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»Uns geht es um einen neutralen Unterricht«19.02.2011

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Der Bayerische Elternverband wehrt sich dagegen, daß die Bundeswehr in Schulen um Nachwuchs wirbt. Ein Gespräch mit Maria Lampl (Landesvorsitzende des Bayerischen Elternverbands e.V.)


Der Bayerische Elternverband hat sich mit einer Petition an den Landtag in München gewandt, in der unter anderem gefordert wird, daß Schülerinnen und Schüler Veranstaltungen der Bundeswehr an ihrer Schule »aus Gewissensgründen« fernbleiben dürfen. Werden die Jugendlichen momentan gezwungen, daran teilzunehmen?
Auch bei Bundeswehr-Besuchen im Rahmen des Schulunterrichts besteht grundsätzlich Anwesenheitspflicht für Schüler. Wir wehren uns dagegen, daß das Militär im Unterricht junge Männer anwerben könnte, auch wenn es das offiziell natürlich nicht darf. Wie in sieben weiteren Bundesländern gibt es mittlerweile auch in Bayern ein Kooperationsabkommen zwischen dem Kultusministerium und der Bundeswehr. Schulen können die Jugendoffiziere für den Unterricht in politischer Bildung einladen, aber wir fürchten, daß die Versuchung, daraus eine Werbeveranstaltung zu machen, groß ist. Die Bundeswehr braucht schließlich dringend Nachwuchs, zumal die Wehrpflicht ausgesetzt ist und keine Zwangsrekruten mehr nachkommen.

In der Petition fordern Sie auch, daß die Entscheidung über eine Einladung von Vertretern der Bundeswehr in die Zuständigkeit des Schulforums gehört. Was ist damit gemeint?
Momentan läuft es so, daß Jugend­offiziere einzelne Lehrer oder die Schulleitungen anschreiben und sich als Referenten für sicherheitspolitische Themen anbieten. Die Einladung spricht dann der Schulleiter aus. Wir plädieren dafür, daß das Schulforum darüber entscheidet, ob eine Veranstaltung mit der Bundeswehr stattfindet. Im Schulforum sitzen Vertreter der Lehrer, der Schüler und der Eltern. Der Schulleiter hat hier nur eine von neun Stimmen.

Ist es denn nicht legitim, daß in Schulen – auch mit Hilfe der Bundeswehr – über Sicherheitspolitik informiert wird?
Die Jugendoffiziere sollen das Thema Sicherheitspolitik offiziell von allen Seiten beleuchten und nicht nur die militärische Sicht darstellen – es ist aber zweifelhaft, ob das geschieht. Bei nur einseitiger Beeinflussung verstößt die Bundeswehr an Schulen gegen den sogenannten »Beutelsbacher Konsens«, gegen die Minimalbedingungen für die politische Bildung in Deutschland. Daß die Militärs wirklich alle Arten von Sicherheitspolitik darstellen, müßten die Lehrer kontrollieren.

Es stellt sich allerdings die Frage, mit welchem Recht die Bundeswehr einen Kooperationsvertrag hat – und Friedensgruppen nicht. Es ist wichtig, daß auch die Friedensbewegung Zugang zu Schulen bekommt. Das Schulforum könnte dafür sorgen, daß sie eingeladen wird. Zu bedenken ist aber, daß die Jugendoffiziere hauptamtlich angestellt sind und geschult werden – Friedensgruppen hingegen müssen sich allein finanzieren. Selbst wenn deren Aktivisten in die Schulen kämen und dem Jugendoffizier Paroli böten, würde mit ungleichen Waffen gekämpft.

Was empfehlen Sie Eltern, die erfahren, daß ein Jugendoffizier der Bundeswehr in die Klasse ihrer Kinder kommen soll?
Sie sollten den Besuch kritisch hinterfragen und überlegen, ob sie wirklich möchten, daß ein Jugendoffizier Einfluß auf ihr Kind nimmt. Wir möchten den Schülerinnen und Schülern die Verantwortung übertragen – sie sollen selbst entscheiden, ob sie bei einem Bundeswehr-Einsatz in ihrer Klasse anwesend sein möchten oder nicht.

Was passiert nun mit der Petition? Wie stehen die Chancen auf Annahme der Forderungen?
Wenn die Petition angenommen ist, wird im Bildungsausschuß des Landtags darüber beraten. Der Ausschuß macht dann einen Vorschlag, was mit der Petition geschehen soll. Im günstigsten Fall leitet er sie zur Abstimmung an das Landtagsplenum weiter. Dies wird aber einige Zeit dauern. Ob die Petition angenommen wird, ist schwer zu sagen. Immerhin lehnen wir den Einsatz von Jugendoffizieren im politischen Unterricht nicht gänzlich ab. Uns geht es nur darum, einen neutralen und kritischen Unterricht herzustellen und gleichzeitig die Schüler entscheiden zu lassen, ob sie daran teilnehmen wollen.

Interview: Michael Schulze von Glaßer

URL: http://www.jungewelt.de/2011/02-19/052.php

Petition des Bayerischen Elternverbandes zu Bundeswehr in der Schule

Mehr Informationen: http://www.schulfrei-fuer-die-bundeswehr.de

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