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IALANA: Bundesregierung wird verklagt!15.04.2010

http://www.ialana.de

Überblick über das Anliegen der Klage

Die Apothekerin Frau Dr. Elke Koller, die nur knapp 4 km vom Fliegerhorst Büchel der Bundesluftwaffe entfernt wohnt, erhebt Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und beantragt,
- dass Deutschland von den USA verlangt, dass die in Büchel noch stationierten 20 Atombomben abgezogen werden
- und Deutschland sich aus der Nuklearen Teilhabe in der Planungsgruppe der NATO verabschiedet.

Sie vertritt nämlich die Überzeugung, dass es nicht ausreicht, wenn die Bundesegierung entsprechend dem Koalitionsvertrag mit den Mitteln der Diplomatie auf die nukleare Abrüstung hinwirkt. Vielmehr gebietet das Grundgesetz, dass sie im Sinn der hier gestellten Anträge tätig wird.

Das ergibt sich aus dem Friedensgebot des Grundgesetzes, das ein zentrales Prinzip des Grundgesetzes auf Basis der konkreten friedensrechtlichen Regeln darstellt (II. in der Klageschrift). Hier einschlägige Norm ist das Gewaltverbot der UN-Charta, das nach Art. 25 Satz 1 GG als „allgemeine Regel des Völkerrechts“ als Bestandteil des Bundesrechts gilt (III.).

Vom Gewaltverbot gibt es nach der UN-Charta nur zwei Ausnahmen: Gewalt darf nur ausgeübt werden mit einwilligung des Sicherheitsrates oder im Fall einer flagranten Selbstverteidigungslage (IV.). Diese Regeln gelten beispielsweise für das US-Militär, wenn es von deutschem Boden aus kriegerische Handlungen ausführt, wie das Bundesverwaltungsgericht in zwei aktuellen Entscheidungen ausgeführt hat. Dabei ist ohne Belang, wenn solche Handlungen im Rahmen von NATO-Strukturen ausgeführt werden (V.). Wenn Gewalt nach diesen Grundsätzen rechtmäßig ausgeübt wird, ist gleichwohl “nicht jedes Mittel recht”: Vielmehr muss beim Einsatz von Atomwaffen zusätzlich das humanitäre Kriegsvölkerrecht beachtet werden, wie der Internationale Gerichtshof in Den Haag festgestellt hat (VI.). Danach ist der Einsatz von Atomwaffen “generally illegal”. Deswegen ist der sogenannte Ersteinsatz von Atomwaffen, der “preemptive strike”, rechtswidrig. Zwar hielt es der Gerichtshof für denkbar, dass im Fall einer extremen Notwehrlage, bei der der Feind Atomwaffen einsetzt, zur Verteidigung Atomwaffen eingesetzt werden dürfen.

Zu dieser Konstellation hatten die Atomwaffenstaaten den IGH aber nicht ausreichend mit Vortrag versehen. Insbesondere war offen geblieben, ob es überhaupt Atomwaffen gibt, die im Einklang mit den zuvor aufgestellten Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts eingesetzt werden können. Bekannt gewordene Aussagen über die verfügbaren Atomwaffen gehen dahin, dass solche Waffen nicht existieren und auch nicht mehr entwickelt werden sollen. Also verstößt das Vorhalten “konventioneller Atombomben” durch die Atomstaaten gegen das Gewaltverbot im Zusammenhang mit dem humanitären Kriegsvölkerrecht. Die Beklagte darf rechtswidriges Verhalten der US-Armee auf ihrem Boden nicht dulden (VII.).

Jedoch unterlässt die Beklagte pflichtgemäßes Handeln. In einem solchen Fall gewähren die friedensrechtlichen Regeln des Grundgesetzes, insbesondere Art. 25 Abs. 1 GG, Drittschutz (VIII.). Er wendet sich nicht nur an den Staat, sondern erzeugt „Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes“, gewährt also individuellen Rechtsschutz. Außerdem sind Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören, insbesondere die Vorbereitung der Führung eines Angriffskrieges, verfassungswidrig (Art. 26 Abs. 1 GG). Auch diese Regel vermittelt Drittschutz. Diese Regeln müssen auch bei der nuklearen Teilhabe berücksichtigt werden.

Das bedeutet für die gestellten Anträge:
Schon die Vorhaltung und erst recht der Einsatz der in Büchel gelagerten Atombomben (Antrag zu 1.) ist völkerrechts- und verfassungswidrig, weil diese Bomben nur unter Verletzung humanitären Kriegsvölkerrechts eingesetzt werden könnten. Dazu kommt, dass die geltende US-Strategie für Atomwaffen ebenso wie das Strategische Konzept der NATO in Verbindung mit der aktuell gültigen
Version des vertraulichen NATO-Dokumentes MC400 (wahrscheinlich noch MC400/2) deren Ersteinsatz zulässt, so dass die Gefahr besteht, dass auch von Deutschland aus und/oder unter Beteiligung der deutschen Luftwaffe ein rechtswidriger Ersteinsatz erfolgen könnte. Diese Gefahr muss unterbunden werden.

Für die Nuklearstrategie der NATO, an deren Umsetzung deutsche Soldaten und Stäbe mitwirken und die in deutschen Militär- und Verwaltungsbehörden begleitet wird (nukleare Teilhabe im übrigen, Antrag zu 2.), gilt, dass sie die Vorgaben des Völker- und Verfassungsrechts ebenfalls nicht beachtet. Denn sie basiert auf der Vorhaltung von Waffen, die für den vielleicht allein zulässigen Einsatzfall nicht konzipiert sind. Ein politischer Beurteilungsspielraum kommt dabei der Beklagten nicht zu.

Schließlich verletzt die Atomwaffenlogistik auch im übrigen Völker- und Verfassungsrecht.

Die Klage im Wortlaut

Mehr Informationen: http://www.ialana.de

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