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NPT-Überprüfungskonferenz: Hoffnung auf Umkehr enttäuscht!03.08.2010

5105 Zivilcourage 03-2010

Vom 3. bis 28. Mai fand in New York die Überprüfungskonferenz zum „Atomwaffensperrvertrag“ statt. Dieser 1970 in Kraft getretene und - außer von Indien, Israel und Pakistan - von allen 189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen ratifizierte „Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen“ (Non Proliferation Treaty - NPT) gilt als das wichtigste multilaterale Rüstungskontrollabkommen der Militärgeschichte. Marion Küpker, die internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atom- und Uranwaffen hat an der Konferenz teilgenommen und berichtet vom vielfältigen Engagement der zahlreich in New York vertretenen Nicht-Regierungsorganisationen.

(von Marion Küpker für ZivilCourage – Mitgliedermagazin der DFG-VK – 3/2010)

Gespannt hoffte die Friedensbewegung auf die Ergebnisse dieser Überprüfungskonferenz zum Nicht-Verbreitungsvertrag über Atomwaffen bezüglich unserer bundesweiten Kampagne „Deutschland atomwaffenfrei bis 2010“ und zur erhofften Kehrtwende hin zur vollständigen weltweiten nuklearen Abrüstung durch den US-Präsidenten Barack Obama - endlich weg von dem Wahnsinn!

Diese Erwartungen wurden keineswegs erfüllt, und das alltägliche nukleare Bedrohungsszenario wurde auf der Konferenz noch sichtbarer. Trotzdem war diese Konferenz ein Meilenstein ganz anderer Art: Wir sind eine reale internationale Bewegung! Mein Erlebnisbericht beinhaltet auch Informationen über die so genannten Schurkenstaaten Iran und Nord-Korea, da gegen diese nach wie vor ein möglicher Ersteinsatz von Atomwaffen durch die westlichen Atommächte nicht ausgeschlossen wird.


Im Vorfeld der NPT-Konferenz

Abolition 2000 (siehe Kasten „Bunte Vielfalt in New York) leistete dieses Jahr Enormes. Gleich im Vorfeld fand unsere zweitägige Alternativkonferenz „No Nukes - Fund Human Needs! Keine Atomwaffen - investiert in menschliche Bedürfnisse!“ statt. Über eintausend Menschen fanden sich in der beeindruckenden Riverside Church, in der schon Martin Luther King und Nelson Mandela Reden hielten, ein. Hier in Harlem am Hudson und nicht im Hauptquartier der Vereinten Nationen am East River eröffnete am 30. April 2010 der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon den Beginn der einmonatigen Abrüstungskonferenz. Die Eröffnungsreden standen in der Tradition von Kings gewaltfreiem Kampf und der Verheißung, dass es bei der Abschaffung der Atomwaffen historisch um nichts Geringeres als die Abschaffung der Sklaverei gehe, und es wurde immer wieder auf die Unteilbarkeit unseres Kampfes gegen Atomwaffen und Militarismus hingewiesen.

So mochte Tomas Magnusson vom International Peace Bureau den Nicht-Verbreitungsvertrag noch nie, da er der Weltbevölkerung ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit vermittele und uns den militärisch-industriellen Komplex vergessen lasse. Das sei verkehrt, und dieser Vertrag sei zur Kontrolle über die anderen Länder und zur Weiterverbreitung der Atomenergie eingerichtet worden. Die weltweiten Rüstungsausgaben belaufen sich bereits auf über eine Billion US-Dollar - laut dem International Peace Bureau im Jahr 2009 genau 1.484 Milliarden US-Dollar -, wovon die Hälfte von den USA ausgegeben wird. 50 Milliarden Dollar betragen die US-Rüstungsausgaben für den nuklearen Bereich, d.h. für die Atomwaffen.

Zia Mian, der u.a. das Projekt Frieden und Sicherheit der Princeton Universität in Südasien leitet, sagte: „Wir können die Atomwaffen abschaffen, und nichts ändert sich!“ Er benennt, dass von den weltweiten Rüstungsausgaben 90 Prozent für konventionelle Waffen seien und nur 10 Prozent für nukleare; wir müssten daher aufhören, nur über Atomwaffen zu reden. 10 Prozent reichten nicht für die elementaren Bedürfnisse der Menschheit!

Und John Burroughs von der internationalen Anwaltsvereinigung gegen Atomwaffen (Ialana) benannte, dass der Atomwaffensperrvertrag nicht als Vertrag zur Abrüstung eingerichtet worden sei. Er besäße Doppel-, sogar Dreifach-Standards, und auch sei kein Überwachungssystem durch die IAEA (Internationale Atomaufsichtsbehörde) eingerichtet worden. Zusagen seien nicht genug, es bedürfe fester Regeln, die für alle gelten müssen.

Auf der Konferenz wurde bekannt gegeben, dass beachtliche 7 Millionen Unterschriften mit unseren Forderungen zur NPT-Konferenz gesammelt wurden. Im dortigen Workshop „Nuclear Weapons in Europe and the US & Nonviolent Resistance“ fand der erste Austausch über unseren Widerstand an den europäischen Atomwaffenstandorten statt. Am Sonntag, dem 4. Mai, demonstrierten wir mit 15.000 Menschen für unsere Forderungen zum NPT, wobei die Demo weder im Lokalteil der New York Times noch in anderen US-Zeitungen erwähnt wurde.

Um neben den Sonntags-Touristen auch die lokale Bevölkerung zu informieren, organisierte die War Resisters League, die US-amerikanische Schwesterorganisation der DFG-VK, eine Aktion zivilen Ungehorsams: Am Montag Morgen wurden in der Grand Central Station, dem großen Umsteigebahnhof in Manhattan, Flugblätter verteilt, was auf allen so genannten privaten Plätzen verboten sein soll. Achtzig Menschen machten auf ihren T-Shirts und Transparenten mit den Slogans „No Nukes - Begin with U.S.!“ und „Nuclear Weapons = Terrorism“ auf den Beginn der NPT-Konferenz aufmerksam; 25 AktivistInnen wurden vorübergehend festgenommen. Demgegenüber waren einzelne Bahnhofs-Seiteneingänge mit goldumrandeten und beleuchteten Werbetafeln gegen den an diesem Morgen bei den Vereinten Nationen erwarteten iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad bestückt. Mit den Worten „Er ist hier nicht willkommen“ neben dem Gesicht von Ahmadinedschad wurde Stimmung gemacht, und auf der Webseite wurde dazu aufgefordert, sich u.a. mit dem Rüstungskonzern Honeywell an dem Aufruf zum Wirtschaftsboykott gegen den Iran zu beteiligen.
Welcome to America - jetzt war ich wieder in den Vereinigten Staaten angekommen!
Die Verhandlungen beginnen

Überwältigend war das Angebot der täglichen Aktionen, und vieles lief parallel. Zum Glück hatte Abolition 2000 die Infrastruktur weiter verbessert: Gleich morgens trafen sich als erstes die Nicht-Regierungsorganisationen (NROs) im so genannten Abolition Caucus, um die anstehenden Treffen vorzudiskutieren und letzte Terminänderungen anzukündigen. ProtokollantInnen erstellten Berichte für den E-Mail-Verteiler, die Internet-Homepage und den Newsletter, der schriftlich gleich am kommenden Morgen allen zur Verfügung stand. Unsere persönliche Bekanntschaft durch frühere NPT-Konferenzen und andere Aktivitäten brachte die richtige Dynamik rein und die Sache ins Rollen.


Südkoreanische NRO zum Konflikt mit Nord-Korea

Im Workshop „Ent-Nuklearisierung der Koreanischen Halbinsel“ wurde von Spark (Solidarity for the Peace and Reunification of Korea), einer südkoreanischen Friedensorganisation, die sich für einen Friedensvertrag und die Wiedervereinigung einsetzt - berichtet, dass in Südkorea regelmäßig US-Manöver direkt an der Grenze zu Nordkorea stattfinden und dass die US-Basis im Grenzgebiet auf das Doppelte vergrößert werden soll. Auch solle in Südkorea eine US-Raketen„abwehr“ (gegen China) aufgebaut und auf der südkoreanischen Insel Jeju eine neue Militärbasis für US-Flugzeugträger eingerichtet werden. Die koreanische Bevölkerung protestiere gegen diese Projekte, und 60 Prozent der südkoreanischen Bevölkerung wollen einen Friedensvertrag und den Abzug des US-Militärs sowie weg von dem so genannten nuklearen Schutzschirm, den die USA der südkoreanischen Marionetten-Regierung u.a. über nuklear bestückte U-Boote vor deren Küste bietet. Unter den oben benannten Voraussetzungen wolle auch Nordkorea die Wiedervereinigung und wäre bereit, auf ein eigenes Atomwaffenprogramm zu verzichten, aber in der jetzigen Situation fühle es sich bedroht. Eine Wiedervereinigung wie in Deutschland als (einseitige Übernahme) sei von beiden Seiten nicht gewollt. Überrascht waren die koreanischen RepräsentantInnen davon, dass auch in Europa von den südkoreanischen Friedensbemühungen und ihrer Sichtweise in den Medien nichts bekannt sei, da doch Europa die eigene Geschichte so gut aufgearbeitet hätte (u.a. in den Schulen).


Iranische Botschaft in New York

Der stellvertretende iranische Botschafter stand uns NROs Rede und Antwort. Er erklärte, dass einige Staatenvertreter bei der Rede von Ahmadinedschad am ersten Konferenz-Tag das Plenum an dem Punkt verlassen hätten, wo es um die Verantwortung der USA für Israels Atomwaffen gegangen sei. Ahmadinedschad habe dieses einen eindeutigen Verstoß gegen den NPT-Vertrag genannt, da es einen Akt der Weiterverbreitung darstelle. Auf die Fragen, warum der Iran überhaupt auf die gefährliche Atomenergie setze, wo doch erneuerbare Energien aus unserer Sicht die wirklichen zukünftigen Lösungen bieten würden, erklärte er, dass der Iran sein Atomenergieprogramm u.a. über Deutschland als NPT-Mitglied legal erhalten hat und dafür bereits umgerechnet 3 Milliarden Euro bezahlt wurden.

Erst als es bei der Lieferung der Brennelemente anhaltende Schwierigkeiten gegeben habe, hätte sich der Iran entschieden, eine - nach dem NPT legale - eigene Urananreicherungsanlage zu bauen. Es gehe dem Iran um seine Unabhängigkeit, und das Atomprogramm habe ihn viel Geld gekostet, wodurch es jetzt auch ökonomische Gründe gäbe, dieses fortzusetzen. Er glaube, dass der Iran daran gehindert werden soll, sich wirtschaftlich weiter zu entwickeln.

Geplant seien 10 bis 20 Atomkraftwerke, und deren Strom solle auch in viele andere Länder des Nahen Ostens exportiert werden. Der Strombedarf steige rasant, davon wollten auch sie profitieren. Die Gefahren der Atomenergie würden als beherrschbar eingeschätzt - hier halte sich der Iran an die IAEA, dessen Rolle es sei, die Sicherheit zu kontrollieren. Warum sonst sollten die Atommächte selbst nicht darauf verzichten wollen. Entweder sollten alle ein Recht auf Atomenergie haben, oder niemand.

Dem Iran gehe es um Vertrauen und dieses gehe nur in beide Richtungen: Natürlich sei „dual use“ möglich, aber während der Iran die IAEA zur Überprüfung der Anreicherungsanlage ins Land ließe, weigerten sich die USA generell, Inspektionen ihrer Anlagen vornehmen zu lassen. Dieses zeige die Doppelmoral und die Heuchelei derjenigen, die heute den Iran kritisierten.


US-Atomwaffen in Büchel und ganz Europa

Auch wenn Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, die US-Atomwaffen in Büchel in seiner Rede fast unberührt ließ, wurde in den Ausschüssen und unseren Workshops wiederholt über die rechtliche Situation der US-Atomwaffen in Europa und über mögliche Wege zum Abzug diskutiert.

Welmoed Verhagen von IKV Pax Christi Niederlande berichtete, dass die Atombomben strategisch irrelevant seien - so würden es die niederländischen F-16- Kampfflugzeuge mit ihrem Sprit gerade mal bis Ostdeutschland oder Schweden schaffen. Auch wäre die NPT-Konferenz der falsche Adressat, um über einen Abzug zu entscheiden. Diese könne allenfalls eine Erklärung abgeben, dass diese Atomwaffen nicht gebraucht würden. Die Diskussion sollte allerdings in der Nato stattfinden, wo die Nuclear Planning Group die ultimative Autorität dazu habe, einen Abzug zu beschließen. Dort würden die Nato-Verteidigungsminister im Konsens entscheiden. Voraussichtlich im Sommer werde die neue Nato-Doktrin für den Ende Oktober in Portugal stattfindenden Nato-Gipfel formuliert, die dann für die kommenden 10 Jahre bindend sein soll. Hierzu gälte es, weiter Druck zu machen.


Russland und die US-Atomwaffen in Europa

Der Repräsentant des russischen Verteidigungsministeriums wurde gefragt, ob Russland in Verhandlungen zu weiteren nuklearen Abrüstungsschritten bereit sei, um einen Abzug der US-Atomwaffen aus Europa zu ermöglichen. Emotional erhitzt antwortete Oberst Sergey Shushlebin auf die aus seiner Sicht völlig verfehlte Frage:
Russland würde im Gegensatz zu den USA den NPT nicht brechen, da es seine Atomwaffen nur im eigenen Kerngebiet stationiert habe. Russland fühle sich durch diese „alten“ nuklearen US-Waffensysteme in Europa, die eingelagert und gesichert seien, nicht bedroht, was sich bei einer Modernisierung aber ändern würde. Er fragte, warum wir nicht eher die nukleare Teilhabe der Nato thematisieren würden. Wir sollten daran denken, dass nach dem Abzug beispielsweise aus Deutschland diese Atombomben in anderen Ländern wieder auftauchen könnten. Und wir sollten auch an die Abschaffung der Infrastruktur denken. Bisher gäbe es noch keine Position innerhalb der Nato. Wir sollten erst einmal das NPT-Abschlussdokument abwarten und auch die Ratifizierung des neuen Start-Vertrages über die Reduzierung strategischer Atomwaffen zwischen Russland und den USA. Wie könne Russland weiter abrüsten, solange dieser Vertrag noch nicht bindend sei? Der erste Schritt sei für ihn die Ratifizierung und der zweite wäre eine bilaterale Kommission, um über zukünftige Schritte zu reden, dabei würde er gern mit den USA zusammenarbeiten. In den Gesprächen sollte es um Sicherheitsgarantien und vertrauensbildende Maßnahmen gehen.

Er sei genervt von der ewigen Reduzierung auf das Zählen der Atomsprengköpfe, wo doch Russland von 1.000 Militärbasen umzingelt sei. Er kenne das Problem der Gefahr durch die neuen konventionellen Waffen in Europa, wogegen genauso etwas geschehen müsse. Wie stimmig sei es, dass sich die US-Militärausgaben erhöht hätten? Solle auch Russland seine erhöhen? Russland diskutiere gerade über gravierende Kürzungen seiner Ausgaben.

Von den weltweiten Rüstungsausgaben entfielen 70 Prozent auf die Nato, allein 50 Prozent auf die USA und nur 4,5 auf Russland. Die Nato habe 26.000 Panzer in Europa, 15 neue F35-Kampfflugzeuge... - wofür?!

„Nato out of area“ sei ein großes Problem. In Skandinavien, das an Russland angrenzt, sollen allein in den letzten Jahren 30 Nato-Manöver stattgefunden haben. In Norwegen soll 2001 heimlich ein Radar für die Raketen„abwehr“ aufgebaut worden sein.

Greg Mello aus der Los-Alamos- Study- Group ergänzte zum Thema konventionelle Waffen: Die Waffen insgesamt werden immer kleiner und können tiefer in Ziele eindringen. Die neuen Fähigkeiten der konventionellen Waffen seien bedrohlich, da sie über Satelliten und Radar wesentlich zielgenauer seien. Auch würden neue Uranwaffen unterhalb der Plutonium-Grenze hergestellt.

Alice Slater, Gründungsmitglied von Abolition 2000, machte darauf aufmerksam, dass selbst wir als NROs die neuen satellitengestützten Marschflugkörper und Drohnen überhaupt nicht im Blick hätten. Auch hätte sich die Situation im arktischen Meer total verändert, da dort das Eis bereits zur Hälfte geschmolzen sei. Wer kontrolliere dieses? Es soll Pläne geben, Russland jetzt auch vom Norden her einzukreisen. Die USA hätten bereits Raketen„abwehr“- Pläne in Israel, Süd-Korea, Japan, Taiwan, Australien, Europa..., gab es auf der Weapons-in-Space-Konferenz zu hören.

Stefan Kordasch vom Berliner Auswärtigen Amt aus Berlin berichtete, dass sich keiner der hier gebildeten sechs UN-(Unter)-Ausschüsse mit dem Thema Raketenabwehr befasse, da dieses „nur“ Russland und die USA betreffen würde.


Neue US-Atomwaffenproduktion

Nuclear Watch New Mexico benannte im Workshop „US-Atomwaffenproduktion in der Obama-Ära“, dass im kommenden Jahrzehnt drei ganz neue Atomwaffenlabore (Labs) gebaut werden sollen, um alle drei wichtigen Bereiche abzudecken: Das CMRR-Projekt in Los Alamos sei die neue Schlüsselanlage für die Herstellung von Plutonium; die neue Uranaufbereitungsanlage (UPF) in Oak Ridge, Tennessee, soll alles weitere zum Sprengkopf produzieren und die neue Kansas-City- Anlage (KCP) in Missouri stehe für die restlichen nicht-nuklearen Komponenten. Jede dieser drei neuen Anlagen solle für ein weiteres halbes Jahrhundert in Betrieb genommen werden und zusammen über 9 Milliarden Dollar kosten. Die NRO Care erklärte, wenn die Produktionsstellen gebaut würden, dann würden auch diese neuen Atombomben gebaut. KCP produzierte für Honeywell die B61-Sprengköpfe, also die US-Atomsprengköpfe, die in Europa u.a. in Büchel stationiert sind. Viele Menschen sind in Kansas City am radioaktiven Beryllium erkrankt und protestieren heute bereits gegen die neue Anlage. Hier solle der Ersatz für den Atomsprengkopf B61, der Typ B61-12, hergestellt werden, der zu dem neuen US-Kampfflugzeug F35 Joint Strike Stealth Fighter passe. Da es sich bei der B61-12 um ein ganz neues Atomwaffensystem handele, könne dieses bedeuten, dass auch der Atomteststoppvertrag nicht ratifiziert werden könne, da neue Systeme getestet werden müssten - hierfür reiche die Computersimulation nicht aus.

Im Workshop der Federation of American Scientists (FAS) und der Los- Alamos- Study-Group wurde berichtet, das es nach ihrer Einschätzung höchstwahrscheinlich einen Deal zwischen Obama und den 34 Senatoren gäbe, die Obama für eine Dreiviertel-Mehrheit im Kongress bei der Abstimmung zur Ratifizierung des neuen Start-Abkommens und des Atomteststoppvertrages brauche. Zufällig seien genau 34 Senatoren finanziell davon betroffen, wenn in den entsprechenden Staaten die neuen Atomwaffen-Produktionsstellen nicht finanziert würden. Obama hätte dafür bereits 2 Milliarden Dollar beantragt und läge damit schon 10 Prozent über dem Gesamt-Budget für Atomwaffen der letzten Jahre (John Burroughs sprach sogar von 14 Prozent). Es sollen auch in der Vergangenheit Gelder bewilligt worden sein, die dann aber real nicht vorhanden waren, wodurch einige Projekte scheiterten. So werde es von ihnen auch bezüglich der B61-12 eingeschätzt.


Atomenergie als Lösung für den Klimawandel

Richtig unangenehm aufgestoßen war vielen bei Abolition 2000 die nukleare Renaissance, die jetzt von den Atommächten vorangetrieben wird, indem der Artikel IV des Nicht-Weiterverbreitungs-Vertrags „endlich“ umgesetzt werden soll. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Weitergabe der so genannten zivilen Atomtechnologie an die Nicht-Atomwaffenstaaten als „Belohnung“ dafür, dass diese auf Atomwaffen verzichten. Unter dem Titel „Zugang zur zivilen Atomenergie und ihre verantwortliche Entwicklung“ referierte die franzöisische Regierungsorganisation „Permanent Mission of France to the United Nation“ über ihr Unternehmen Areva. Zitat von ihrer Webseite: „Areva NP, ein Unternehmen von Areva und Siemens, ist das weltweit führende Kerntechnikunternehmen. An unseren Standorten in Frankreich, Deutschland und den USA setzen sich rund 18.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür ein, dass Kernkraftwerke rund um den Globus ihren Beitrag zu einer sicheren kohlendioxidfreien und wettbewerbsfähigen Stromversorgung leisten.“ So sollen jetzt 30 Länder - Chile, Venezuela, Namibia, Senegal, Ghana, Nigeria, Algerien, Marokko, Tunesien, Libyen, Thailand, Indonesien, Polen... - in den „Genuss“ des Artikel IV kommen, indem sie AKWs für viel Geld geliefert und das Know-how für den Betrieb bekommen sollen. Groß angelegte Medienkampagnen, Ausbildung und Training an den Universitäten etc. sollen von Agence France Nucleare International die öffentliche Akzeptanz für die Atomenergie wieder herstellen. Bis zum Jahr 2030 werde mit einem Bevölkerungszuwachs von 2 Milliarden Menschen gerechnet und einem Energiebedarfszuwachs von 50 Prozent. Den Nicht-Atomwaffenstaaten würde die so genannte. Recycling-Technologie durch die Atommächte zugute kommen. Dieser umstrittene MOX-Brennstoff wird aus bereits benutzen Brennelementen z.B. in der US-Anlage Savannah River gewonnen.

Obwohl der neuen Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien bis jetzt schon 143 Staaten und die EU beigetreten sind, haben davon 60 Nichtatomwaffenstaaten ein Interesse, die Technologie für die Nutzung von Atomenergie über den NPT zu erhalten (2009 waren es noch 32). Sie sehen in der erneuerbaren Energie nur eine zusätzliche Alternative, die die Atomenergie nicht ersetzen könne. Abolition 2000 hat hierauf spontan eine neue Arbeitsgruppe geschaffen, die speziell zu diesem Thema arbeitet und dieser gefährlichen Entwicklung unsere vielfältigen Argumente entgegenstellen will.


Erfolge der anderen Art

Einige RegierungssprecherInnen, ParlamentarierInnen und BürgermeisterInnen, die wir in den letzten Jahren gewonnen haben, berichteten und diskutierten mit uns, was in dieser Offenheit, Ernsthaftigkeit und gegenseitigen Achtung einmalig war. Diese wiederum haben Zugang zu weiteren Gesprächskreisen, die uns meist verschlossen sind. Daher transportieren sie unsere Argumente und öffnen uns auch einzelne Zugänge.

Pol d'Huyvetter, ein ehemaliger For-Mother-Earth-Aktivist und Organisator aus Belgien, erzählte mir, dass er heute vom Bürgermeister von Hiroshima sein Gehalt als so genannter „Bürgermeister-Jäger“ erhalte und er in der Regel täglich zwei neue hinzu gewinne, damit das Ziel einer atomwaffenfreien Welt 2020 erreicht werden kann.

Die „Jugendrede“ benannte emotional erfrischend, wie die heutige jüngere Generation - fern des festgefahrenen und ideologischen Freund-Feind-Denkens aus der Zeit des Kalten Krieges - international miteinander über das Internet kommuniziere und ein viel größeres Verständnis von unterschiedlichen Kulturen besäße.

Wir haben unterschiedlichste Wege des Dialoges gefunden und eine gute Balance zwischen Aktions-, Bildungs- und Lobbyarbeit, die zu funktionieren scheint. Dieser Erfolg ist nicht im Abschlussdokument erfasst, aber es ist unser Erfolg, der für uns Teilnehmende vor Ort gefühlsmäßig wahrnehmbar war! Solange ein atomarer Krieg für die meisten Menschen in führenden Positionen als moralisch, ethisch, völkerrechtlich etc. inakzeptabel begriffen wird - sie hierzu emotional nicht den Kontakt verloren haben (bzw. dieser wieder hergestellt werden konnte) - haben wir einen sehr wichtigen Schritt geschafft. Dieser emotionale Kontakt lässt die real vorhandene Gefahr der Vernichtung der Erde allein durch die Existenz von Atomwaffen erkennen, wodurch wir viele neue MitstreiterInnen gefunden haben.

Es wurde in den Diskussionen deutlich: Nukleare Abschreckung funktioniert nicht (ein weiteres Thema, welches es zu vertiefen gilt!), wir hatten bisher einfach nur Glück! Ich denke, für einen bewussten Einsatz von Atomwaffen bedarf es einer großen Akzeptanz in den eigenen Reihen. Und diese gibt es zum Glück noch nicht, wie die Entwürfe der UN-Ausschüsse für das Abschlussdokument zeigen. Darin sollten sich die fünf Atommächte verpflichten, die „Modernisierung“ ihrer Arsenale „durch Neuentwicklungen und qualitative Verbesserungen“ zu beenden, die Produktion von militärisch nutzbarem Spaltmaterial einzustellen und die vorhandenen Vorräte unter internationale Kontrolle zu stellen. Die USA, Frankreich, Großbritannien und Russland sollten durch eine verbindliche Garantieerklärung auf den Ersteinsatz mit Atomwaffen gegen Nichtatomwaffenstaaten verzichten (China hat dieses bereits erklärt), und alle Atommächte sollten zu verbindlichen Verhandlungen über eine Atomwaffenkonvention aufgefordert werden. In dem NPT-Unterausschuss, der sich mit Bestrafungs-Maßnahmen gegen Länder befasste, die aus dem bisher freiwilligen NPT-Vertrag aussteigen könnten, kam es zu keinem Ergebnis. Auch der Abzug der US-Atomwaffen aus Europa wurde thematisiert, aber auf Druck der USA ins Unkenntliche verwässert.


Obama und das Abschlussdokument

Weil die positiven Dokumententwürfe, auf die sich die überwiegende Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft geeinigt hatte, auch in Obama keinen Fürsprecher fand, wurde nichts Substanzielles in das Abschlussdokument übernommen. Die Darstellung Obamas in den Medien als „Atomwaffen-Abrüstungsengel“ hat sich als Augenwischerei erwiesen. Bei diesem mageren Ergebnis ist es nicht verwunderlich, dass nach der NPT-Konferenz kaum etwas in den Medien veröffentlicht wurde.

Für seine „zukünftigen“ Atomwaffenabrüstungs-Bemühungen hatte Obama doch eigentlich den Friedensnobelpreis bekommen. Ein absolutes Scheitern der NPT-Konferenz wäre für Obamas Ansehen in der Weltöffentlichkeit dann doch zu katastrophal gewesen, und dieses galt es um jeden Preis zu verhindern. So mussten im Schlussdokument sowohl das Völkerrechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes über die Illegalität von Atomwaffen als auch Israels Atomwaffen, vor dem Hintergrund der geplanten Konferenz für einen atomwaffenfreien Nahen Osten erstmals namentlich benannt werden. Israel, das nicht NPT-Vertragsmitglied ist, erklärte schnell, dass es an dieser Nahost-Konferenz kein Interesse habe und dieses Schlussdokument für es keine bindende Wirkung habe. Gegen Israels menschenrechtsverletzende Politik in den besetzten Gebieten Palästinas (u.a. im Gaza-Streifen) hat es bereits viele UN-Resolutionen gegeben, die ohne Folgen blieben. Der kurz darauf folgende Angriff auf die Gaza-Hilfsschiffe war ein deutlicher Hinweis, wie Israel weiter gegenüber der internationalen Gemeinschaft mit Problemen umzugehen gedenkt.

Wir müssen an dem wichtigen Thema der Abschaffung der Atomwaffen dran bleiben! Um so erfreulicher ist es, dass der Kampagnenrat „unsere zukunft - atomwaffenfrei“ sich Anfang Juli einstimmig für eine Folgekampagne ausgesprochen hat!


Mehr Informationen: http://www.zc-online.de

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