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Seekrieger (II)01.11.2007

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Ein zweiter Bericht der Internetredaktion von www.german-foreign-policy.com zur Umrüstung der Bundesmarine hin zu einer Interventionsfähigkeit auch von Seeseite.

Mit Milliardensummen rüstet Berlin die deutsche Marine für ihre künftigen Aufgaben bei Kriegseinsätzen in aller Welt. Im Zentrum stehen seegestützte Operationen gegen küstennahe Ziele an Land; dies gilt neben der Begleitung deutscher Handelsschiffe auf den Weltmeeren als zentrales Einsatzszenario der Zukunft. Hochmoderne Fregatten und Korvetten, die einen Küstenstreifen von 70 Kilometern Tiefe beschießen und als Basis für Landeinsätze von Spezialkräften dienen können, sind die wichtigsten aktuellen Rüstungsprojekte der deutschen Seestreitkräfte. Ergänzend bemüht sich die Marine um die Modernisierung ihrer U-Boot-Flotte, die die "Aufklärung" im Umfeld der kämpfenden Einsatzverbände gewährleisten soll. Bei sämtlichen Rüstungsvorhaben steht die Absicht im Hintergrund, lange dauernde Kriegseinsätze in weit entfernten Weltgegenden durchführen zu können, ohne wie bisher in relativ kurzen Abständen die Schiffe austauschen zu müssen. Die Milliardeninvestitionen in den Krieg kommen dem deutschen Marineschiffbau zugute, der allein im vergangenen Jahr Umsätze von rund zwei Milliarden Euro erwirtschaftet hat - nicht zuletzt mit dem Export seiner Produkte: Deutsche Marineprodukte gehören dank der Förderpolitik Berlins zu den weltweit gefragtesten Seekriegsgeräten.

70 Kilometer Beschuss
Unter den deutschen Marinerüstungsvorhaben nehmen Fregatten einen besonderen Rang ein. Die Fregatten der High-Tech-Klasse F 124, die größten der NATO, sind für die Geleitführung der weltweit operierenden deutschen Einsatzverbände vorgesehen. Die Beschaffung von drei Schiffen dieser Klasse wurde mit der Indienststellung der Fregatte "Hessen" im April 2006 abgeschlossen. Der Bau von vier neuen Kriegsschiffen des Typs F 125 ist bereits in Auftrag gegeben worden, sie sollen ab 2014 ausgeliefert werden. Das mit mindestens 650 Millionen Euro pro Stück teuerste Kriegsgerät der deutschen Militärgeschichte soll bis zu zwei Jahre lang ununterbrochen eingesetzt werden können - eine dramatische Steigerung: Die derzeit vor der Küste des Libanon eingesetzten Fregatten müssen bereits nach zwei bis drei Monaten ausgetauscht werden und die Heimreise antreten. Die Bewaffnung der künftigen Fregatten F 125 mit Panzerhaubitzen und Mehrfach-Raketenwerfern ermöglicht den Beschuss eines Küstenstreifens von bis zu 70 Kilometern Tiefe; rund zwei Drittel der Weltbevölkerung geraten damit ins Zielfeld der Bundesmarine.[1] Als besonderer Trumpf gilt dem Verteidigungsministerium die Fähigkeit der Schiffe, den Landeinsatz von Spezialkräften zu unterstützen: Jedes Schiff bietet Platz für 50 Einzelkämpfer inklusive Speedboote und zwei Hubschrauber, um Kommandoaktionen durchzuführen.[2]

Basis für Spezialkräfte
Ergänzt werden die Fregatten durch ein völlig neues Waffensystem, einen Korvettenverband, dessen fünf Schiffe sich gegenwärtig im Bau oder in Erprobung befinden. Im August hat die Bundesmarine als ersten Teil die Korvette "Magdeburg" öffentlich präsentiert; sie gilt als das gegenwärtig modernste deutsche Kriegsschiff. Die Übernahme und Indienststellung der neuen Korvetten, für die der Bund insgesamt etwa 1,2 Milliarden Euro ausgibt, soll schrittweise im Laufe des kommenden Jahres erfolgen. Die Boote haben Tarnkappeneigenschaften, sind also für Radar- und Infrarotschirme schwerer zu erkennen als herkömmliche Schiffe. Zudem sind sie mit rund 90 Metern Länge deutlich kleiner als die Fregatten und können besser in küstennahen Bereichen eingesetzt werden; dort wird - wie bereits jetzt vor der libanesischen Küste - in Zukunft voraussichtlich ein Großteil der deutschen Marineoperationen stattfinden. Zur Bewaffnung gehören Raketen, die via Satellitennavigation auf ihre Opfer gelenkt werden. Die Korvetten werden "zur präzisen Bekämpfung von Landzielen befähigt sein", erklärt die Marine.[3]

Weltweites Operationsgebiet
Um die Einsätze der Bundesmarine schon in naher Zukunft deutlich ausweiten zu können, beschleunigt Berlin die Indienststellung des dritten deutschen "Einsatzgruppenversorgers". Das Schiff soll nach den jüngsten Planungen bereits 2011 für Kriegsoperationen zur Verfügung stehen. "Einsatzgruppenversorger" sind Großschiffe, die die gesamte logistische Unterstützung der maritimen Kampfverbände gewährleisten. Sie ermöglichen es der Bundesmarine nach eigener Aussage, die Weltmeere als "stets verfügbares, weltweites Aufmarsch- und Operationsgebiet" zu nutzen.[4]

Aufklärung
Zur "verdeckten Aufklärung" im Umfeld der kämpfenden Einsatzverbände modernisiert die Bundesmarine ihre U-Boot-Flotte. Die neuen Schiffe der 212er-Klasse, von denen bereits vier im Einsatz sind, gelten als äußerst schwer zu orten, können wochenlange Tauchfahrten absolvieren und sind damit für lange dauernde Einsätze bestens geeignet. Im August begannen die Arbeiten an zwei weiteren U-Booten, die 2012 und 2013 ausgeliefert werden sollen.[5]

Dominierende Position
Wie Berlin die Aufrüstung der Marine zur Subventionierung der deutschen Werftenindustrie nutzt, zeigt exemplarisch der milliardenschwere Auftrag zum Bau der neuen F 125-Fregatten. Ausländische Konkurrenz hatten die deutschen Schiffbauer nicht zu fürchten, da die Rüstungsplaner der Bundeswehr von Anfang an eine Kooperation mit anderen Ländern ausschlossen - obwohl Dänemark eine erheblich kostengünstigere Fregatte mit ähnlichen Fähigkeiten im Angebot hat und Frankreich und Italien zurzeit ebenfalls eine Fregatte entwickeln. Die eigens für die Zusammenarbeit der EU-Rüstungsindustrie errichtete Europäische Verteidigungsagentur wurde nicht eingeschaltet. Damit habe das Verteidigungsministerium seine eigene Verhandlungsposition gegenüber der Industrie geschwächt, kritisiert der Bundesrechnungshof wegen der absehbar überteuerten Kosten.[6] Das Ministerium hatte bereits 2004 erklärt, der milliardenschwere Auftrag solle den deutschen Werftenverbund stärken.[7] Der deutsche Kriegsschiffbau wird gegenwärtig unter Führung des Thyssen-Krupp-Konzerns konzentriert, um der deutschen Rüstungsindustrie zu einer dominierenden Position im europäischen Marinewesen zu verhelfen.[8]

Konstruktive Begleitung
Dank der Berliner Kriegsvorbereitungen konnten die deutschen Marinewerften im Jahr 2006 Umsätze von rund zwei Milliarden Euro erwirtschaften. Die Interessenvertretung der Werften und ihrer Zulieferer, der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), erklärt dies jedoch für unzureichend.[9] Die nationalen Aufträge für den Kriegsschiffbau seien bestenfalls geeignet, eine "Grundauslastung" zu gewährleisten, urteilt auch das Flottenkommando der Bundesmarine.[10] Um die Expansion der Marineindustrie möglich zu machen, die für die aufwendige weitere Aufrüstung der deutschen Seestreitkräfte als unerlässlich gilt, müssen Schätzungen zufolge rund zwei Drittel des Umsatzes im Export erzielt werden. Tatsächlich finden U-Boote und Schiffe "Made in Germany" dank der Förderpolitik der Bundesregierung auf dem Weltmarkt für Kriegsgüter hervorragenden Absatz: "Positiv wirkt eine zunehmend konstruktive Begleitung der Industrie durch deutsche Regierungspolitik", heißt es im Jahresbericht des VSM.[11] Eine Spitzenstellung im Export erreicht der deutsche U-Boot-Bau, der den Weltmarkt dominiert; deutsche Zulieferkomponenten für den Marineschiffbau wie Sonar-, Feuerleit-, Radaranlagen und andere komplexe Elektroniksysteme erfreuen sich ebenfalls weltweit reger Nachfrage. Auch Fregatten, Korvetten, Minenjagdboote und Küstenwachboote werden international gut verkauft.

Praxistest
Den zunehmenden weltweiten Einsätzen der deutschen Marine schreibt die Rüstungsindustrie eine wichtige Rolle zu: Sie ermöglichen den Praxistest der Kriegsprodukte und demonstrieren deren Leistungsfähigkeit. Wie es heißt, sind "hervorragende Referenzen" für Marinewaffen und Schiffe die Basis für erfolgreiches Exportgeschäft. Dabei spielt die Deutsche Marine mit ihren globalen Operationen als "Parent Navy" (Erstnutzer) eine entscheidende Rolle.[12]

Bitte lesen Sie zur deutschen Marine auch Seekrieger (I).
[1] s. dazu Seekrieger (I)
[2] Marine rüstet auf; junge Welt 13.06.2007
[3] Deutsche Marine präsentiert ihr modernstes Schiff; AP 17.08.2007. Flottenprogramm für die Weltmeere; Neues Deutschland 19.10.2007
[4] s. dazu Einsatzgruppen
[5] Deutsche Marine treibt Modernisierung ihrer U-Boot-Flotte voran; Lübecker Nachrichten 21.08.2007
[6] Subventionspolitik durch die Bundeswehr? Marine bekommt F 125 Fregatten für mehr als zwei Milliarden Euro; NDR: Streitkräfte und Strategien 30.06.2007
[7] Vorgezogener Milliardenauftrag soll deutschen Werftenverbund stärken; Handelsblatt 04.08.2004
[8] s. dazu "Stärkere nationale Stellung", Kampfansage, Größeres Selbstbewusstsein und Parallel
[9] VSM-Jahresbericht 2006; www.vsm.de
[10] Flottenkommando: Jahresbericht 2007. Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland; www.marine.de
[11] VSM-Jahresbericht 2006; www.vsm.de. S. auch Um die Führung Europas, In Führung bringen und Neuer Rekord
[12] Bundeswehr ist Türöffner für Schiffbauer; Frankfurter Rundschau 28.06.2007

Mehr Informationen: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57058?PHPSESSID=96gliifm34qiqeu2jv1u8ei2d6

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