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»Es geht darum, die Köpfe auf Kurs zu bringen«18.10.2013

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Ein US-Wissenschaftler lobt den Krieg – sein Buch wird am Montag in der Deutschen Nationalbibliothek vorgestellt. Ein Gespräch mit Arndt Müller
Interview: Gitta Düperthal

Arndt Müller wendet sich gemeinsam mit den »Ordensleuten für den Frieden« dagegen, daß am Montag in der Deutschen Nationalbibliothek das Buch des US-Autors Ian Morris »Krieg – wozu er gut ist« vorgestellt wird.

Am Montag will der US-Historiker Ian Morris in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main sein Buch »Krieg – wozu er gut ist« vorstellen. Jetzt äußert sich Protest: Unter anderem die Ordensleute für den Frieden fordern, die Veranstaltung abzusagen. Welche Thesen vertritt der Autor?
Er macht, was in Sudelbüchern dieser Art üblich ist: Auf 537 Seiten versucht er, die Geschichte umzuschreiben, in der Absicht, die Friedenssehnsucht der Menschen zu Kriegsbereitschaft umzufunktionieren: Kriege hätten die Menschheit – auf ganz lange Sicht betrachtet – sicherer und reicher gemacht, behauptet er. Sie hätten es der Menschheit ermöglicht, stabile Gemeinschaften und friedliche Gesellschaftsordnungen zu errichten.
Ohne Kriege wären »nie die großen Nationalstaaten entstanden, die den einzelnen vor willkürlichen Gewalttaten weitgehend schützen und den Menschen ungeahnten Wohlstand beschert haben«, heißt es in der Einladung zur Veranstaltung. Ähnlich wird sein Werk im Klappentext des im Campus-Verlag erschienenen Buches beworben. Angeblich fernab jeder kriegsverherrlichenden Argumentation zeige Morris »das Paradoxon des Krieges auf«: »Die Menschen haben sich für Gewalt als Methode entschieden, um Konflikte zu lösen und sich weiterzuentwickeln.« Dies sei »zwar brutal«, habe sich aber »auf lange Sicht als wirkungsvoll erwiesen«. Dem ist energisch zu widersprechen – und auf die geschätzten 20 Millionen Toten des Ersten Weltkriegs und die 80 Millionen des Zweiten Weltkriegs im vergangenen Jahrhundert zu verweisen.

Wie ist der Autor Ian Morris, der als Professor an der Stanford University in den USA lehrt, politisch einzuordnen?
Er wird vom Kapitalismus bezahlt und schreibt dafür: Oberflächlich reiht er Erscheinungen aneinander; vergleicht beispielsweise den Burenkrieg 1900 mit dem Irak-Krieg 2003. Er resümiert, die Briten – respektive die US-Amerikaner – seien einer Aggression zuvorgekommen. Die einen hätten sich präventiv gegen die Buren, die anderen gegen den Irak wehren müssen. Was völlig verdreht ist: Die Buren wurden nämlich von Großbritannien angegriffen! Und der Irak hat nie daran gedacht, die USA zu attackieren.
Festzuhalten ist: Angreifer waren in beiden Fällen imperialistische Staaten, kapitalistisch geprägt, mit weißer Bevölkerung. Morris argumentiert sozialdarwinistisch: Der Mensch ist ein Gewalttier. Auch das unvermeidliche Kapitel über Affen fehlt nicht.
Der Antikommunismus zieht sich durch das ganze Buch: Die Sowjetunion habe es nur nicht geschafft, den Westen anzugreifen, weil der Sozialismus gescheitert sei. Drohnen verharmlost er als »positives technisches Kriegsgerät«. Den ehemaligen US-Präsidenten George Bush lobt er. Und ökonomische Gründe, die letztlich Kriege auslösen, ignoriert er.

Diverse Nichtregierungsorganisationen fordern, die Buchvorstellung abzusagen – mit welchen Argumenten?
Dieses Werk der Kriegspropaganda wird vom Campus-Verlag und dem US-Generalkonsulat präsentiert – woraus zu ersehen ist, wem es nützt. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen Kriege, sie soll manipuliert werden. Motto: »Laßt uns mal ganz unbefangen über Krieg reden.« Es geht darum, zu relativieren und Akzeptanz für die imperialistischen Raub- und Raffkriege zu schaffen. Zu Veranstaltungen wie dieser kommen keine Hartz-IV-Empfänger, sondern Entscheidungsträger und Meinungsführer – sie wird auch in englischer Sprache abgehalten.

Sind Wissenschaftler wie Morris zur Zeit eher isoliert, oder hat ihre Denkweise Konjunktur?
Es geht darum, auch in Deutschland die Köpfe auf Kurs zu bringen. Nahezu alle im Bundestag versammelten Parteien neigen mittlerweile dem Bellizismus zu, begreifen militärische Einsätze als legitimes Mittel der Konfliktlösung. CDU, SPD und die Grünen unterscheiden sich da kaum. In den Medien von taz bis FAZ sieht es ähnlich aus. Wir Bürger wollen da gegenhalten: Zahlreiche Initiativen äußern Protest. Morris spricht hingegen vom Krieg als »letzter Hoffnung« für die USA und den Westen, um deren Interessen durchzusetzen.

Quelle: junge Welt vom 18.10.2013

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