Dies ist das Archiv der alten DFG-VK-Webseite. Sie war von 2007 bis 19. Oktober 2015 online. Schau Dich gern um.
Die aktuelle Seite findest Du unter www.dfg-vk.de.

Vernetzung des Widerstands31.07.2012

www.wri-irg.org

Über die WRI-Konferenz zur (und gegen die) Militarisierung der Jugend in Darmstadt

Die Welt zu Gast bei Freunden möchte man angesichts der Vielzahl internationaler Gäste (von Südkorea bis Südafrika, von Israel bis Chile, von Finnland bis Griechenland) und des heimeligen, im Wald gelegenen Tagungshauses bei Darmstadt sagen.

Dabei ging es um eher wenig erfreuliche Dinge: die Militarisierung der Jugend in der Welt. Ob Rekrutierungen, „Heimsuchungen“ von Militärs/Jugendoffizieren in den Schulen, nationalistische und militaristische Ehrenmale für Soldaten, Rüstungsforschung an den Universitäten, Sexismus im Militär und pseudo-liberale Hofierung Schwuler und Lesben aus Imagegründen - all dies ist in unterschiedlicher Ausprägung in allen Ländern der Teilnehmenden vorhanden. In wohltuend kurzen Inputs und Gruppenarbeiten ging es darum, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Regionen der Welt zu ergründen und schließlich den Widerstand gegen all diese Formen der Militarisierung und der Werbung für militärische Konfliktaustragung zu koordinieren und zu vernetzen.

Dank der tollen ÜbersetzerInnen und der guten Fremdsprachenkenntnisse der Teilnehmenden war der Austausch zwischen den AktivistInnen spannend und immer konstruktiv. In einer Arbeitsgruppe, an der ich teilgenommen habe und die von Aktivistinnen von New Profile aus Israel vorbereitet worden war, ging es darum, „hidden forms of militarism“ in der Gesellschaft zu entdecken: Kriegerdenkmäler, die aus einem Park einen Akt der Verherrlichung von Krieg und Soldatenehre machen, aber auch die Benennung vieler Straßen nach Offizieren, die Kriege angezettelt bzw. ausgeführt haben.

Will von Forces Watch, England, erzählte von Buttons zur Unterstützung der britischen Soldaten, denen sich die Menschen kaum entziehen konnten („Was, du unterstützt nicht unsere Soldaten?“). Forces Watch will mit „Gegen“-Buttons ein Zeichen setzen. Dazu gehört jedoch auch das, was Michael Schulze-von Glaßer in seiner Präsentation vorstellte: wie die Bundeswehr Fußballturniere für Schüler sponsert.

Aber auch hier konnten wir uns an eindrucksvolle kreative Widerstandsaktionen erfreuen, z.B. von der schwedischen Gruppe Ofog, die auf eine Werbekampagne des schwedischen Verteidigungsministeriums durch Gegenplakate reagierte, in denen die Sprache und Argumentation originell verarbeitet worden ist.

Über den Widerstand gegen das Auflaufen von Jugendoffizieren an Universitäten berichtete Lena Sachs, Studierendenvertreterin der PH Freiburg und Koordinatorin der Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr“; besonders eindrucksvoll eine Aktion an ihrer Universität: Die Bundeswehr sagte sich zu einer Veranstaltung an der Uni an; AktivistInnen lancierten einen Aufruf zu Gegenaktionen auf einer Antifa-Homepage, die besonders stark von der politischen Polizei beobachtet wurde. Wie erwartet und erhofft reagierte die Polizei über, schickte ein Großaufgebot, um die Bundeswehrangehörigen zu „schützen“. Angesichts dieser negativen Aufmerksamkeit erklärte die Bundeswehr, niemals mehr eine Veranstaltung an dieser Hochschule durchführen zu wollen.

So wurden die vielen negativen Beispiele zur Förderung militaristischen Denkens immer wieder durch das Vorstellen bemerkenswerter Widerstandsaktionen begleitet. So soll es sein. Ein interessanter Gedanke war, was wir der Attraktivität des Militärs (positiv besetzte Werte wie Mut, Tapferkeit, Abenteuer, Umgang mit komplexer Technologie; kostenloses Studium, in den USA Möglichkeiten der Einbürgerung von Immigranten) entgegensetzen können. Frieden als Abenteuer? Ohne Waffen in Konfliktgebiete zu gehen - wie es die Nonviolent Peaceforce tut oder Peace Brigades International - hat durchaus auch eine Abenteuer-Komponente zu bieten, die allerdings mitnichten im Vordergrund stehen sollte.

Aber vielleicht kann es schon ein Abenteuer sein, als Irak- oder Afghanistan-Veteran in die Öffentlichkeit zu treten und all die Lügen, die ihre Vorgesetzten und Rekrutierungsoffiziere verbreiten, richtig zu stellen.


Sabotage an der Heimatfront

Auch ein Thema, das in der letzten ZivilCourage heftig diskutiert wurde, wurde in Darmstadt thematisiert (ohne dass ich zu diesem Zeitpunkt die Zeitschrift schon gelesen hätte). Cecil Arndt bot eine Arbeitsgruppe an zum Thema „Direkte Aktion gegen die Militarisierung der Jugend“. Dabei ging es um die Solidarität innerhalb der antimilitaristischen internationalen Bewegung zu auch unterschiedlichen Aktionsformen. Sie stellte auch die internationale Kampagne „Krieg beginnt hier/War starts here“ vor, die auf der von der WRI getragenen Aktionscamps in Nordschweden initiiert wurde. In dem Aufruf heißt es:

Von der „Ablehnung“ des Krieges !
In einem von wikileaks veröffentlichten Report zum Krieg in Afghanistan warnt die CIA davor, dass „(...) eine in Frankreich und Deutschland vorhandene passive Ablehnung der Kriegsbeteiligung in eine aktive und politisch bedeutsame Feindschaft umschlagen könnte“. Die hier vorgeschlagene Kampagne ist Teil von europaweiten antimilitaristischen Aktivitäten. Wir wollen dazu beitragen, diese „passive Ablehnung“ eines Großteils der Bevölkerung in sichtbar „aktives Handeln“ gegen Krieg und Militarisierung zu verwandeln. Dazu halten wir es für nötig, das Krieg(s)Treiben in all seinen Facetten hier vor Ort sicht- und angreifbar zu machen. Die Kampagne ist offen für alle, die ihre Aktivitäten in diesen Kontext stellen wollen.
¡zur Sabotage der „Heimatfront“
Es geht nicht nur darum, das Gesicht des Krieges mit all seinen zerstörerischen und tödlichen Konsequenzen offen zu legen, sondern vor allem darum deutlich zu machen:
Krieg beginnt hier - war starts here - und ist hier aufzuhalten.
Kriegstreiberei und Militarisierung markieren, blockieren, sabotieren!“

Ein internationales Aktionscamp War starts here - let's stop it here! findet vom 12. bis 17. September in Hillersleben bei Magdeburg nahe des Gefechtsübungszentrums der Bundeswehr GÜZ statt (siehe http://warstartsherecamp.org/). Die Aktionsformen, die dort benannt worden sind, sind nicht legal (Hausfriedensbruch), aber sie richten sich nicht gegen Personen, zerstören keine Gegenstände und erinnern an Aktivitäten des Zivilen Ungehorsams, wie sie beispielsweise 1968 in der CSSR gegen den russischen Einmarsch praktiziert wurden (z.B. Umstellen von Schildern etc.) oder aber bei einigen Zivilen Inspektionen in Atomwaffenlagern von der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen (GAAA).

Die Kampagne insgesamt versucht offenkundig, Aktivitäten an verschiedenen Orten, in der die Bundeswehr auftritt, zu bündeln. Wichtig wäre es, diese aus dem autonomen, antimilitaristischen (und nicht pazifistischen!) Spektrum stammende Initiative mit anderen ähnlichen Aktivitäten zu vernetzen - etwa von Aktion Aufschrei, Schulfrei für die Bundeswehr, Schule ohne Bundeswehr etc. - mindestens insofern, als darüber informiert wird, besser wenn möglich Erfahrungen ausgetauscht werden. Dabei sollten deren Aktionsformen jedoch m.E. die bei der GÜZ-Aktion genannten Aktionsformen nicht überschreiten.

Apropos Vernetzung. In Darmstadt fand am letzten Tag der WRI-Konferenz auch eine Ergebnissicherung und Vernetzung statt. Dabei wurden folgende Arbeitsgruppen gebildet:
1. Gernot Lennert, Geschäftsführer des hessischen DFG-VK-Landesverbands, hat für eine Kampagne gegen die Datenerfassung von jungen Leuten im „wehrfähigen“ Alter MitstreiterInnen gefunden.
2. Koordiniert von Will (Forces Watch, UK) will eine Gruppe an antimilitaristischen Images/Symbolen arbeiten, um diese den Werbesymbolen des Militärs entgegenzusetzen.
3. Koordiniert von Sergey Sandler (WRI-Vorstand) gibt es eine AG Schule ohne Militär.
4. Koordiniert von David Gee (Forces Watch, UK) und Kai-Uwe Dosch (BSV/DFG-VK NRW) sowie Geert Bosma (Vredes Informatie Centrum, Groningen, NL) gibt es eine Arbeitsgruppe zu Friedensbildung (Education against miliatrism, siehe http://schoolsagainstwar.blogspot.co.uk/)


Fazit

Es war ein toller Austausch mit internationalen AktivistInnen zu noch viel mehr Themen als hier angesprochen worden sind. Und es gab höchst konstruktive Ergebnisse. Beide Organisationen, denen ich angehöre, DFG-VK und BSV waren kompetent vertreten und haben sich auch federführend an der Organisation beteiligt.


für ZivilCourage 3/2012
Stephan Brües, ZivilCourage-Redakteur und Ko-Vorsitzender des Bundes für Soziale Verteidigung (BSV).

Mehr Informationen: http://wri-irg.org

[zurück]

Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen • 2018 • Impressum