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Begleitung in den Krieg - Bundeswehr trainiert Minderjährige am Hindukusch. Deutsche Ausbildungsoffiziere bei Kampfeinsätzen in Südafghanistan25.02.2008

www.jungewelt.de

Beitrag von Knut Mellenthin in der jungen Welt

Bundeswehroffiziere »begleiten« von ihnen ausgebildete afghanische Einheiten bei Kampfeinsätzen im Süden und Südosten des Landes. Wenn die junge Welt vorliegenden Informationen stimmen, wäre es eine an der Öffentlichkeit und am Bundestag vorbeigesteuerte Geheimoperation, die dem offiziellen Mandat widerspricht. Die Quelle in Brüssel berichtet, daß einige der von deutschen Offizieren ausgebildeten Afghanen höchstens 16 Jahre alt sind. Die Umstände, unter denen solche Jugendliche für den Kriegsdienst angeheuert werden, sind den Angaben zufolge oft nicht wirklich als freiwillig zu bezeichnen. Viele Rekruten flüchten demnach schon während der Ausbildung.

Es begann Anfang Mai 2007 mit der Meldung, die Regierung in Kabul habe darum gebeten, daß 19 Bundeswehroffiziere ein von ihnen ausgebildetes Bataillon, rund 500 Mann, zum Kampfeinsatz in Kandahar begleiten sollten. Daß frisch ausgebildete afghanische Rekruten ihren allerersten Einsatz ausgerechnet in der gefährlichsten Provinz des Landes absolvieren sollten, mußte freilich Zweifel wecken, ob die angebliche Anforderung nicht in Wirklichkeit ein Manöver der USA war, um die Entsendung deutscher Soldaten in den Süden durchzusetzen.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung jedenfalls erteilte der Anfrage aus Kabul sofort eine deutliche Absage: Eine solche Aktion wäre keine »Nothilfe« und daher nicht durch das vom Bundestag beschlossene Mandat gedeckt, so der CDU-Politiker. Das Mandat erlaubt Einsätze außerhalb der Nordregion nur in begrenzten Ausnahmefällen. Dem Minister widersprach der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhart von Klaeden: Grundsätzlich müsse die Bundeswehr auch bereit sein, von ihr ausgebildete afghanische Soldaten bei Kampfeinsätzen zu »begleiten«.

Ende Juni 2007 meldeten sich zugleich Hans-Ulrich Klose (SPD) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU) mit der expliziten Forderung zu Wort, deutsche Ausbilder müßten die von ihnen betreuten Einheiten auch in andere Landesteile »begleiten«. Beide Politiker sind seit langem als Transatlantiker, also als besonders konsequente Befürworter der US-Politik, bekannt. Im Juli schlossen sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold und der frühere Generalinspekteur Klaus Naumann, ebenfalls ein Transatlantiker, dieser Forderung an. Die Bundeswehr müsse sich schließlich überzeugen, »ob sich ihre Arbeit in der Praxis bewährt«, begründete Naumann den Einsatz.

Anfang November 2007 gab es im Norden Afghanistans eine mehrtägige Militäroperation. An »Harekate Jolo I« waren insgesamt 1500 Soldaten beteiligt, darunter auch 200 Deutsche. In die vom deutschen Befehlshaber der Nordregion geleitete Aktion war auch eine Provinz der unter italenischen Kommando stehenden Westregion einbezogen. Die Bundesregierung hatte zunächst versucht, diese erste großen Offensivaktion unter deutschem Kommando vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten. Nur aus ISAF-Kreisen sickerten wesentliche Informationen durch. Dazu gehörte die Tatsache, daß deutsche Offiziere die von ihnen ausgebildeten Afghanen bei Kampfeinsätzen »begleitet« hatten. Das sei im Rahmen des Mandats zulässig, hieß es daraufhin aus Berlin, weil sich diese Vorgänge ausschließlich in der Nordregion abgespielt hätten. In die Westregion seien die deutschen Ausbilder nicht mitgegangen.

Aus den spärlichen Informationen über die Militäroperation konnte man immerhin ein Bild gewinnen, was sich in Wirklichkeit hinter dem verschleiernden Begriff »Begleitung« verbirgt. Keineswegs geht es nur darum, daß Bundeswehroffiziere ihren afghanischen »Schützlingen« beim Kämpfen zuschauen und allenfalls dann und wann mal Ratschläge geben. Das Magazin Focus schrieb am 8. November: »Nach Angaben der NATO forderten die Soldaten für die Operation auch Luftunterstützung von Kampfjets des Bündnisses an. Da die afghanische Armee dafür gar nicht über die nötigen Funkgeräte und Fachleute verfügt, dürfte diese Anforderung von deutschen Soldaten gekommen sein. Die Bundeswehr begleitete die afghanischen Kameraden zudem mit Aufklärungsspezialisten, die gegnerischen Funkverkehr abhören oder mit Drohnen vom Typ ›Luna‹ Straßen und Geländeabschnitte überwachen können. Ob deutsche Soldaten auch in Schußwechsel verwickelt waren, wollte die Bundeswehr bislang nicht mitteilen.«

Ein verdächtiges Schweigen, das wie eine Bejahung der Frage aussieht. Bei der anscheinend von Deutschen angeforderten »Luftunterstützung« kam übrigens eine unbekannte Zahl von Zivilisten ums Leben, darunter auch Kinder, wie aus ISAF-Kreisen berichtet wurde.

Die Bundesregierung hat die Öffentlichkeit und selbst den Bundestag bisher extrem schlecht über die deutschen Militäraktivitäten in Afghanistan informiert. Erleichtert wird ihr das dadurch, daß sich die Abgeordneten, auch die der Opposition, erstaunlich wenig Mühe geben, hartnäckig und zielgerichtet Fragen zu stellen und öffentlich Aufklärung zu fordern. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Informationen über die Teilnahme deutscher Ausbilder an Kampfeinsätzen im Süden durchaus plausibel. Es stellt sich zusätzlich die Frage, ob sie dabei wirklich nur zuschauen, oder ob sie nicht in Wirklichkeit Kommandofunktionen über ihre »Schützlinge« ausüben.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2008/02-25/016.php

Mehr Informationen: http://www.knutmellenthin.de

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