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Flatrates auf den Weg gestreut20.03.2012

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Schneller surfen im Kriegseinsatz: Allparteienkoalition im Bundestag will bessere Telekommunikationsbedingungen für Bundeswehrsoldaten. Linksfraktion fordert sogar kostenlose Flatrates für Besatzungstruppe. Von Frank Brendle

Kriegsflatrate für Soldaten: Sämtliche Parteien im Bundestag setzen sich dafür ein, die Kommunikationsbedingungen für Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz zu verbessern. Besonders ins Zeug legt sich die Linkspartei. Sie fordert, den Soldaten kostenlose Telefon- und Internetmöglichkeiten zu bieten.

Auf der Tagesordnung der Bundestagssitzung am kommenden Donnerstag stehen zwei fast gleichlautende Anträge von CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne sowie der Linksfraktion. Beide beklagen weitgehend wortgleich die „hohe Belastung“, die Auslandseinsätze für Soldaten und ihre Angehörigen mit sich brächten, und betonen, wie wichtig deshalb das Vorhandensein einer leistungsfähigen Kommunikations-Infrastruktur sei. Die Forderungen der Parteien unterscheiden sich nur in einem Punkt: Die bürgerlichen Parteien wollen den Soldaten zunächst nur kostenloses Telefonieren in die Heimat ermöglichen, außerdem solle das Verteidigungsministerium einen Finanzierungsvorschlag für die kostenfreie Nutzung des Internets vorlegen. Auf letzteres will die Linksfraktion gar nicht erst warten: Soldaten müssten das Internet kostenlos nutzen können, fordert sie. Auch während der Hauptnutzungszeit müsse die Möglichkeit der Videotelefonie gegeben sein. Außerdem seien in den Unterkünften ausreichend Steckplätze für Laptops zu installieren.

Mit ihren Forderungen gehen die Parteien auf Wünsche ein, die von Seiten der Soldaten seit Jahren erhoben werden. Derzeit haben sie nur 30 Minuten pro Woche kostenlose Telefonier-Möglichkeiten, den Rest müssen sie selbst bezahlen, wobei die Preise weit günstiger sind als etwa das normale „Roaming“ für Touristen. Beklagt wird auch, dass in einzelnen Einsatzregionen manchmal das Netz ausfällt und die Internetverbindungen nicht immer stabil sind. Zudem bieten die bereitgestellten Computer-Plätze mitunter nicht die für Telefongespräche übers Internet gewünschte Privatsphäre.

Diese Umstände zu verbessern, ist aus Sicht der Militärs schon wegen der „Berufszufriedenheit“ dringend geboten: Der Wehrbeauftrage bezeichnet bessere Kommunikationstechnik in seinem Jahresbericht 2011 als „wichtigen Faktor im Hinblick auf die Motivation der Soldaten.“ Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr stellt in seiner neuesten Publikation von Ende vergangenen Jahres fest, dass für 60 Prozent der Soldaten die Belastung durch die Trennung von ihrer Familie oder ihren Partnerinnen ein Grund sei, sich nicht erneut für den Afghanistan-Einsatz zu bewerben. Die Abmilderung dieser Trennungsbelastung ist daher ein wichtiger Schritt dafür, den Kriegsdienst attraktiver zu machen und die Soldaten bei der Fahne zu halten. Die bürgerliche Parteienkoalition im Bundestag greift diese Erkenntnisse auf und begründet ihren Vorstoß damit, die Verbesserung der „Betreuungskommunikation im Einsatz“ sei „entscheidend für die Motivation und Einsatzbereitschaft der Einsatzkontingente“, mithin also für die Kriegführungsfähigkeit der Truppe. Freuen dürfen sich dann auch die Jugendoffiziere und Wehrdienstberater der Bundeswehr, die den von ihnen beworbenen jugendlichen Nachwuchs mit dem Versprechen optimaler Internet- und Computertechnologie zum Kriegsdienst locken können. Seltsamerweise werden diese Faktoren von der Linksfraktion nicht mit einem einzigen Wort problematisiert. Sie thematisiert einzig die „Erhaltung der psychischen Gesundheit“ von Soldaten. Sie merkt zwar an, der beste Lösungsansatz dafür wäre der Rückzug aus den Einsatzgebieten, verzichtet aber darauf, ebendiesen zu fordern. Ebensowenig wird die Frage aufgeworfen, welche Belastung der Einsatz der informationstechnisch verhätschelten Bundeswehrsoldaten eigentlich für die betroffenen Afghaninnen und Afghanen mit sich bringt.

Monty Schädel: LINKE verlängert Afghanistan-Krieg

Der Politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Monty Schädel kritisiert die Spendierfreudigkeit des Allparteienbündnisses. „Wer den Afghanistaneinsatz beenden will, sollte nicht darum bemüht sein, den Soldaten den Einsatz auch noch angenehm zu machen“, so Monty Schädel in einem offenen Brief an die Linksfraktion. Dass Soldaten zusätzlich zu ihren 110 Euro steuerfreiem Tages-Extrasalär auch noch „einen Wohlfühlbonus“ erhalten, sei völlig unverständlich.

Schädel weiter: „Mit diesem Antrag trägt DIE LINKE zur Verlängerung des Krieges bei“ und führe ihre eigene Aussage, „einzige Antikriegspartei im Bundestag“ zu sein, ad absurdum. Die Soldaten hätten sich ihr Soldatsein selbst ausgesucht. Die Afghaninnen und Afghanen, die - „ohne freies Telefonieren und Internet“ - unter dem Krieg leiden müssen, hätten hingegen keine Wahl.

Schädel fordert Friedensbewegte, die sich seiner negativen Sicht des Antrages anschließen, dazu auf, sich an Abgeordnete der Linksfraktion zu wenden. Die Zeit dafür ist allerdings knapp: Die Abstimmung ist für Donnerstag nachmittag angesetzt.


Brief von Monty Schädel

Antrag der Fraktion DIE LINKE


Mehr Informationen: http://www.afghanistankampagne.de

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