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Rüstungsexporte stoppen! 25.06.2014

Lühr Henken

Rede von Lühr Henken auf der Protestkundgebung anlässlich der 2. Strategiekonferenz des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV) am 24. Juni 2014, Bebelplatz, Berlin-Mitte


Liebe Freundinnen und Freunde,

wir versammeln uns hier, um gegen das Werben des größten deutschen Rüstungslobbyverbandes BDSV zu demonstrieren. Die Herren von ThyssenKrupp, Rheinmetall, Airbus, Diehl, Krauss-Maffei Wegmann und Lürssen, sie bilden den Vorstand des BDSV, werben um noch mehr Rüstungsaufträge durch die Bundesregierung und sie werben darum, noch mehr Waffen exportieren zu dürfen. Offensichtlich können sie den Hals gar nicht voll genug kriegen, denn schon jetzt sind die Auftragsbücher von ThyssenKrupp und Rheinmetall üppiger gefüllt als je zuvor. 15 Mrd. Euro soll das Geschäft mit dem Tod allein diesen beiden Firmen in die Kassen spülen. Die Hälfte davon aus dem Export.

Rüstungsexporte führen zur Konfrontation! Konfrontation führt zum Krieg! Wir lehnen Krieg und Rüstungsexporte ab!

Der BDSV wirbt um Anerkennung in der Bevölkerung. Aber da stößt die Rüstungslobby auf taube Ohren. Drei Viertel der Bevölkerung lehnt Rüstungsexporte ab und sogar 82 Prozent sind dafür, dass der Rüstungsexport selbst in befreundete Länder eingeschränkt wird. Die Ablehnung von Rüstungsexporten ist nicht nur unter Anhängern der Oppositionsparteien mehrheitsfähig, sondern auch unter Anhängern von Schwarz-Rot. Darauf nimmt vor allem die SPD Rücksicht. Der für die Rüstungsexporte Zuständige, Wirtschaftsminister Gabriel, hatte im Januar den Mund sehr voll genommen. Er sagte: „Es ist eine Schande, dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren gehört!“ Recht hat er. „Ich bin für eine restriktive Haltung beim Waffenexport.“ Richtig! Und er sagte: „Keine Waffen an Länder, in denen Bürgerkrieg herrscht. Auch Unrechtsregimen sollte man keine Waffen verkaufen.“ Auch darin kann man ihn nur unterstützen.

Saudi-Arabien ist so ein Unrechtsregime. Mitte April ging eine Meldung durch die Presse, wonach Gabriel einen Export von bis zu 800 Leopard 2-Kampfpanzern in die Gruselmonarchie Saudi-Arabien ablehnt. Gut so. Ein gewaltiger Deal für die deutschen Panzerschmieden Kraus-Maffei Wegmann und Rheinmetall kommt vorerst nicht zustande. 18 Mrd. Euro wären dafür im saudischen Haushalt vorgesehen. Ist damit Entwarnung gegeben? Nein, sicher nicht, die Saudi wollen darüber hinaus 270 Leopard 2 A7+ zur Aufstandsbekämpfung. Mit der spanischen Lizenzbaufirma Santa Barbara Sistema sei man sich über 150 Leos bereits einig, wird gemeldet. Der spanische König Juan Carlos persönlich hatte sich für den Lizenzbau von „mehreren Hundert Leopard-Panzern“ eingesetzt, meldete die FAZ Mitte Mai. Deutsche Zustimmung dafür stehe noch aus, denn die deutschen Firmen liefern Bauteile. Saudi-Arabien ist ein repressives Regime, das Aufstände in Bahrain und im eigenen Land gewaltsam unterdrückt. Die Lieferung würde Geist und Buchstaben der Rüstungsexportrichtlinien widersprechen. Herr Gabriel! Wer bei A Nein sagt, muss bei B auch nein sagen. Auch hierfür darf der Bundessicherheitsrat keine Erlaubnis erteilen. Legen Sie den Leo an die Kette!

Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI hat errechnet, dass Deutschland Platz 1 in der EU und weltweit Platz 3 beim Export schwerer Waffen im Zeittraum der letzten fünf Jahre belegt. 2013 allerdings liegt Deutschland nur noch auf Platz 6 weltweit. Kann man daraus schließen, dass das bereits eine Wende markiert? Nein, leider nicht! Viele große Waffenexportprojekte stehen noch aus und sind statistisch noch nicht erfasst. Der jüngste Fall: eine Panzerfabrik für Algerien im Wert von 2,7 Milliarden Euro. Darüber hinaus beteiligen sich deutsche Rüstungsfirmen an Ausschreibungen, es gibt Voranfragen, die noch nicht genehmigt wurden, oder es gibt bekundetes Interesse an deutschen Waffen. Würde es für das alles grünes Licht geben, würde das zusätzlich 26 Milliarden Euro in die Kassen der Rüstungskonzerne spülen. Das ist das Vierfache dessen, was Deutschland an Kriegswaffen in den letzten fünf Jahren zusammen exportiert hat. Also: Überhaupt kein Grund zur Entwarnung!

Darunter gibt es neben der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien einen sehr brisanten Fall, der meines Erachtens in den Fokus der Öffentlichkeit gehört: Es geht um deutsch-schwedische Marschflugkörper, die nach Süd-Korea geliefert werden sollen. Ein Spannungsgebiet. So genannte Bunker-Buster, die von Airbus Defence hergestellt werden. Die süd-koreanische Regierung hat sich vor einem Jahr entschieden, 177 Taurus zu kaufen. Taurus ist ein mit Sprengstoff beladener Marschflugkörper, der von Kampfflugzeugen aus als Luft-Bodenwaffe eingesetzt wird. Er durchschlägt 6 Meter dicken Beton nach 500 km Flug. Die Treffgenauigkeit liegt bei 2 Metern. Süd-Korea macht geltend, dass es damit in die Lage versetzt werde, strategische Ziele in Nord-Korea anzugreifen, insbesondere Atomwaffendepots und Raketenstellungen, ohne dabei das eigene Territorium verlassen zu müssen. Es handelt sich bei Taurus offensichtlich um eine strategische Angriffswaffe in einer Konfliktzone. Die Geheimhaltungspolitik der Bundesregierung verhindert Informationen darüber, in welchem Stadium der Genehmigung diese hoch gefährliche Waffenlieferung ist. Im Mai hieß es in einer Militärzeitschrift, dass sie „demnächst“ geschehen soll. Dieser Skandal gehört ins Licht der Öffentlichkeit! Die Lieferung muss verhindert werden!

Der Bundestag muss informiert werden, sobald Voranfragen bei der Bundesregierung eingehen. Ich frage: Wann wird Volkeswille endlich respektiert?

Die deutschen Rüstungskonzerne sind weltweit aktiv und haben von der Bundesregierung im letzten Jahr Genehmigungen für die Lieferungen von Rüstungsgütern in 136 Länder der Erde erhalten. Was dabei in den letzten Jahren ganz besonders übel aufstößt, ist die Belieferung von sogenannten Drittländern, also Länder außerhalb von EU und NATO. Die Genehmigungen in Drittländer waren im letzten Jahr so hoch wie nie. Algerien, Katar und Saudi-Arabien belegen Platz 1, Platz 2 und Platz 4 aller Exportländer. Allesamt in Spannungsgebieten, alle mit einer sehr schlechten Menschenrechtsbilanz. Das widerspricht den eigenen Richtlinien. Darin steht, dass der Export in Drittländer „restriktiv gehandhabt“ wird. Davon kann doch keine Rede sein, wenn unter den ersten zehn Exportländern gleich sieben Drittländer sind. Auch beim Export von Handfeuerwaffen, den Massenvernichtungswaffen der Neuzeit, in diese Drittländer wurde 2013 ein trauriger Rekord erzielt. Der Exportwert war noch nie so hoch wie im letzten Jahr.

Es muss dringend eine Umkehr geschehen. So kann es nicht weitergehen! Die deutsche Waffenindustrie hat keinen Bestandsschutz! Sie gehört abgewickelt! Volkswirtschaftlich ist die Rüstungsproduktion marginal. Wenn der BDSV großspurig behauptet, ihr Umsatz betrage 23 Mrd. Euro, so sind das gerademal 0,9 Prozent des Bruttosozialprodukts. Ich sage: Auf diese Produkte kann die Gesellschaft gut verzichten! Rüstungsexporte müssen verboten werden! Stoppt den Rüstungsexport!

Lühr Henken, ist aktiv in der Berliner Initiative: "Legt den Leo an die Kette", Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag und MItglied in der DFG-VK

Fotos von der Aktion im Flickr-Account von Uwe Hiksch

Mehr Informationen: http://www.aufschrei-waffenhandel.de

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