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Mehr Heroin und mehr Taliban06.03.2008

Karte Afghanistan

Die Regierung von Hamid Karsai kontrolliert nur noch weniger als ein Drittel Afghanistans
Bericht von Anton Holberg in der jungen Welt vom 04.03.2008

Das US-Außenministerium ist besorgt. Die Produktion von Mohn, aus dem Opium und Heroin produziert werden, hat in Afghanistan im vergangenen Jahr den alten Rekord abermals geschlagen. Das State Departement behauptet, daß die Taliban aus diesem Geschäft das Geld für ihre Waffen erhalten. Vor über sieben Jahren, als die Taliban vor dem Überfall durch die USA Afghanistan beherrschten, war die Opiumproduktion vergleichsweise eingeschränkt gewesen. Zu den Begründungen für ihren Sturz durch die US-Army und die Installierung eines neuen Regimes auf den Bajonetten der USA und ihrer NATO-Verbündeten hatte dennoch nicht nur die Tatsache gehört, daß die Taliban den Terroristen von Bin Ladens Al-Qaida Zuflucht gewährt hätten, sondern auch die Opium-Produktion. Die ist seitdem allerdings nicht zurückgegangen, sondern explodiert – 2007 um mehr als ein Drittel gegenüber dem Vorjahr.

Das Problem ist jedoch, daß die Regierung von Hamid Karsai, wenn sie denn überhaupt willens wäre, ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, im Land kaum Kontrolle ausübt. Einem Bericht von US-Geheimdienstchef Mike McConnell von Ende Februar zufolge kontollieren die Taliban sieben Jahre nach ihrem Sturz wieder zehn Prozent Afghanistans, die Regierung 30 Prozent. Der Rest des Landes befinde sich unter Kontrolle lokaler Stammesführer.

Das afghanische Verteidigungsministerium hat die Feststellung, daß die Regierung nur 30 Prozent des Landes kontrolliere, umgehend zurückgewiesen. Alle Afghanen wüßten, daß sie 34 der Provinzen und über 360 Distrikte unter Kontrolle habe – auch wenn sie dort lokale Führer beauftragt habe, für die Sicherheit zu sorgen. Allerdings scheinen genau diese lokalen Führer der Grund für die zunehmenden Erfolge der Taliban zu sein. nicht – wie von den USA und der Regierung behauptet – die Unterstützung ausländischer Terroristen von Al Qaida.

Einer der Taliban-Befehlshaber der an die Hauptstadt Kabul angrenzenden Provinz Wardak, Mullah Hakmatullah, führt den Erfolg seiner Leute einem britischen TV-Team zufolge auf die Korruption der staatlichen Verwaltung zurück. Diese kümmere sich nicht um die Alltagsprobleme gerade auch der armen Leute, also der Mehrzahl der Bevölkerung. Statt dessen plündere sie diese aus. Von seiten der lokalen Bevölkerung hörte das TV-Team, daß man insbesondere die Tatsache schätze, daß die Taliban für Recht und Sicherheit sorgten. Die Leute wenden sich deshalb zunehmend an die Gerichte der Taliban statt an staatliche Stellen. Der für Wardak verantwortliche Kommandant der Taliban, Mullah Rashing Akhond, sagte, er kommandiere 2000 aktive Kämpfer. Auf diese gestützt hätten die Taliban-Gerichte inzwischen dafür gesorgt, daß es in der Provinz keine Raubüberfälle mehr gebe. Der ehemalige afghanische Innenminister, Ali Ahmad Jalali, der vermutlich bei den 2009 anstehenden Wahlen gegen den amtierenden Präsidenten antreten wird, bestätigte in London, daß das Wiedererstarken der Taliban Ergebnis der Schwäche der Regierung sei. »Was die Menschen bewegt, ist nicht Ideologie, sondern eine instabile Umgebung zwischen den bestehenden Netzwerken von Clans, Stämmen, unzufriedenen Leuten, Drogenhändlern, Opportunisten und arbeitslosen Jugendlichen«, sagte er.

In der Tat ist davon auszugehen, daß sogar ein Großteil der afghanischen Frauen, den Hauptopfern der reaktionären Taliban-Ideologie, Unterdrückung und erzwungenen Analphabetismus der permanenten Bedrohung durch Überfälle bewaffneter Räuberbanden vorziehen.

Mehr Informationen: http://www.afghanistankampgne.de

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