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Gerüstetes Thüringen12.11.2014

Krieg beginnt hier

Ein digitales Projekt informiert über Bundeswehrstandorte sowie Entwicklung und Produktion für Waffenschmieden im Freistaat von John Lütten

Vom Alltag im beschaulichen Thüringen ist der Krieg weit entfernt. Die großen Krisen sind weit weg, die Weltpolitik wird anderswo entschieden. Ein von der Thüringer Rosa-Luxemburg-Stiftung veröffentlichter und von der Landtagsfraktion der Partei Die Linke, der Informationsstelle Militarisierung (IMI) sowie vom »Trägerkreis Rüstungskonversion Jena« unterstützter »Rüstungsatlas Thüringen« macht nun deutlich: Für die militärische Logistik, Produktion und Forschung ist der Freistaat keineswegs bedeutungslos. Am Montag wurde der Atlas in Jena vorgestellt.
Knapp sechs Monate lang hat ein vierköpfiges Projektteam recherchiert, und nun können die Ergebnisse online auf einer Karte eingesehen werden. In drei Rubriken aufgeteilt, stellt der digitale Atlas Informationen über die Standorte der Bundeswehr, Unternehmen mit Bezug zur Rüstungsindustrie sowie universitäre oder andere Forschungs- und Entwicklungsprojekte bereit. Eine vierte Rubrik gibt einen Überblick über friedenspolitische und antimilitaristische Initiativen und Projekte. In kurzen Hintergrundtexten, unter anderem über die Strukturen der Bundeswehr in Thüringen, Werbe- und Rekrutierungsstrategien der Thüringer Jugendoffiziere oder »Software für den Krieg«, werden die Informationen aufbereitet und erläutert.

Die Rubrik »Bundeswehr« ist mit 65 Einträgen die größte und umfasst neben Kasernen und Truppenübungsplätzen auch die sogenannten »Karriereberatungsbüros« der Bundeswehr. Vier »Jugendoffiziere« sind in Thüringen im Einsatz, um an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen Bundeswehr-Propaganda zu betreiben. In Gotha ist das »Aufklärungsbataillon 13« stationiert, das Drohnen zur »Lageaufklärung« einsetzt und das nach Angaben des Ru?stungsatlasses bisher an fast allen größeren Auslandseinsätzen der Bundeswehr teilgenommen hat. »Die größte Bedeutung für künftige Kriegseinsätze«, so heißt es in einem der Hintergrundtexte, dürfte jedoch »das in Erfurt neu geschaffene Logistikkommando der Bundeswehr haben, das die gesamte Logistik - ein militärisches Herzstück - koordinieren wird«. Von hier aus werde unter anderem die Materialrückverlegung aus Afghanistan koordiniert.

In Sachen »Forschung und Hochschulen« tut sich vor allem die Universitätsstadt Jena hervor. So ist am Psychologischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) etwa ein Forschungsprojekt des Verteidigungsministeriums angesiedelt, das seit 1999 Verfahren der psychologischen Eignungsdiagnostik im Sinne der Wehrtauglichkeit erforscht. Das Institut für Politikwissenschaft lädt Bundeswehrangehörige zu wissenschaftlichen Vorträgen ein. Der Großteil der Forschungsprojekte fällt jedoch in den Bereich des »Dual Use«, bei dem die entwickelte Technik sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden kann. So zum Beispiel Robotersysteme, die an mehreren Fakultäten der FSU erforscht werden und an denen auch die Rüstungsindustrie interessiert ist.

»Wir hoffen natürlich, dass von dem Rüstungsatlas auch ein friedenspolitisches Signal ausgeht«, berichtet Projektmitarbeiterin Cindy Salzwedel im Gespräch mit jW. Mit den zusammengetragenen Informationen wolle man lokale Initiativen stärken und neue möglich machen. »Der Rüstungsatlas ist ein Anfang. Jetzt müssen eine Debatte über Rüstungsproduktion und zivil-militärische Zusammenarbeit und auch zivilgesellschaftliche Proteste folgen«, so Salzwedel weiter. Denkbar seien Konversionspolitiken, Zivilklauseln an Hochschulen und auch ein Verbot von Bundeswehr-Werbung an Schulen.

Auch eine zukünftige Landesregierung könnte entsprechende Signale setzen und zum Beispiel die Forderungen nach einem Verbot von Rekrutierungen an Schulen in die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Linkspartei, SPD und Grünen einbeziehen. Eine von den drei Parteien herausgegebene Zusammenfassung der im Oktober abgeschlossenen Sondierungsgespräche spricht bislang nur davon, dass »keine Informations- und Bildungsveranstaltungen in alleiniger Durchführung der Bundeswehr« mehr stattfinden sollten.

Der Beitrag erschien am 12.11.2014 in der Tageszeitung junge Welt

Mehr Informationen: http://www.ruestungsatlas-thueringen.de

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