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Sicherheitskonferenz 08.03.2014

Thomas Carl Schwoerer

Beitrag von DFG-VK-Bundessprecher Thomas Schwoerer zum DFG-VK-Bundesausschuss am 08.03.2014

Liebe Freund*innen, ich spreche zu euch über ein Thema, das uns noch lange beschäftigen wird: Die Reden von Joachim Gauck, Ursula von der Leyen und Frank-Walter Steinmeier auf der Münchener Sicherheitskonferenz waren eine konzertierte Aktion, die monatelang vorbereitet wurde.
Bereits im Oktober vergangenen Jahres legte die regierungsnahe Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik gemeinsam mit dem German Marshall Fund of the United States, das ist eine amerikanische Stiftung zur Förderung der transatlantischen
Beziehungen, eine Studie mit dem Titel „Neue Macht – Neue Verantwortung“ vor. Darin finden sich viele der Formulierungen Gaucks, Steinmeiers und von der Leyens beinahe wortwörtlich wieder. Die Studie wurde durch den Planungsstab des Auswärtigen Amts gefördert. Die transatlantische Gruppe, die das Papier seit Herbst vorletzten Jahres erarbeitete, war mit 50 Teilnehmern sehr breit aufgestellt: u.a. vom Kanzleramt, dem Auswärtigen Amt, dem Kriegsministerium, der Bertelsmann Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Bundesverband der Deutschen Industrie.

Auch Politiker des "linken" Parteienspektrums, wie Niels Annen, Omid Nouripour und Stefan Liebich gehörten dazu, und drei Journalisten: Nikolas Busse von der FAZ, Jochen Bittner von der ZEIT und der ehemalige Leiter des ZEIT-Büros in Washington, Thomas Kleine-Brockhoff. Zu Beginn der Arbeit an der Studie war er noch Direktor des German Marshall Fund. August 2013, noch während des einjährigen Entstehungsprozesses der Studie, wechselte er aus Washington nach Berlin und wurde Chefberater und Redenschreiber von Joachim Gauck.
Das erklärt die großen Übereinstimmungen zwischen der Studie und Passagen von Gaucks Rede.

Diese Studie wurde also lange geplant und exakt zum Beginn der Koalitionsverhandlungen der Groko veröffentlicht, in die sie entsprechend Eingang fand. Die Münchner Sicherheitskonferenz bot nach der Regierungsbildung die passende Gelegenheit, mit der neuen Strategie an die Öffentlichkeit zu gehen.

Kern dieser Strategie ist das Zitat von Gauck: "Deutschland ist überdurchschnittlich globalisiert und profitiert deshalb überdurchschnittlich von einer offenen Weltordnung – einer Weltordnung, die Deutschland erlaubt, Interessen mit grundlegenden Werten zu verbinden. Aus all dem leitet sich Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert ab: dieses Ordnungsgefüge, dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen.“

Stabilität ist also das Schlüsselwort, ganz konform mit der Analyse in Empire von Michael Hardt und Antonio Negri.
Das zweite Kernanliegen ist die Korrektur der relativen militärischen Zurückhaltung der Vorgängerregierung, wie sie im Libyenkrieg zum Ausdruck kam. Zwar sagt Steinmeier in seinem Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 30. Januar, dass eine Politik militärischer Zurückhaltung richtig ist. Aber sogleich folgt demagogisch: Sie darf nicht missverstanden werden als eine Philosophie des Heraushaltens.
Die drei Reden haben viel Zustimmung in den Leitmedien erfahren. Schmerzhaft war das Ausbleiben vernehmbaren Widerspruchs, außer durch Peter Gauweiler, die Gegendemonstranten zur Sicherheitskonferenz, insbesondere das Bündnis Kriegsrat Nein Danke, und die Friedenskonferenz. Dennoch ergab eine Umfrage der ARD am 6.2. nach der Gauck-Rede, dass 82 % der Befragten zwar mehr internationales Engagement Deutschlands befürworteten. Aber auf die zweite Frage, ob sie mehr militärische Interventionen wollten, antworteten 75 % mit nein. Also 6 % mehr als eine Woche zuvor! Es scheint, dass die Reden zumindest kurzfristig nach hinten losgingen.
Wie verhalten wir uns dazu? Ich finde, die Bundesregierung sollte tatsächlich stärker internationale Verantwortung übernehmen. Das ist nicht die Frage. Es ist die demagogische Volte von Gauck, dies aufs Militärische zu lenken!

Es gibt eine klare friedensethische Alternative für die Rolle unseres Landes: sich kompetent, frühzeitig, präventiv, ausgleichend, stabilisierend und mediativ einzubringen; seine internationale Rolle zu finden mit zivilen Konfliktlösungen!
In diesem Sinne können wir das Steinmeier-Zitat im SZ-Interview nutzen: „Viel wichtiger als die Debatte um Militärinterventionen ist eine Verständigung darüber, welche politischen Instrumente wir haben, um frühzeitig auf den Gang der Dinge einzuwirken.“
Was im übrigen notorisch bei Interventionen im Ausland fehlt, ist ein politisches Gesamtkonzept, das die Folgen dessen bedenkt, was man vor Ort tut. Wie oft hat es die Bundesregierung versäumt, diese Hausaufgaben zu machen! Wie oft hat sie es unterlassen, die strukturellen Ursachen für eine Konfliktlage zu überwinden. Wir brauchen nur nach Afghanistan oder dem Balkan zu schauen, wo Soldaten seit 15 Jahren stehen, und weiter deshalb stehen, weil man einen Rückfall in die Gewalt befürchtet, sobald sie abgezogen werden.
Wir können außerdem die Widersprüche innerhalb der Regierung nutzen: die expliziten durch Gauweiler und die CSU, die nicht in diesen Kurswechsel einbezogen wurden.
Und die impliziten Widersprüche: Angela Merkel möchte lieber Rüstungsexporte und irgendwann später Drohnen in andere Länder schicken und die dortigen Menschen sich gegenseitig ihre Köpfe einschlagen lassen, als deutsche Soldaten aufs Spiel zu setzen mit den dazugehörigen politischen Risiken.

Zuguterletzt schlage ich vor, dass wir Ursula von der Leyen als unsere Hauptgegnerin personalisieren – mit Witz, Leichtigkeit und Originalität. So werden Auseinandersetzungen im Medienzeitalter anschaulicher, als wenn wir nur gegen abstrakte Windmühlen anrennen. Von der Leyen sitzt keineswegs fest im Sattel, ist deshalb das schwächste Glied in der Kette und hat uns den Fehdehandschuh bereits hingeworfen. Nehmen wir ihn auf.

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