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Badische Zeitung: „Unerträgliches Geschäft mit dem Tod“02.10.2008

Zivilcourage 4/2008

Es ist „ein Skandal ohne Grenzen“, den die inzwischen schon mehr als 12 000 Unterzeichner der „Waldkircher Erklärung“ gegen Rüstungsexporte nicht länger hinnehmen wollen: Deutschland ist drittgrößter Waffenexporteur der Welt. Tendenz seit 2004: rapide steigend.

Von Sylvia Timm

WALDKIRCH. Als im vergangenen Juli auch in der Badischen Zeitung Zahlen aus dem damals vom schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI herausgegebenen Rüstungsexportbericht für 2006 veröffentlicht wurden, sorgte das nicht nur in den deutschen Friedensgruppen und kirchlichen Kreisen für erheblichen Gesprächsstoff, sondern auch in der Waldkircher SPD. Laut SIPRI steigerte Deutschland den Export konventioneller Waffen von 1,5 Milliarden US-Dollar im Jahre 2005 auf 3,8 Milliarden im Jahr 2006 und wurde zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt nach den USA und Russland.

In Gesprächen innerhalb der SPD-Ortsgruppe, unter anderem zwischen Prof. Wolfram Wette, der Stadtverbandsvorsitzenden Sabine Wölfle und dem Fraktionsvorsitzenden Armin Welteroth, wurden Überlegungen angestellt, was konkret dagegen getan werden könne. Zusammen mit Jürgen Grässlin, dem Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), wurde dann die Idee für die „Waldkircher Erklärung“ geboren.

In Waldkirch fand dazu eine gut besuchte Podiumsdiskussion statt. Weitere Verbündete schlossen sich an, unter anderem aus der Fachgruppe Rüstungsexportpolitik der „Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE), dem Deutschen Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen, Pax Christi, der Partei Die Linke und dem RüstungsInformationsBüro Freiburg. Nach Erstunterzeichnung wurde die „Waldkircher Erklärung“ vor allem über diese Netzwerke und über das Internet verbreitet, berichtet Sabine Wölfle.

Stephan Möhrle vom RüstungsInformationsBüro Freiburg machte das Thema hauptsächlich in Schulen publik. Gegen das dort vorhandene „große Unwissen“ soll jetzt ein spezielles Unterrichtsmaterial über Rüstungsexporte erarbeitet werden, das bundesweit Schulen zur Verfügung gestellt wird.

Inzwischen haben sich mehr als 12 000 Menschen den Forderungen der „Waldkircher Erklärung“ mit ihrer Unterschrift angeschlossen. Die Erklärung fordert, dem dramatischen Zuwachs an Waffenexporten Einhalt zu gebieten: „Ziel deutscher Politik muss eine Welt sein, in der Konflikte mit zivilen Mitteln gelöst werden.“

Das „Totschlagargument“, dass die Produktion von Rüstungsgütern Arbeitsplätze in Deutschland sichere, sei unzutreffend: „Mit dem Geld, das für staatliche Subventionen an die deutsche Rüstungsindustrie und für Waffenkäufe aufgewendet wird, könnten ungleich mehr Arbeitsplätze im Zivilbereich geschaffen werden.“ Es sei Zeit für eine positive Signalwirkung Deutschlands. „Wir fordern die Mitglieder der Bundesregierung, des geheim tagenden Bundessicherheitsrates und die Parlamentarier nachdrücklich auf, sich auf ihre friedensethische Verantwortung zu besinnen.“

„Es gab ein sehr großes Echo“ auf die Erklärung, betonen Sabine Wölfle und Wolfram Wette. Sowohl die Internetseiten wurden und werden stark besucht als auch in Printmedien immer wieder über die „Waldkircher Erklärung“ berichtet. „Viele Unterstützer hatten auch ein ganz starkes Bedürfnis über diese Thematik zu reden“, stellt Sabine Wölfle fest.

Noch in diesem Jahr sollen die Listen an den deutschen Sicherheitsrat übergeben werden. Dessen neun stimmberechtigte Mitglieder (unter anderem die Bundeskanzlerin, der Außenminister, Verteidigungsminister, aber auch Wirtschaftsminister und Entwicklungshilfeministerin) tagen, wie Jürgen Grässlin feststellt, ausschließlich geheim. Seit der Regierung Schröder werde das Veto einzelner Sicherheitsratsmitglieder nicht mehr als Exportblocker für Waffen akzeptiert, sondern handelt der Sicherheitsrat mit Mehrheitsentscheidung. In den vergangenen drei Jahren sei der Rüstungsexportbericht noch nicht einmal mehr im Bundestag vorgestellt und debattiert worden. So gelangen die Informationen nur an einen eingeschränkten Kreis von Interessierten.

Der Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2006 spricht selbst von „effektiven Ausfuhren von Kriegswaffen“ im Wert von 1,3 Milliarden Euro und Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von 4,2 Milliarden Euro (davon 72,5 % in EU-, Nato- und Nato-gleichgestellte Länder).

Licht ins Dunkel versucht der Rüstungsbericht der GKKE zu bringen. Die GKKE bemängelt in ihren Analysen insbesondere, dass auch Länder mit schlechter Menschenrechtssituation Empfängerländer von in Deutschland hergestellten Waffen sind, zum Beispiel Pakistan, Türkei, Angola, Georgien und Russland. Zum Teil geschehe das über den Zwischenexport an EU- oder Nato-Partner, erläutert Jürgen Grässlin. Am Ende der Handlungskette steht der Einsatz der deutschen Waffen in aller Welt: Der Tod bekommt Gesichter. Und – welch Irrwitz – auch deutsche Truppen sammeln dann die deutschen Waffen bei den rivalisierenden Kräften ein.

Prof. Wette betont, dass sich die „Waldkircher Erklärung“ einreiht in eine gute Tradition ähnlicher Aktivitäten dieser Art in der Kandelstadt: Die Friedenswoche 1978, den Bürgerentscheid gegen den Zivilschutzbunker 1985 und die Aktivitäten gegen den Golfkrieg. „Wegsehen gilt nicht!“, sagt er. Gerade Deutschland habe hier eine besondere Verantwortung.

Waldkircher Erklärung 01

Quelle:
Badische -Zeitung

Mehr Informationen: http://www.rib-ev.de

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