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Totale Kriegsdienstverweigerung seit 200721.09.2010

http://www.asfrab.de

Eine Dokumentation von Stefan Gierke

Während der Umbau der Bundeswehr von der Verteidigungs- zur Interventionsarmee weitgehend vollzogen ist, die Bundeswehr in zahlreichen „Einsätzen“ auch in Nicht-Nato-Staaten steht und bereits an Kriegen beteiligt war, folgen Totalverweigerer auf eindrucksvolle Weise ihren Überzeugungen und ihrem Gewissen. Die vorliegende Dokumentation stellt die bekannt gewordenen Fälle totaler Kriegsdienstverweigerung der letzten Jahre vor, indem sie den Verlauf von Totalverweigerungen, Urteile und persönliche Stellungnahmen der Totalverweigerer dokumentiert.

Herausgegeben von der
Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung e.V. (asfrab)
Kopenhagener Str. 71
10437 Berlin

Tel: 030-440 130 28
Fax: 030-440 130 29
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Die Dokumentation: Totale Kriegsdienstverweigerung seit 2007 (als pdf-Datei)
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Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung...................................................................4
Einleitung..................................................................................................................................6
Urteile 1996 bis 2010................................................................................................................8

Totale Kriegsdienstverweigerer in der Bundeswehr..................................................13
Jonas Grote
Alexander Hense
Moritz Kagelmann
Matthias Schirmer
Silvio Walther
Patrick S.
Jan-Patrick Ehlert
Philipp P.
Totale Kriegsdienstverweigerer im

Zivildienst.............................................................................................................................22
Andreas Reuter
Jonas Ahlgrimm
Georg F.
Jens Rügenhagen
Hannes Weidmann
Stefan Gierke
Fabian S.

Besondere Urteile, Gesetze, Dienstanweisungen, Abkommen................................30
Anhang: Erklärungen totaler Kriegsdienstverweigerer (Auszüge)............................42


Vorwort

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland räumt in Art. 4 Abs. 3 die legale Möglichkeit ein, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Anerkannte Kriegsdienstverweigerer unterliegen jedoch genau wie Soldaten weiterhin der Wehrpflicht und haben diese durch die Ableistung des Zivildienstes zu erfüllen. Menschen, die alle Zwangsdienste verweigern, die sich aus der Wehrpflicht ergeben, nennen sich totale Kriegsdienstverweigerer oder Totalverweigerer. Totale Kriegsdienstverweigerer sehen den Ersatzdienst als waffenlose Form des Kriegsdienstes an, der auch im Zusammenhang der Kriegsvorbereitung steht. Auch wenn sie als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anerkannt sind, verweigern sie deshalb alle Dienstleistungen im Rahmen der Wehrpflicht. Totalverweigerer üben zivilen Ungehorsam, indem sie sich auf individuelle Weise der Vorbereitung von Kriegen, der Einplanung von Menschen für den Krieg sowie der Kriegsführung selbst entziehen, sie behindern und komplett verweigern.

Totale Kriegsdienstverweigerung ist illegal, der Strafrahmen reicht bis zu fünf Jahren Gefängnis. Totalverweigerer, die zur Bundeswehr einberufen sind, werden von Feldjägern gesucht und festgenommen, es folgt Arrest bei der Bundeswehr. Auch, wenn sie sich selbst zur Kaserne begeben und dort ihre Verweigerung aller Befehle erklären, werden sie regelmäßig mehrfach arrestiert, häufig mehrere Wochen, sie werden unter Druck gesetzt, den Dienst aufzunehmen. Diese Arreste sind rechtswidrig, da Arrest nur zu erzieherischen Zwecken verhängt werden darf. Bislang wurde kein Fall bekannt, in dem ein Totalverweigerer von der Bundeswehr durch Arreste erfolgreich zum Dienst „umerzogen“ wurde. Die Bedingungen des Bundeswehrarrests ähneln jenen der Untersuchungshaft. Nach der Entlassung aus der Bundeswehr folgen Anklage, Prozess und Verurteilung. „Drückebergerei“ ist Totalverweigerung nicht.

Mit ihrer konsequenten persönlich-politischen Haltung und ihrem folgerichtigen Handeln geben Totalverweigerer ein Beispiel, dass eine individuelle Entscheidung gegen die Logik des Militärs möglich ist. Dies gilt ganz besonders, da es sich um Personen handelt, die für ihre Überzeugung und Gewissensentscheidung in vollem Bewusstsein Unbequemlichkeiten, Verfolgung, Arrestierung und sogar strafrechtliche Verfolgung in Kauf nehmen. Um so erstaunlicher ist es, dass selbst eine friedensbewegte Öffentlichkeit in den letzten Jahren nur wenig von der totalen Kriegsdienstverweigerung Notiz nimmt, während gleichzeitig aktive Soldaten, die auf die eine oder andere – sicher respektable - Weise an der Bundeswehr Kritik üben, große Aufmerksamkeit erfahren, obwohl sie sich nicht vom Militär abkehren.

Fälle von Totalverweigerung gab es bereits in den 1970er Jahren. In den 1980er Jahren wurden mehr als 100 Fälle im Jahr bekannt; noch in den 1990er Jahren konnte von einer, wenn auch kleinen Bewegung die Rede sein. Ihr gehörten nun auch Männer an, die sich bereits in der DDR als Totalverweigerer verstanden hatten und ihre konsequente Haltung beibehielten.

Totalverweigerer kommen heute zu ihrer Entscheidung, ohne von einer Bewegung zur Totalverweigerung getragen zu sein, solidarisch unterstützt zumeist nur von Angehörigen, Freunden und anderen Einzelpersonen, ausnahmsweise kleinen Gruppen. Auch wenn sie im Internet aktiv sind, führt das nur noch selten dazu, dass sie von vielen, auch persönlich fernstehenden Menschen begleitet werden. Während der Umbau der Bundeswehr von der Verteidigungszur Interventionsarmee weitgehend vollzogen ist, die Bundeswehr in zahlreichen „Einsätzen“ auch in Nicht-Nato-Staaten steht und bereits an Kriegen beteiligt war, folgen Totalverweigerer auf eindrucksvolle Weise ihren Überzeugungen und ihrem Gewissen. Sie können sich dabei nicht auf tiefgreifende antimilitaristische Haltungen in der Öffentlichkeit stützen, weil es die nicht gibt. Deshalb treffen sie ihre persönlich-politische Entscheidung sozusagen neben der Öffentlichkeit, die eine militärgestützte Politik mittlerweile vielfach als „normal“ ansieht oder ihr gleichgültig gegenübersteht. Gerade in den letzten Jahren, in denen die Wehrpflichtpraxis immer fragwürdiger geworden ist, die „Wehrgerechtigkeit“ immer weniger gegeben war, in denen die Schwelle der Ausmusterung immer weiter sank, geriet die Totalverweigerung aus dem Blickfeld auch politisch interessierter Menschen. Warum straffällig werden, wenn es auch Wege gibt, sich der Wehrpflicht auf „weiche Art“ zu entziehen? Solche Wege gehen Totalverweigerer nicht.

Die Entscheidung für eine totale Kriegsdienstverweigerung berührt grundsätzliche und konkrete politische Fragen. Diese Fragen wahrzunehmen und sich eine Position dazu zu erarbeiten, ist auch heute Pflicht für eine friedenspolitisch engagierte Öffentlichkeit wie für die breite Öffentlichkeit. Denn das Handeln totaler Kriegsdienstverweigerer betrifft nicht ausschließlich das Thema der Gewaltfreiheit, sondern das der demokratischen Grund- und Freiheitsrechte von Individuen in der Gesellschaft. Totalverweigerer üben grundsätzliche Kritik an Militär, Militarismus und aktueller bundesdeutscher Kriegspolitik. Durch ihren offenen und öffentlichen Umgang mit der eigenen Gewissensentscheidung bestehen sie über den privaten Rahmen hinaus auf den grundlegenden Rechten des Individuums und suchen ihnen Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung

Die Dokumentation: Totale Kriegsdienstverweigerung seit 2007 (als pdf-Datei)


Mehr Informationen: http://www.bundeswehr-monitoring.de

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