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Ägyptische Militärjustiz begnadigt kritischen Blogger22.01.2012

Maikel Nabil Sanad

Das ägyptische Militär hat sein umstrittenes Urteil gegen den Blogger Sanad aufgehoben. Zum Jahrestag der Revolution sollen 1.950 weitere Gefangene freigelassen werden.

Die ägyptische Militärjustiz hat den wegen seiner Kritik an der Armee inhaftierten Blogger Maikel Nabil Sanad begnadigt. Diese Entscheidung sei anlässlich des ersten Jahrestags der Revolution am 25. Januar in Ägypten getroffen worden, sagte der Präsident der Militärjustiz, Adel Al-Mursi. Aus Justizkreisen heißt es, dass neben Sanad noch mehr als 1.950 weitere Häftlinge freikommen sollen. (Nachricht bei zeit-online.de weiterlesen)


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Inhaftierter ägyptischer Militärkritiker in psychiatrische Klinik eingeliefert

(8.11.2011) Petition von "Reporter ohne Grenzen" zur Einstellung der Verfolgung von Internet-Dissidenten sowie zur umgehenden und bedingungslosen Freilassung der ägyptischen Blogger Maikel Nabil Sanad und Alaa Abdel Fattah
Maikel Nabil Sanad ist Kriegsdienstverweigerer, Militärkritiker und Blogger. Er wurde am 10. April 2011 von einem ägyptischen Militärgericht zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er in seinem Blog ausführlich über die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen und politischen Einflussnahmen des ägyptischen Militärs berichtet hat (...mehr). Am 11. Oktober hob das Berufungsgericht zwar das Urteil auf. Das Gericht ließ ihn aber nicht frei, sondern ordnete eine erneute Urteilsfindung an. Auf Anordnung des Gerichts wurde er in einem psychiatrischen Krankenhaus untersucht. Das Verfahren wird voraussichtlich am 13. November fortgesetzt.

Das Verfahren gegen Maikel Nabil Sanad verletzt zahlreiche Menschenrechte: Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf ein gerechtes Verfahren nach den Artikeln 19 und 14 des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte. Auch die gerade in Kraft getretene Übergangsverfassung Ägyptens garantiert das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit.

Aufgrund des offensichtlichen Unrechts hatte Maikel Nabil Sanad am 23. August einen Hungerstreik begonnen. Mehrmals hatte er seine Forderung auf sofortige Freilassung mit einem Durststreik bekräftigt. Durch den Durststreik versagten seine Nieren und er fiel wiederholt ins Koma.

Mit dem Vorgehen der ägyptischen Militärjustiz droht Maikel Nabil Sanad eine Pathologisierung. Wer das Militär kritisiert, ist jedoch nicht verrückt, sondern setzt sich ganz praktisch für Demokratie und Menschenrechte ein. Maikel Nabil Sanad muss unverzüglich frei gelassen werden.

Online-Aktion-Protest:

auf:www-frieden-mitmachen.de
www.connection-ev.de
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(www.diepresse.com) Rückkehr der Dämonen - Kairo, neun Monate nach der Revolution. Junge Kopten, die um ihre neue Freiheit fürchten. Die Muslimbruderschaft, die plötzlich die Trennung von Staat und Religion für sich entdeckt. Ein Militärrat, der bei Bedarf TV-Frequenzen und Internet abschalten lässt. vom 11.11.2011

Auswärtiges Amt: Menschenrechtsbeauftragter fordert weiterhin die Freilassung von Maikel Nabil und anderen politischen Häftlingen vom 02.11.2011

Gefährliche Meinung: Ägyptischer Blogger muss erneut vor ein Militärtribunal, Bericht auf Sueddeutsche.de vom 31.10.2011

Ägyptischer Blogger Michael Nabil in Nervenklinik eingewiesen - Bericht bei Katholische Nachrichten auf Kath.net vom 25.10.2011


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(21.10.2011) Militärstrafverfahren gegen Maikel Nabil Sanad auf den 1. November vertagt

In dem bereits vergangenen Dienstag vom Militärgericht in Kairo durchgeführten Verfahren wurde entschieden, den Kriegsdienstverweigerer und Militärkritiker Maikel Nabil Sanad zur Untersuchung in eine psychiatrische Klinik zu überweisen. Das Verfahren soll am 1. November fortgesetzt werden. „Sie bringen ihn in ein Krankenhaus und werden ihn sehr wahrscheinlich einfach für verrückt erklären“, sagte Maged Hanna, eine der RechtsanwältInnen von Maikel Nabil Sanad.

Das Kriegsdienstverweigerungsnetzwerk Connection e.V. und die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Hessen verurteilen die Entscheidung des Gerichts. Rudi Friedrich von Connection e.V. erklärte heute: „Wer das Militär kritisiert, ist nicht verrückt, sondern setzt sich ganz praktisch für Demokratie und Menschenrechte ein.“ Die Organisationen fordern weiter die sofortige Freilassung von Maikel Nabil Sanad sowie die Einstellung aller Verfahren gegen ihn.

Bei der letzten Verhandlung waren weder die Rechtsanwälte von Maikel Nabil Sanad, noch seine Familie anwesend. Er hatte sie aufgefordert, jegliche Zusammenarbeit mit dem Militärgericht zu boykottieren, da dies Verfahren einer „Seifenoper“ gleich käme. Daraufhin ordnete ihm das Gericht einen Rechtsanwalt zu, der aber offensichtlich völlig unerfahren war.

War Resisters‘ International sieht mit dem Schritt, Kritik am Militär und dem Obersten Militärrat in Ägypten zu pathologisieren eine „beunruhigende Entwicklung in der Repression gingen abweichende Positionen nach dem Fall von Mubarak.“ Die Organisation befürchtet zudem, dass Maikel Nabil Sanad dort nicht nur untersucht, sondern auch mit Psychopharmaka oder sogar mit Elektroschocks behandelt wird, um seinen Willen zu brechen.


Zum Hintergrund
Ein Militärgericht hatte Maikel Nabil Sanad am 10. April 2011 wegen Beleidigung des Militärs, Verbreitung falscher Informationen und Störung der öffentlichen Ordnung zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er in einem Beitrag auf seinem Blog www.maikelnabil.com über die Rolle des Militärs während und nach der Revolution berichtet hatte. Er hatte darin ausführlich die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen und politischen Einflussnahmen des ägyptischen Militärs in dieser Zeit thematisiert. (...mehr)

Seine Verurteilung verletzt das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit. Am 21. Juli 2011 hatte der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen in der Allgemeinen Erklärung 34 zum Menschenrecht auf Rede- und Meinungsfreiheit Stellung bezogen: „Staatliche Behörden dürfen Kritik an Institutionen wie dem Militär oder Verwaltung nicht untersagen.“ Damit stellt die Verurteilung und Inhaftierung von Maikel Nabil Sanad eine klare Verletzung des Artikels 19 des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte dar. Auch die im Juni 2011 in Kraft getretene Übergangsverfassung Ägyptens garantiert das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit.

Das Urteil wurde zudem von einem Militärgericht gegenüber einer Zivilperson ausgesprochen und erging in Abwesenheit der Familie, Freunde und des Anwalts von Maikel Nabil Sanad. Damit verletzt das Verfahren gegen Maikel Nabil Sanad auch das Recht auf ein gerechtes Verfahren nach Artikel 14 des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte.

Ein von Maikel Nabil Sanad angestrengtes Berufungsverfahren begann am 4. Oktober 2011. In der ersten Sitzung entschied das Gericht, das Verfahren um eine Woche zu vertagen, weil die Akten nicht vollständig vorlägen. Am 11. Oktober hob das Berufungsgericht das Urteil als „null und nichtig“ auf, ließ Maikel Nabil Sanad aber nicht frei, sondern verwies das Verfahren zur erneuten Urteilsfindung zurück.

Maikel Nabil Sanad hatte am 23. August 2011 einen Hungerstreik begonnen. Mehrmals hatte er seine Forderung auf sofortige Freilassung mit einem Durststreik bekräftigt. Durch den Durststreik versagten seine Nieren und er fiel wiederholt ins Koma.

Unterstützungsmöglichkeiten für Maikel Nabil Sanad gibt es weiter unter
http://www.Connection-eV.de/aktion-egypt.php
http://www.frieden-mitmachen.de
http://wri-irg.org/node/13819

Ägypten schickt kritischen Blogger in Psychiatrie (FTD vom 21.10.2011)

²http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,793092,00.html#ref=rss|Militärgericht weist Regimekritiker in die Psychiatrie ein (Spiegel-Online vom 20.10.2011)

Schlimmer als unter Mubarak - Ägyptens Militär geht härter mit Kritikern um als der alte Diktator. Der inhaftierte Blogger Sanad ist seit 48 Tagen im Hungerstreik, (DIE WELT vom 10.10.2011)

Blogger hungert für ein freies Ägypten - Der ägyptische Blogger Maikel Nabil Sanad wurde vom Militärgericht zu drei Jahren Haft verurteilt. Aus Protest hungert er nun schon seit fast 50 Tagen und ist dem Tode nahe. (Deutsche Welle vom 08.10.2011)

Blogger in Kairos Gefängnis - Hungern für ein freies Ägypten (SPIEGEL-Online vom 08.10.2011)

Bericht im Online-Portal von Die Zeit, 04.10.2011

Bericht in der tagesschau vom 30.09.2011

²http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1432758/Aegypten-Blogger-im-Hungerstreik#/beitrag/video/1432758/Aegypten-Blogger-im-Hungerstreik|Ägypten: Blogger im Hingerstreik (ZDF-heute-journal vom 07.09.2011)

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Inhaftierter ägyptischer Kriegsgegner in Hunger- und Durststreik

Direkt zur Aktionsseite

(31.08.2011) Connection e.V. und die DFG-VK Hessen rufen aufgrund der Zuspitzung der Situation des ägyptischen Kriegsdienstverweigerers und Militärkritikers Maikel Nabil Sanad dringend zu Unterstützung und Aktionen auf. Der für den 9. September 2011 anberaumte Aktionstag findet nun bereits übermorgen, am Freitag, den 2. September, statt. Die Organisationen bitten zudem um Protestschreiben an die ägyptischen Behörden.

Maikel Nabil Sanad war am 10. April 2011 von einem ägyptischen Militärgericht zu drei Jahren Haft verurteilt worden, weil er als einer der Ersten die Rolle des Militärs kritisiert hatte. Er trat am 23. August 2011 in Hungerstreik, weil seine Berufung von den Militärbehörden verschleppt wurde. Am 30. August eskalierte er seinen Hungerstreik mit einem Durststreik. Außerdem will er auch seine Herzmedikamente verweigern.

Zu diesen drastischen und für ihn gefährlichen Maßnahmen sieht sich Maikel Nabil Sanad genötigt, weil über seine im April 2011 eingelegte Berufung noch nicht verhandelt wurde und auch kein Termin angesetzt worden ist. Zugleich wurden andere Gefangene freigelassen oder die gegen sie erhobenen Vorwürfe wegen militärkritischer Äußerungen eingestellt.

Der von der War Resisters‘ International, Connection e.V. und der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Hessen ausgerufene Aktionstag wird aufgrund der Zuspitzung der Situation um eine Woche vorverlegt und findet nun am 2. September statt. In Frankfurt am Main findet am Freitag, 2. September 2011, um 15 Uhr eine Protestkundgebung vor dem ägyptischen Fremdenverkehrsamt in der Kaiserstraße 64 statt.

Die Organisationen rufen zu dem Internationalen Aktionstag auf, um die Unterstützung für Maikel Nabil Sanad auf internationaler Ebene öffentlich zu machen. Seine Verurteilung ist ein Zeichen dafür, wie stark die Redefreiheit in Ägypten beschränkt wird und wie scharf das Militär gegen die Opposition vorgeht. Mit dem Aktionstag fordern wir die sofortige Freilassung von Maikel Nabil Sanad, wie auch von allen anderen gewaltfreien Aktivisten und Militärkritikern in Ägypten.

Connection e.V., DFG-VK Hessen und die War Resisters‘ International rufen dringend zu Protestschreiben an die ägyptischen Behörden auf. Vorbereitete Protest-eMails können online versandt werden über

www.connection-ev.de
www.frieden-mitmachen.de der DFG-VK
www.wri-irg.org
www.amnesty.de


Protest-eMails können auch direkt gesandt werden an
- Excellency Mohamed Hussein Tantawi, Ägyptischer Verteidigungsminister, mmc@afmic.gov.eg, mod@afmic.gov.eg
- S.E. Botschafter Ramzy Ezzeldin Ramzy, Berlin, embassy@egyptian-embassy.de

gez.
Gernot Lennert
Rudi Friedrich

Weitere Informationen unter
http://www.Connection-eV.de/z.php?ID=1435
http://www.dfg-vk-hessen.de

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Ägypten: Inhaftierter Militärkritiker im Hungerstreik
(Connection e.V. und DFG-VK Hessen fordern Freilassung von Maikel Nabil Sanad)

(25.08.2011) Maikel Nabil Sanad ist Militärkritiker, Kriegsdienstverweigerer und Blogger. Er wurde am 10. April 2011 von einem ägyptischen Militärgericht zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er als einer der Ersten in Ägypten die Rolle des Militärs kritisierte. Er berichtete in seinem Blog ausführlich über die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen und politischen Einflussnahmen des ägyptischen Militärs. Das Urteil wurde in Abwesenheit der Familie, Freunde und des Anwalts von Maikel Nabil Sanad ausgesprochen.

Maikel Nabil Sanad begann letzten Dienstag einen Hungerstreik, um gegen die Haft und die Verzögerungen seines Berufungsverfahrens zu protestieren. Über seine im April 2011 eingelegte Berufung ist noch immer nicht verhandelt worden. Zugleich werden andere Gefangene freigelassen oder die gegen sie erhobenen Verfahren wegen Beleidigung des Militärs eingestellt. weiterlesen

online-Protest mitmachen!
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Drei Jahre Gefängnis für ersten ägyptischen Kriegsdienstverweigerer
Von Gernot Lennert für ZivilCourage 2/2011

Der ägyptische Blogger, Pazifist und Kriegsdienstverweigerer Maikel Nabil Sanad, der sich für eine säkulare Demokratie engagiert, war schon zweimal in der Gewalt des Militärs gewesen. Im Oktober 2010 war er der Einberufung zum Militärdienst nicht gefolgt, stattdessen erklärte er seine Kriegsdienstverweigerung. Im November wurde er verhaftet, zum Militär gebracht, dort für untauglich erklärt und nach zwei Tagen wieder freigelassen und anschließend offiziell aus dem Militär entlassen. Im Februar wurde er zwei Tage lang gefangen gehalten, geschlagen und misshandelt. Ein Geheimdienstoffizier erklärte ihm, dass sie in drei Stufen vorgingen: Bei der ersten Festnahme im November hätten sie ihn gut behandelt. Jetzt habe er die zweite Stufe erlebt. Im April wurde er nun wegen seiner Kritik am Militär zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. (siehe auch Zivilcourage Nr. 1/2011)

Maikel Nabil Sanad hatte schon nach dem Abgang Mubaraks kritisiert, dass in Ägypten das Militär die Macht behalten hatte. Er stellte fest, dass es der Revolution zwar gelungen war, den Diktator loszuwerden, aber nicht die Diktatur. In seinem Internet-Blog widersprach er energisch der verbreiteten These, das Militär habe sich auf die Seite des revolutionären Volkes gestellt. Er berichtete über die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen und politischen Einflussnahmen des ägyptischen Militärs. In seinem am 8. März veröffentlichten Beitrag „Die Armee und das Volk waren niemals eins“ (www.maikelnabil.com/2011/03/army-and-people-wa snt-ever-one-hand.html; auf deutsch: http://wri-irg.org/de/node/12815) führte er detailliert aus, wie das Militär sowohl während der Massendemonstrationen, die zum Sturz Mubaraks führten, als auch danach in zahlreichen dokumentierten Fällen willkürlich Verhaftungen vornahm, folterte und Inhaftierte verschwinden ließ.

Am 4. Februar war Maikel selbst vom Militär festgenommen worden. Er berichtete, dass das Militär die Polizei, als sie auf Demonstrierende auf dem Tahrir-Platz schoss, mit Munition versorgte. Er machte zudem deutlich, dass die ägyptische Presse offensichtlich auf Druck des Militärs Nachrichten noch nachträglich veränderte.

Auch andere Medien verschwiegen nicht länger die Gewaltaktionen des Militärs. Nach dem Abtritt Mubaraks und nach dem Rückgang der Massendemons- trationen gingen Polizei und Militär gemeinsam gegen Demonstrierende vor, um den Tahrir-Platz zu räumen. Mehr als 190 Personen wurden vom Militär festgenommen und teilweise gefoltert. In einem Militärgefängnis wurden weibliche Gefangene auf ihre „Jungfräulichkeit“ untersucht und bei den Erniedrigungen gefilmt. Wer nicht als jungfräulich eingestuft wurde, wurde mit einer Anzeige wegen Prostitution bedroht.


Die „dritte Stufe“

Auch zur vom Geheimdienst angedrohten dritten Stufe der Repression gegen Maikel Nabil Sanad ist es inzwischen gekommen. Am 28. März wurde er von der Militärpolizei verhaftet und in ein Militärgefängnis gebracht. Ihm wurde vorgeworfen, dass er mit seiner Aufklärungsarbeit die öffentliche Sicherheit gefährdet und das Militär beleidigt habe. Zunächst sollte er für 15 Tage inhaftiert bleiben, in denen ein Prozess gegen ihn stattfinden sollte.


Prozessbeobachtung und Solidaritätskampagne

Die War Resisters' International (WRI), das internationale antimilitaristische und pazifistische Netzwerk, dem auch die DFG-VK angehört, hatte Maikel Nabil Sanad schon in den Monaten zuvor gegen die Repression des ägyptischen Staates unterstützt. Andreas Speck vom Büro der WRI in London flog als Prozessbeobachter nach Kairo.
Auch die DFG-VK beteiligte sich an den Protesten gegen die Verhaftung von Maikel. Der hessische DFG-VK-Landesverband und Connection e.V. forderten am 8. April in einer Kundgebung vor dem ägyptischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main die Freilassung von Maikel Nabil Sanad.


Kein fairer Prozess

Der Prozess zog sich fast zwei Wochen hin, wobei immer wieder neue Termine für die Urteilsverkündung genannt wurden. Normalerweise dauern in Ägypten Militärgerichtsprozesse nur Minuten. Es war allerdings kein auch nur annähernd rechtsstaatliches, faires Verfahren. Die Gerichtsverhandlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nicht nur dem WRI-Prozessbeobachter, sondern auch anderen, die mit Maikel befreundet sind oder ihn politisch unterstützen, wurde die Teilnahme verweigert.

Besonders skandalös ist, dass Maikel als Zivilist in einem Schnellverfahren vor ein Militärgericht gestellt wurde. Die Aburteilung von Zivilpersonen durch Militärgerichte ist ein klares Indiz für das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit. Das Menschenrecht auf ein faires Verfahren ist eindeutig verletzt. Das Militär ist in diesem Fall Richter in eigener Sache und gegen einen Kriegsdienstverweigerer und Pazifisten ohnehin voreingenommen. Angesichts des „kurzen Prozesses“ bleibt auch kaum Zeit, die Verteidigung vorzubereiten.

„Unerhört waren jedoch die Umstände der Verurteilung selbst“, wie Prozessbeobachter Andreas Speck berichtete (in der Mai-Ausgabe der „Graswurzelrevolution“): „Seiner Familie und den AnwältInnen wurde am 10. April mitgeteilt, dass die Urteilsverkündung auf den 12. April vertagt wäre. Nachdem sie den Gerichtssaal verlassen hatten, wurde Maikel dann aber - in Abwesenheit seiner Familie und seiner AnwältInnen - zu drei Jahren Haft verurteilt. Nur über den Anruf einer anderen Person, die ihren ebenfalls inhaftierten Bruder im Gefängnis besuchte, erfuhr Maikels Familie von der Verurteilung. Doch selbst dann noch wurden sie weiter belogen. Ihnen wurde am nächsten Tag gesagt, dass Maikel ins Gefängnis von Toura gebracht worden sei. Ein ihn bewachender Soldat erlaubte ihm jedoch - heimlich - über sein Handy seinen Bruder anzurufen und ihm mitzuteilen, dass er sich im Gefängnis von El-Marg befindet.“

In einer Nachricht, die Maikel aus dem Gefängnis schmuggeln konnte, teilte er mit, dass er festgenommen wurde, um ihn zum Schweigen zu bringen. In einem herausgeschmuggelten Artikel zeigte er sich um seine Sicherheit besorgt und warnte davor, den Behauptungen der Armee über Selbstmordversuche zu glauben.


Kritik an Militärherrschaft bestätigt

Das Vorgehen gegen Maikel Nabil Sanad zeigt, dass das ägyptische Militär brutal und willkürlich gegen Kritiker vorgeht. Indem das Militär ihn zu drei Jahren Gefängnis verurteilt hat, bestätigt es ungewollt, dass dessen Kritik an der Militärherrschaft voll zutrifft. Seine Verurteilung ist gleichzeitig eine deutliche Botschaft, dass in Ägypten das Militär herrscht und keine Kritik zulässt.

Parallel zum Prozess eskalierte auch wieder die Gewalt gegen die Demokratiebewegung. Der WRI-Prozessbeobachter berichtete: „In der Nacht vom 8. auf den 9. April stürmte das Militär erneut den Tahrir-Platz. Mindestens zwei Menschen wurden dabei erschossen, zahlreiche verletzt. Am nächsten Tag wurde der symbolträchtige Platz erneut besetzt, doch am 12. April wiederum geräumt. Und wieder waren es Schlägertrupps, die das Militär dabei unterstützten und Menschen an das Militär auslieferten. In den Straßen in der Nähe des Tahrir-Platzes wurden in den folgenden Stunden oft wahllos Menschen festgenommen.“

Zwei Tage nach der Verhaftung von Maikel Nabil Sanad trat die neue Übergangsverfassung Ägyptens in Kraft. Sie verspricht Meinungs- und Pressefreiheit. Sowohl die mörderische Gewalt gegen die Demokratiebewegung als auch die Verurteilung von Maikel Nabil Sanad zeigen, dass diese Verfassung nicht das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben ist.


Tradition der Militärherrschaft

Ägypten wird seit dem Militärputsch von 1952 vom Militär beherrscht. Alle Präsidenten gingen seitdem aus dem Militär hervor. Das Militär und einzelne Generäle im Ruhestand beherrschen einen beträchtlichen Teil der Wirtschaft.

Auch in den Jahrhunderten zuvor war in Ägypten das Militär die herrschende Schicht. Die 1952 gestürzte Dynastie war von dem osmanischen Offizier albanischer Herkunft Mehmet Ali gegründet worden. Zuvor beherrschten Mameluken, eine auf Militärsklaverei beruhende Elitetruppe, das Land - von 1250 bis 1517 stellten sie die Sultane, unter der anschließenden osmanischen Herrschaft blieben sie bis ins 19. Jahrhundert hinein einflussreich.

Das Schicksal von Maikel Nabil Sanad ist ein Indikator dafür, ob es gelingt, in Ägypten die jahrhundertelange Tradition der Militärherrschaft aufzubrechen, oder ob lediglich die wegen ihrer Raffgier unpopulär gewordene Familie Mubarak entfernt wurde, während die politische und ökonomische Herrschaft des Militärs mit einem anderen und diesmal zivilen Präsidenten und einigen kosmetischen Korrekturen als demokratische Fassade fortbestehen wird.


Internationale Kampagne nötig

Es ist nun Aufgabe der weltweiten Bewegungen für Menschenrechte, für Demokratie und für Frieden, sich für die Freilassung von Maikel Nabil Sanad einzusetzen.

Gernot Lennert ist Landesgeschäftsführer der DFG-VK Hessen.

Weitere Informationen zu Maikel Nabil Sanad im Internet: www.maikelnabil.com, www.dfg-vk-hessen.de, www.connection-ev.de, www.wri-irg.org.
Eine Protest-E-Mail kann bis 31. Mai verschickt werden über: http://wri-irg.org/node/12728
Weitere Protestmails an ägyptische Behörden über www.frieden-mitmachen.de

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Gegen die Kriegsdienstpflicht in Ägypten
Maikel Nabil Sanad - Der erste ägyptische Kriegsdienstverweigerer

Von Lotta Viktualia (für Zivilcourage 1-2011)

Maikel Nabil Sanad hatte am 20. Oktober 2010 erklärt: „Ich habe sehr viel darüber nachgedacht. Meine Entscheidung ist, dass ich die Ableistung des Militärdienstes verweigern werde. Ich werde die Konsequenzen tragen, was auch immer das bedeutet, obwohl ich weiß, dass die Konsequenzen Leid bedeuten, weil ich der erste ägyptische Jugendliche bin, der den Militärdienst aus pazifistischer Überzeugung verweigert. (...) Meine Worte bedeuten aber nicht, dass ich ein Militärdienstentzieher bin. Ich verweigere, ich entziehe mich nicht. Ich lebe unter der Adresse, die in meinem Ausweis steht und der Rekrutierungsbehörde und dem Militär bekannt ist. Sie steht auch in meinem Schreiben an den Verteidigungsminister, den Premierminister, den Präsidenten beider Parlamente und den Präsidenten der Republik. Ich verstecke mich nicht irgendwo, so dass mich die ägyptische Polizei verhaften könnte. Ich bin bereit dazu, mich der Justiz auszuliefern, wenn ich darüber informiert werde, dass ich gesucht werde.“

Entsprechend seiner Erklärung folgte Maikel Nabil Sanad im Oktober 2010 nicht der Einberufung zum Militärdienst. Am 12. November wurde er vom Geheimdienst verhaftet, zum Militär gebracht, für untauglich erklärt und nach zwei Tagen wieder freigelassen. Kurz darauf erhielt er seine offiziellen Entlassungspapiere.


Begegnung in Kairo

Am 4. Januar 2011 trafen wir, eine Minidelegation der DFG-VK Hessen, mit Maikel am Flughafen von Kairo zusammen. Nach zwei Wochen Rundreise durch Ägypten auf den Spuren der Vergangenheit war dieser Gegenwartsbezug eine willkommene Ergänzung, kurz nach den Anschlägen auf eine große koptische Kirche in Alexandria. Vorher hatten wir Gelegenheit, mit den ägyptischen Reiseleitern über die politische Situation im Land zu sprechen, von den Anschlägen erfuhren wir am ersten Januar in Luxor, und das Entsetzen war auch bei unseren Begleitern zu spüren. Wir erfuhren vieles über die soziale und ökonomische Ungleichheit im Land, die Armut, Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit mit dem Regime. Viele Ägypter waren geschockt, da das Nebeneinander verschiedener Religionen von der Mehrheit nicht als problematisch angesehen wird.

Als wir mit Maikel in seiner Kairoer Junggesellenwohnung diskutierten, war ich positiv überrascht von seiner derzeitigen Analyse, also noch, bevor es dort richtig los ging.

Er war überzeugt, dass etwas passieren müsse, dass es nicht nur um diesen einen Anschlag gehe, sondern um die Rechte und die Freiheit im Land; es gäbe keine Demokratie und es sei das erste Mal seit zwei Jahren, dass die Polizei wieder auf DemonstrantInnen schießen würde. Nach dem Bombenanschlag gingen viele Menschen auf die Straßen: in Kairo, Assiut und Mansura, um einige Städte zu nennen. Das war neu auch für die koptischen ChristInnen, die zuvor ausschließlich innerhalb der Kirche protestiert hatten. Der Papst der Kopten bekannte sich zu Mubarak.

Es zeichnete sich hier schon ab, dass der Protest ein übergreifender sein würde. Es gehe nicht um Religionen, sondern darum, demokratische Strukturen zu entwickeln. Immerhin braucht mensch die Erlaubnis des Staates, um politisch aktiv sein zu dürfen, eine so genannte „party licence“, ohne die politische Aktionen strafbar sind.

Maikel vertrat die Ansicht, dass die Regierung das Problem sei und die Religionsgemeinschaften gegeneinander hetzt, um von sich abzulenken; das Mubarak-Regime habe ausgedient.

Im Hinblick auf seine Kriegsdienstverweigerung äußerte ich meine Überraschung, dass er nach zwei Tagen Arrest als freie zivile Person von der Armee entlassen wurde. Wir erklärten uns diese Reaktion mit der Vermeidung irgendwelchen Aufsehens kurz vor den Wahlen. Es hätte vielleicht Nachahmer gegeben, wenn Maikel als kriminalisierter Kriegsdienstverweigerer Aufmerksamkeit und Solidarität erfahren hätte.


Ägyptische Gruppe
gegen Zwangsmilitärdienst

Er ist nicht der einzige antimilitaristisch Aktive in Ägypten, sondern Teil einer Gruppe gegen Zwangsmilitärdienst, „No For Compulsory Military Service´ Movement“, bestehend aus etwa 30 Personen. Mit den War Resisters' International (WRI) arbeitet er eng zusammen und ist interessiert an internationalen Kontakten. Insbesondere sei es wichtig, Erfahrungen in Demonstrationstechniken weiterzugeben (das war vor den Massendemonstrationen in Ägypten; inzwischen dürften es die ägyptischen Erfahrungen sein, von denen andere lernen können). Sie suchen ohne ideologische Vorbedingung die Zusammenarbeit mit Gruppen.
Maikel ist gegen jeden Nationalismus und lehnt die in der arabischen Welt weit verbreitete Feindseligkeit gegen Israel ab. Israel schätzt er als modernen liberalen Staat. Er spricht sich gegen antisemitische Bestrebungen aus, die das Existenzrecht Israels verneinen, hat Freunde in Israel, arbeitet mit KriegsgegnerInnen in Israel zusammen, lernt selbst Hebräisch und bietet auf seiner Homepage Texte nicht nur in Arabisch und Englisch, sondern auch auf Hebräisch an.


Die „Volksnähe“ des Militärs

Als kurz nach unserem Besuch der zivile gewaltfreie Aufstand gegen Mubarak begann, war Maikel Nabil Sanad dabei.
Am 4. Februar wurde er von der Militärpolizei festgenommen. WRI und DFG-VK forderten sofort zu Protestschreiben auf und machten bei der Ägypten-Demonstration in Frankfurt auf die Festnahme aufmerksam. Nach 29 Stunden kam Maikel wieder frei: Er schrieb unmittelbar nach seiner Freilassung: „Liebe Freunde, der Geheimdienst ließ mich heute Morgen um sieben Uhr frei. Sie schlugen mich, misshandelten mich sexuell und drohten mir mit einem Militärstrafverfahren. Sie drängten mich, in die Armee zu gehen, stahlen meinen Pass und mein Mobiltelefon. Es waren die schlimmsten Tage meines Lebens. Ich denke, sie taten es, um sich an mir wegen meiner Kriegsdienstverweigerung zu rächen. Ich werde einige Tage brauchen, um mich von diesen schrecklichen Erfahrungen zu erholen...“ (Mail vom 5. Februar)

Einige Tage später ergänzte er: „Als ich davor über meine frühere Verhaftung schrieb, habe ich diese als gewaltfreien Kampf zwischen mir und dem Regime betrachtet. Aber diesmal schreibe ich auf eine andere Art, weil dies das erste Mal ist, dass ich mich als Opfer fühle, und das erste Mal, dass ich derart stark beleidigt wurde. Ich schreibe diesmal nicht, um Revanche zu nehmen, aber um die Menschen wissen zu lassen, was ihnen bevorsteht, wenn diese Revolution fehlschlägt. Unsere Revolution schützt uns davor, dass derartige Aktionen gegen mich und alle von Euch wiederholt werden. (...) Der Geheimdienstbeamte kam und schlug mir ins Gesicht. Und was mich wirklich deprimiert hat: Leute vom Volkskomitee halfen der Armee, mich festzunehmen, weil sie dachten, die Armee sei auf unserer Seite.“

Diese pro-militärische Einstellung teilen viele ÄgypterInnen, wie wir auch bei der Ägypten-Demonstration am 5. Februar in Frankfurt am Main hören konnten. So war ein Argument gegen die Solidarität mit Maikel, dass das Militär die einzige demokratische Organisation sei, in der die Menschen Gleichberechtigung erführen, und die größte Gefahr sei die Zersetzung der Armee. Verräter sollten bekämpft werden.

Sechs Jahrzehnte militaristische und nationalistische Indoktrination gehen offensichtlich nicht spurlos an den Menschen vorbei. Auch westliche Medien verbreiten das Märchen des schützenden und volksnahen Militärs, nur weil es nicht gleich geschossen hat. Was diese Volksnähe bedeutet, konnte Maikel Nabil Sanad am eigenen Leib spüren.

Einer der Geheimdienstoffiziere erklärte ihm, dass sie in drei Stufen vorgingen. Bei der ersten Festnahme im November hätten sie ihn gut behandelt. Jetzt habe er die zweite Stufe erlebt. Wie brutal nach den Schlägen und Misshandlungen bei der zweiten Festnahme die dritte Stufe aussehen würde, erläuterte der Geheimdienstmann nicht.

Nach dem Abgang Mubaraks hat in Ägypten das Militär die Macht übernommen. Ausgerechnet Kriegsminister Tantawi führt nun den Staat. Maikel zeigt sich auf seiner Homepage darüber besorgt, dass die Militaristen die Macht an Islamisten und arabische Nationalisten übergeben: „Wir machten diese Revolution für Demokratie, nicht für Faschisten. Nieder mit den Militaristen!“

Maikel und die ägyptischen PazifistInnen und AntimilitaristInnen sind gerade dann, wenn das Militär herrscht, besonders gefährdet. Sie benötigen weiterhin transnationale Solidarität.


„Lotta Viktualia“ ist eine Frankfurter DFG-VK-Aktive, die im Hinblick auf potenzielle Arbeitgeber anonym bleiben will.


Weitere und ausführlichere Informationen zu Maikel Nabil Sanad im Internet:
http://www.maikelnabil.com
http://www.dfg-vk-hessen.de
http://www.connection-ev.de
http://de.indymedia.org/2011/02/299718.shtml

Mehr Informationen: http://www.frieden-mitmachen.de

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