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Im Geiste der Tradition - Sanitätsakademie der Bundeswehr huldigt Wehrmachtsoldaten30.04.2012

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Von Roland Lory
Das leidige Thema Bundeswehr und Traditionspflege kann um eine weitere bemerkenswerte Episode ergänzt werden. Der zentrale Hörsaal der Sanitätsakademie in München wurde nach Hans Scholl benannt. Doch gleich ein paar Meter weiter würdigt man Ritterkreuzträgern der Wehrmacht an einer Gedenkwand.
München. Ernst Gadermann ist ein Name, der in die Wand eingeritzt ist. Der Arzt wurde 1944 mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Die Person Gadermanns ist eng verbunden mit der des Kampffliegers Hans-Ulrich Rudel. Die NS-Propaganda stilisierte den höchst dekorierten Soldaten der deutschen Wehrmacht zur Legende. Als Rudel abgeschossen und verwundet wurde, rettete ihm sein Mitflieger Gadermann das Leben. »Als Frontkämpfer und Kriegshelden wurde ihm das Ritterkreuz verliehen - nicht für seine Tätigkeit als Arzt«, betont Jakob Knab, Sprecher der Initiative gegen falsche Glorie.
1972 war Gadermann sportmedizinischer Leiter der Olympischen Spiele in München. Auch Hans-Joachim Schulz-Merkel ist an der Gedenkwand verewigt, die es seit rund 30 Jahren gibt. Dem Mediziner wurde 1943 das Ritterkreuz angeheftet. Schulz-Merkel hatte unter den Frontsoldaten als »Panzerdoktor« einen legendären Ruf. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Schulz-Merkel Leiter des Gesundheitsamts Marktoberdorf.
Für Gadermann und Schulz-Merkel gilt laut Knab nicht der Spruch von Peter Bamm (Kasernenpatron in Munster), dass über dem Sanitätsdienst und den Lazaretten an der Ostfront die »unsichtbare Flagge der Humanität« wehte. Ins Bild passt, dass Wehrmachtsnostalgiker auf einschlägigen Internetseiten diese Ritterkreuzträger verehren. Knab hat eine klare Meinung: Er bezeichnet Örtlichkeiten, die an »Kriegshelden« der Wehrmacht erinnern, als »Andachtsräume für Ewiggestrige«. Angeblich soll die Gedenkwand auch in der Führung der Sanitätsakademie für Bauchschmerzen sorgen. Folgt man dem nach wie vor gültigen Traditionserlass der Bundeswehr aus dem Jahr 1982, dann dürfte es solche Gedenkwände freilich überhaupt nicht mehr geben. »Ein Unrechtsregime, wie das Dritte Reich, kann Tradition nicht begründen«, heißt es da.

Große Aufregung
Größere Aufregung wurde der Gedenkwand zuteil, nachdem das Auditorium Maximum der Akademie nach Hans Scholl benannt wurde, der in der Wehrmacht als Sanitätsfeldwebel Dienst tat. Die Tafel wurde für diese Zeremonie abgehängt. Bisher trug weder eine Kaserne, Liegenschaft oder Straße den Namen eines Weiße Rose-Mitglieds. Bei den Widerständlern fand die Bundeswehr bis dato vornehmlich die Männer des 20. Juli traditionswürdig. Generell ist es jedoch auch heute noch so, dass einige fragwürdige Gestalten als Kasernenpatron dienen. Hier ist etwa Rudolf Konrad zu nennen, ein hitlertreuer General und bekennender Antisemit. Die Truppenunterkunft in Bad Reichenhall trägt seinen Namen, wird aber demnächst umbenannt. Es gehe nicht darum, Scholl »für die Bundeswehr zu vereinnahmen, sondern an sein großartiges Erbe anzuknüpfen«, erklärte Kommandeur und Oberarzt Stephan Schöps.

Einspruch von rechts
Freilich muss es massive Widerstände gegen die Ehrung gegeben haben. Traditionalistenkreise machten anscheinend hinter den Kulissen mobil, als die Namensgebung nach Scholl publik wurde. Eine Benennung der gesamten Akademie nach ihm, wie es Knab und der Militärhistoriker Detlef Bald vor ein paar Jahren anregten, erwies sich als aussichtslos. So hatte sich etwa der Ältestenrat des rot-grün dominierten Münchner Stadtrats 2010 dagegen ausgesprochen. Knab glaubt, dass die Ehrung Scholls das Ende der Gedenkwand einläuten wird.
Übrigens hat der Bayerische Soldatenbund 1874 e.V. dieselbe Adresse wie die Sanitätsakademie, die in der Ernst-von-Bergmann-Kaserne zu Hause ist. Der Verein, den Knab als völkisch-reaktionär einstuft, unterhält dort sein Generalsekretariat. Der Soldatenbund ist nach eigener Darstellung mit etwa 80 000 Mitgliedern die größte Gemeinschaft ehemaliger Soldaten in Deutschland. Auch ehemalige Wehrmachtsangehörige zählen dazu. Präsident ist Generalmajor a. D. Jürgen Reichardt, der 1996 den »kriegerischen Geist« der Fallschirmjäger rühmte.
Vom Verteidigungsministerium waren bislang keine Auskünfte zu bekommen. Etwa dazu, wie Scholl und die Gedenkwand zusammenpassen und ob man plane, sie zu entfernen.

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/ausgabe/2012-04-30

Mehr Informationen: http://www.bundeswehr-monitoring.de

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