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Georgien

Zivilcourage 4/2007

05.01.2008
NEUES DEUTSCHLAND - »Revolutionär« Saakaschwili auf der Flucht nach vorn. Der Opposition mangelt es an zugkräftigem Einheitskandidaten

Von Irina Wolkowa, Moskau
Am Sonnabend finden in Georgien Präsidentenwahlen statt. Eigentlich wäre die Abstimmung erst Anfang kommenden Jahres fällig gewesen. Doch Michail Saakaschwili, den die »Revolution der Rosen« 2003 an die Macht gespült hatte, musste nach Massenprotesten im letzten November vorgezogene Neuwahlen anberaumen.

Sechs Bewerber treten gegen Michail Saakaschwili an. Womit der Schachzug des 40-Jährigen schon fast aufgegangen ist: Als seine Gegner im November lauthals seinen Rücktritt gefordert hatten, ließ er zunächst Tränengas und Wasserwerfer einsetzen und verhängte den Ausnahmezustand über das Land. Zugleich aber setzte er kurzfristig Neuwahlen an – im Wissen darum, dass es der Opposition schwer fallen würde, einen zugkräftigen gemeinsamen Gegenkandidaten zu finden. Am gefährlichsten für Saakaschwili wäre wahrscheinlich dessen früherer Verteidigungsminister Irakli Okru-aschwili geworden. Aber der wartet nach Verhaftung, Freilassung und Flucht nach Deutschland auf eine Entscheidung über Auslieferung oder Asylgewährung.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/121918.html#


09.11.2007
Neues Deutschland: Georgien im Ausnahmezustand

Präsident Saakaschwili wähnt Russland hinter seinen Gegnern
Von Irina Wolkowa, Moskau

Nach gewaltsamen Zusammenstößen zwischen oppositionellen Demonstranten und Sondereinheiten von Polizei und Armee hatte Präsident Michail Saakaschwili am Mittwoch-abend für 15 Tage den Ausnahmezustand über Georgien verhängt. Am Donnerstag setzte er überraschend für den 5. Januar 2008 vorgezogene Präsidentenwahlen an.

Das Parlamentsgebäude und die zentralen Plätze der georgischen Hauptstadt Tbilissi waren am Donnerstag von Militärs abgeriegelt. Schulen und Universitäten sollen bis zum Wochenende geschlossen bleiben. Fünf Tage lang hatte die Opposition vor dem Parlament demonstriert. Zunächst hatte sie nur Parlamentswahlen im Frühjahr 2008 (statt, wie von Saakaschwili verordnet, im Herbst), die Neubesetzung der Wahlkommission, eine Änderung des Wahlrechts und die Freilassung politischer Gefangener gefordert. Weil Saakaschwili die Forderungen ablehnte, verlangten seine Gegner seit dem vergangenen Wochenende auch den sofortigen Rücktritt des Präsidenten. Das Protestmeeting, an dem sich zeitweilig bis zu 100 000 Menschen beteiligten, werde erst beendet, wenn alle Forderungen erfüllt seien, drohte einer der Oppositionsführer, Georgi Chaindrawa. Der war während der »Revolution der Rosen« im November 2003 einer der engsten Mitkämpfer Saakaschwilis und später einer seiner Minister, inzwischen aber gehört er zu den erbitterten Gegnern des Präsidenten und wirft ihm Verrat an der Demokratie und die »Allüren eines Diktators« vor.

Als die Proteste in den sechsten Tag gingen, lagen Saakaschwilis Nerven offenbar blank: Uniformierte gingen am Mittwochmorgen mit Wasserwerfern, Tränengas, Gummigeschossen und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor und lösten die Protestversammlung auf. Über 300 Menschen ließen sich in den Krankenhäusern behandeln. Die Opposition behauptet, die Polizei habe kein Tränen-, sondern eine Art Kampfgas eingesetzt. Die Regierung bestreitet das.

Am späteren Abend stürmten Sicherheitskräfte den oppositionellen Fernsehsender »Imedi-TV«. Er gehört dem Milliardär Badri Patarkazischwili und dem australischen Medienmogul Rupert Murdoch. Patarkazischwili, der vor den Demonstranten erklärt hatte, er würde sein gesamtes Vermögen einsetzen, um das »faschistoide Regime« Saakaschwilis zu stürzen, werden beste Beziehungen zu russischen Oligarchen nachgesagt, sowohl zu kremltreuen als auch zu Putin-Feinden wie Boris Beresowski. Vor allem aus Patarkazischwilis Russland-Verbindungen konstruiert Saakaschwili den Vorwurf, die Drahtzieher der Unruhen säßen in Moskau. Georgiens Botschafter in Russland wurde bereits zu Konsultationen nach Tbilissi beordert, fast zeitgleich wurden drei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt und ausgewiesen.

Seither gehen in Moskau der Wogen der Empörung hoch. Bei den Vorwürfen Georgiens gegen Russland, wetterte Duma-Präsident Boris Gryslow in einem Interview bei Radio »Echo Moskwy«, schwingen Washingtons Geheimdienste den Taktstock. Moskaus Oberbürgermeister Juri Lushkow fordert sogar, Georgiens abtrünnige Schwarzmeer-Region Abchasien unverzüglich als unabhängig anzuerkennen. Sicherheitskräfte haben ihre Posten vor der georgischen Botschaft in Moskau inzwischen deutlich verstärkt.

Dass Moskau die Unruhen angezettelt hat, ist in der Tat wenig wahrscheinlich. Teile der Opposition sind, was das Verhältnis zu Russland betrifft, weitaus radikaler als Saakaschwili. Natürlich verfolgt Moskau die Vorgänge in Georgien höchst interessiert. Einem geschwächten Saakaschwili ließen sich womöglich mehr Kompromisse im Streit um die Zukunft Abchasiens und Südossetiens abringen. Überdies würden Saakaschwilis Paten in Washington bei ihren Bemühungen, sich auf Dauer als dominierende Macht im Südkaukasus einzurichten, erheblich zurückgeworfen.

Mit seiner Entscheidung für vorgezogene Präsidentschaftswahlen am 5. Januar überraschte Saakaschwili am Donnerstagabend Freund und Feind. »Das ist ein sehr interessanter Schritt«, sagte der Vorsitzende der Republikanischen Partei, Iwlian Chaindrawa, und wertete ihn als Zugeständnis an die Opposition. Ebenfalls am 5. Januar soll eine Volksabstimmung über den Termin der Parlamentswahl stattfinden.

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/119049.html

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