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Die nukleare Zukunft der NATO29.10.2010

http://www.bits.de

von Otfried Nassauer vom Berliner Information-Center for Transatlantic Security (BITS)

1. Einleitung

Nach der Sommerpause hat der Endspurt begonnen. Die NATO erarbeitet ein neues Strategisches Konzept.[1] Im November soll es im Konsens verabschiedet werden. Darauf hat man sich anlässlich des Straßburger NATO-Gipfels zum 60. Geburtstag der Allianz geeinigt. Eines der zentralen Themen, bei dem die nunmehr 28 Mitgliedern der Allianz zu einer gemeinsamen Sichtweise kommen müssen, ist die künftige Nuklear- und Abschreckungspolitik der Allianz. Die Debatte darüber eröffnete U.S.-Präsident Obama bereits einen Tag nach dem NATO-Gipfel 2009 in Prag, als er die Vision einer atomwaffenfreien Welt wiederbelebte und versprach, die Rolle nuklearer Waffen in der Strategie der USA zu reduzieren und sich verstärkt für atomare Abrüstung und nukleare Nichtverbreitung einzusetzen.

Ein Jahr später, am 6. April 2010, veröffentlichte die U.S.-Regierung den „Nuclear Posture Review 2010“ (NPR 2010), ein perspektivisches Dokument zur Zukunft der U.S.-Nuklearpolitik. Das Papier ist gleichzeitig Blaupause für die nationale Nuklearpolitik der USA und Vorlage der Führungsmacht der NATO für die Diskussion der Nuklearstrategie im Bündnis. Denn auch die NATO muss entscheiden, wie sie die Rolle nuklearer Waffen, der nuklearen Abschreckung und der nuklearen Abrüstung in ihrem neuen strategischen Konzept beschreiben und an die Veränderungen in der Nuklearpolitik Washingtons anpassen will.

Das wird kein leichtes Unterfangen und der Ausgang ist ungewiss. Die Interessen und Positionen der 28 NATO-Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich, teilweise sogar gegensätzlich. Ein Teil der NATO-Mitglieder hofft, dass die Rolle nuklearer Waffen weiter reduziert und künftig auf in Europa stationierte substrategische Nuklearwaffen verzichtet wird. Ein anderer Teil will möglichst wenig an der bisherigen Nuklearpolitik der NATO ändern und die in Europa stationierten Nuklearwaffen beibehalten.

Als die NATO-Außenminister sich am 22./23. April 2010 in Tallin zu einer informellen Sitzung trafen, um über mögliche politische Vorgaben für das neue Strategische Konzept der Allianz zu sprechen, stand auch die künftige Nuklearpolitik der Allianz auf der Tagesordnung. Die Außenminister Belgiens, Deutschlands, Luxemburgs der Niederlande und Norwegens hatten NATO-Generalsekretär Rasmussen in einem Brief darum gebeten. Sie erinnerten daran, dass U.S.-Präsident Obama die Vision einer atomwaffenfreien Welt befürwortet und versprochen hatte, sich um „eine verringerte Rolle atomarer Waffen“ zu bemühen. Man wolle das NATO-Treffen zu „einer umfassenden Diskussion“ nutzen: „Wir glauben, dass wir auch in der NATO diskutieren sollten, was wir tun können, um uns diesem übergeordneten politischen Ziel anzunähern.“

Doch nicht alle in der NATO denken so. Hillary Clinton, die Außenministerin der USA, hielt ihren Kollegen während eines Treffens in Tallin im April entgegen: „Wir sollten anerkennen, dass die NATO eine nukleare Allianz bleibt, so lange wie Nuklearwaffen existieren,“ und mahnte zudem: „Für ein nukleares Bündnis ist es fundamental, die nuklearen Risiken und Verantwortlichkeiten breit zu teilen.“ Clintons Vorgängerin, Madeleine Albright, und die von ihr geleitete Expertengruppe überreichten Anders Fogh Rassmussen, dem NATO-Generalsekretär, am 17. Mai 2010 Vorschläge für das neue Strategische Konzept der Allianz, in denen sie sich als Fürsprecher des Verbleibs und der Modernisierung des substrategischen Atomwaffenpotentials der NATO präsentierten. Auch die Expertengruppe hielt fest, die NATO werde eine „atomare Allianz bleiben, solange es Nuklearwaffen gibt“ und empfahl explizit, „unter den gegenwärtigen Sicherheitsbedingungen die Beibehaltung von einigen vorne-stationierten U.S.-Systemen auf europäischem Boden“, da sie „das Prinzip der erweiterten Abschreckung und der kollektiven Verteidigung stärken“.

Ende September soll der vom NATO-Generalsekretariat verfasste Entwurf für das neue Strategische Konzept vorliegen. Dieser soll Grundlage für eine informelle Diskussion der Außen- und Verteidigungsminister am 13./14. Oktober werden, aus der – falls erforderlich - weitere politische Vorgaben für die Arbeit an dem Entwurf im Generalsekretariat hervorgehen sollen. Hernach soll der Text in den Abstimmungsprozess zwischen den NATO-Staaten gehen, damit er rechtzeitig zum NATO-Gipfel am 19./20. November 2010 in Lissabon fertiggestellt werden kann.

Ein ambitionierter Zeitplan. Denn dass die Allianz – angesichts so widersprüchlicher Vorstellungen - problemlos zu einem langfristig tragfähigen Konsens über die nukleare Komponente ihrer Strategie und die Zukunft der Abschreckung findet, ist eher unwahrscheinlich. Für alle Beteiligten akzeptable Formelkompromisse oder minimalistische Aussagen, verkoppelt mit Arbeitsaufträgen für die weitere Diskussion über die Abschreckung sind das wahrscheinlichere Ergebnis. Bei der Suche nach Einigungsmöglichkeiten, ist jedoch Vorsicht geboten. Einige Vorstellungen aus dem NPR der USA lassen eine grundlegende Diskussion über die Zukunft der Abschreckung, die Rolle des nuklearen Dispositivs in der NATO-Strategie angeraten erscheinen. Auf diese Aspekte will die folgende Analyse aufmerksam machen. (weiterlesen beim BITS)

Die Studie im PDF-Format zum Herunterladen bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Mehr Informationen: http://www.bits.de

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