischen Belgrad und Pristina, der am vergangenen Wochenende bekanntgegeben worden ist, beginnt die letzte Phase operativer Maßnahmen zur Abtrennung der Provinz Kosovo von Serbien. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erhält am heutigen Montag offiziell einen Bericht der sogenannten Troika (USA, Russland, Deutschland/EU), der das Scheitern der jüngsten Gespräche dokumentiert. Berlin schließt übereinstimmend mit Washington weitere Vermittlungsbemühungen kategorisch aus. Damit setzt die Bundesregierung die bisherige deutsche Politik konsequent fort, die seit den 1990er Jahren die Sezession der Provinz förderte und sie zuletzt gezielt vorantrieb (german-foreign-policy.com berichtete [1]).

Fahrplan
Einen konkreten Fahrplan zur Durchsetzung des flagranten Völkerrechtsbruchs hat jetzt die International Crisis Group vorgelegt. Im Vorstand des Thinktanks sind zahlreiche prominente Politiker vertreten, die den Machtzentren westlicher Staaten entstammen oder sich auf sie ausrichten. Dazu gehören unter anderem Zbigniew Brzezinski (ehemaliger Sicherheitsberater des US-Präsidenten), der ehemalige niederländische Ministerpräsident Wim Kok, der ehemalige norwegische Außenminister Thorvald Stoltenberg sowie der frühere deutsche Außenminister Joseph Fischer. Neben Fischer, zu dessen ersten Amtshandlungen es gehörte, den Krieg gegen Serbien im Jahr 1999 politisch durchzusetzen, sind weitere Politiker Mitglied in der Organisation, die ebenfalls maßgeblich mit der Abspaltung des Kosovo befasst waren: der ehemalige finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari, der den ersten offiziellen Plan zur Sezession der serbischen Südprovinz vorgelegt hat, sowie Wesley Clark, der 1999 den Krieg gegen Serbien als Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte leitete. Deutschland ist mit dem ehemaligen CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe, mit der SPD-Außenpolitikerin Uta Zapf und dem ehemaligen Vorsitzenden der Stiftung Wissenschaft und Politik, Christoph Bertram, unter den Senior Advisers des Thinktanks überparteilich vertreten.

Rechtsbruch
Der Fahrplan der International Crisis Group [2] sieht zunächst vor, dass der Europäische Rat sich am kommenden Freitag (14. Dezember) mit dem Kosovo befasst. Die EU-Staats- und Regierungschefs sollen die Vorschläge des ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari zur Umsetzung der Sezession für gut befinden und der Übernahme von Besatzungsaufgaben durch Brüssel zustimmen. Mit einer solchen Erklärung, heißt es, habe UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon genügend Rückhalt, um gegen den Widerstand der Veto-Macht Russland mitzuteilen, er befürworte eine EU-Intervention im Kosovo "zur weiteren Umsetzung der Resolution 1244". Dies bedeutet nicht nur eine handstreichartige Entmachtung Russlands auf UNO-Ebene, die in Moskau als schwerwiegender Affront verstanden werden muss. Die Aufforderung signalisiert zudem absolute Willkür im Umgang mit UNO-Resolutionen, folglich mit internationalem Recht. Denn die Resolution 1244, in deren Namen die EU-Intervention eingeleitet werden soll, wurde ausdrücklich "in Bekräftigung des Bekenntnisses aller (UNO-)Mitgliedstaaten zur Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Bundesrepublik Jugoslawien und der anderen Staaten der Region" verabschiedet. Sie lässt die Sezession des Kosovo, die Berlin und Washington nun durchsetzen, nicht zu.

Protektorat
Im Januar, schreibt die International Crisis Group, soll dann schließlich die kürzlich neu gewählte Regierung in Pristina ankündigen, die Eigenstaatlichkeit des Kosovo nach einer Übergangsfrist von 120 Tagen zu erklären - also im Mai 2008. Zugleich soll sie die EU und die NATO um zivile und militärische Besatzungsmaßnahmen bitten, also de facto ihre frisch gewonnene Macht sofort an die westlichen Länder übertragen. Im Gegenzug müssten die USA und "so viele EU-Staaten wie möglich" sich dafür stark machen, dass die angebliche Eigenstaatlichkeit, faktisch der Protektoratsstatus des Kosovo, rasch anerkannt werde.

Gebirgsjäger
Unruhen werden billigend in Kauf genommen; erste gewalttätige Auseinandersetzungen fanden bereits am vergangenen Wochenende statt. Die Bundeswehr hat ihre Aktivitäten in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens daher intensiviert. Am 16. November meldete das deutsche NATO-Reservebataillon ("Operational Reserve Force", ORF) im Süden Serbiens seine volle Einsatzbereitschaft an den KFOR-Befehlshaber und begann mit Patrouillen. Die ersten Einsätze erfolgten an der 1991 gezogenen Grenze zwischen Serbien und Mazedonien, es folgten Kontrollen entlang der Linie, die das Kosovo von den nördlichen Landesteilen Serbiens trennt. Dort wird in Kürze der neue Staat "Kosovo" eine weitere Grenze auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien hochrüsten. Die rund 550 Soldaten des deutschen ORF-Bataillons, die sich am vergangenen Wochenende mit einem Manöver auf Unruhen vorbereiteten, entstammen hauptsächlich dem Gebirgsjägerbataillon 232 aus Bischofswiesen-Strub (bei Berchtesgaden, Bundesland Bayern). Dessen Tradition geht auf das 1938 gegründete Gebirgsjägerregiment 100 (II. Bataillon in Strub) zurück. Die Soldaten des Gebirgsjägerregiments 100 waren in Kriegsverbrechen der Wehrmacht involviert.[3] Das Gebirgsjägerbataillon 232 war bereits mehrfach in Kroatien, in Bosnien-Herzegowina und in Mazedonien im Einsatz. Die Einheit trainierte schon im Juni für Szenarien, wie sie jetzt bei Auseinandersetzungen anlässlich der Sezession Pristinas erwartet werden.

Observation
Aktuelle Bedeutung kommt auch dem Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen der sogenannten LOT ("Liaison and Observation Teams") in Bosnien-Herzegowina zu. Eine Eskalation der dortigen Spannungen wird gegenwärtig nicht ausgeschlossen, da in der Bevölkerung der Republik Srpska die Meinung herrscht, man könne gleiche Rechte wie die Kosovaren geltend machen und die Sezession aus Bosnien-Herzegowina in Betracht ziehen.[4] Der Westen teilt diese Ansicht nicht, da sie serbische Positionen stärkt. Die EUFOR-Besatzungstruppen unterhalten in dem Land ein Netzwerk aus Gruppen von je drei bis acht Soldaten ("LOT"), die in zivilen Wohnhäusern außerhalb der Militärareale untergebracht sind, enge Verbindung zu Bevölkerung und Behörden aufbauen und auf diese Weise "ein aktuelles und authentisches Lagebild" erstellen können.[5] Sie seien "Seismographen für ethnische Spannungen", heißt es beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam, wo sämtliche Auslandsoperationen deutscher Truppen koordiniert und ausgewertet werden.[6]

Vojvodina-Frage
Die bevorstehende Unabhängigkeitserklärung der Regierung im Kosovo führt zu neuen Sezessionsbestrebungen unter anderem in der Vojvodina. Diese Region, in der eine starke ungarische Minderheit lebt, hat seit den Regierungstagen Titos - wie bislang das Kosovo - den Status einer autonomen serbischen Provinz. Wie der Vorsitzende der dortigen Regierungspartei LSV, Nenad Canak, erklärt, stellt sich bei einer Sezession des Kosovo auch eine "Vojvodina-Frage".[7] Er verlangt eine weitere Dezentralisierung und Regionalisierung Serbiens mit größerer Autonomie für die Vojvodina, für den Bezirk Sumadija, für Belgrad und für den Sandzak (dort lebt ein großer muslimischer Bevölkerungsteil). Canak zufolge werde die Regierung in Belgrad ihren Aufgaben nicht gerecht, sei träge und ineffektiv. Mit ähnlichen Vorwürfen hatten 1991 die Regierungen Sloweniens und Kroatiens ihre Sezessionsbestrebungen begründet.

[1] s. dazu Neuer Vasall, Imperiale Vollendung, Teil der Verwaltung, Die Wiederauferstehung Jugoslawiens, Die Herren des Rechts, Paketlösung, Abmontiert, Sieger im Kalten Krieg, Selbstbestimmung, Die zweite Welle, Dayton II, Mit kreativen Tricks und Angelpunkt
[2] Kosovo Countdown: A Blueprint for Transition; International Crisis Group Europe Report N°188, 06.12.2007
[3] s. dazu "Nicht mordqualifiziert", Deutscher Preis und Heldengedenken
[4] s. dazu Angelpunkt
[5] s. dazu Unterstützungsfunktion
[6] Am Puls der Bevölkerung; www.einsatz.bundeswehr.de 07.12.2007
[7] Kostres: Vojvodina ceka Kosovo; Vecernje novosti 07.12.2007

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10.12.05
Neues Deutschland Bundesregierung deckt Verbrechen der CIA
Folterzentren offenbar in Polen und Kosovo von René Heilig

Täglich werden neue Facetten der CIA-Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt. Die Bundesregierung verweigert sogar Bundestagsabgeordneten Auskünfte über mögliche Mitwisser- und Mittäterschaft.

Das wichtigste CIA-Verhörzentrum in Europa ist nach Informationen von Human Rights Watch (HRW) in Polen gewesen. Dies gehe aus Hinweisen aus Sicherheitskreisen und Dokumenten hervor, sagte Marc Garlasco, Vertreter der Menschenrechtsorganisation, der »Gazeta Wyborcza«.

Derzeit würden noch immer mindestens 100 Verschleppte in geheimen Gefängnissen verhört. Etwa ein Viertel von ihnen seien unlängst noch in Polen gefangen gehalten worden. Dort soll es mindestens zwei Geheimgefängnisse gegeben haben – eines in der Nähe eines ehemaligen Militärflughafens in den Masuren (ND berichtete) und ein größeres in Südpolen. HRW-Mitglieder suchten unter anderem nach Gebäuden, in dem Chalid Scheich Mohammed – der mutmaßliche Ex-Operationschef von Al Qaida – festgehalten wird. Doch nachdem die »Washington Post« darüber berichtet hatte, wurden die Gefangenen eiligst nach Nordafrika verbracht. Ein weiterer Folterknast ist vermutlich im Camp Bondsteel. So heißt die wichtigste US-Basis in Kosovo. Seit Jahren gibt es ein Gefängnis, das keiner externen zivilen oder juristischen Kontrolle unterliegt, sagte der polnische Chef der UN-Beschwerdestelle in Kosovo, Marek Nowicki.

Dass die USA auf die Verschwiegenheit der Bundesregierung rechnen kann, zeigt eine fast inhaltslose Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage der Linksfraktion zu CIA-Folterflügen über Deutschland. Ulrich Maurer, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, meint, diese Verweigerung lasse »einen Untersuchungsausschuss näher rücken«.
Quelle: http://www.neues-deutschland.de



Mai 1999 - graswurzelrevolution
Warum gerade Jugoslawien/Kosovo?
Die Suche nach den wirklichen Kriegsmotiven der NATO

Das humanitäre Gefasel kanns ja nicht sein. Nach den Lageberichten des BRD- Außenministeriums war für abgeschobene Kosovo-AlbanerInnen noch im März 99 in Jugoslawien nichts zu befürchten. Das Schicksal der vertriebenen und massakrierten KurdInnen in der Türkei oder Tutsi in Ruanda hat sie ja auch nicht "angerührt". Was also sind die wirklichen Motive für den Krieg der NATO? (Red.-HD)

Daß die Motivlage nicht so eindeutig ist und platte monokausale Ursachenerklärungen nicht greifen, beweist schon die Vielfalt der Erklärungsansätze, die in der Diskussion sind. Auch die Tatsache, daß wohl alle, auch viele KriegsgegnerInnen, die so tun, als hätten sie längst davon gewußt, davon überrascht waren, daß die NATO für den Kosovo bereit ist, alles auf's Spiel zu setzen, deutet auf die Unklarheiten der Motivlage hin. Schließlich hat Ex-NATO-Oberbefehlshaber Schmückle wiederholt darauf hingewiesen, daß sich die weltweiten militärischen Interessen der NATO hauptsächlich um ökonomische Motive drehen, vor allem um's Öl (1). Im Kosovo gibt es aber kein Öl. Mit Ausnahme von Rugova, bei dem sicherlich der Nationalstolz mit durchklingt, hat auch noch niemand davon gesprochen, daß der Kosovo reich an weltwirtschaftlich interessanten Bodenschätzen wäre. Im Gegenteil: der Kosovo gilt als das Armenhaus Jugoslawiens. Warum also wird Jugoslawien angegriffen? Warum soll der Kosovo abgetrennt werden und in die Einflußsphäre des Westens geraten?

http://www.graswurzel.net/239/ursache.shtml


April 1999
Die Zeitung gegen den Krieg hat den Krieg im Kosovo zum Hauptthema. Die Inhalte sind noch nachzulesen beim Netzwerk Friedenskoooperative.
http://www.friedenskooperative.de/themen/stop!-00.htm

Mehr Informationen: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/jugoslawien/Welcome.html

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