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Afghanischer Frühling12.06.2015

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{Krieg von Taliban und IS, Krise in Wirtschaft und Politik, Hoffnungslosigkeit in der Bevölkerung. Alltag im Land am Hindukusch
Von Matin Baraki

Matin Baraki studierte in Kabul Pädagogik und arbeitete als Lehrer. 1974 ging er in die Bundesrepublik. Heute ist er vereidigter Dolmetscher und Übersetzer für Notare und Gerichte im Land Hessen. Er ist Lehrbeauftragter an der Philipps-Universität Marburg.
Die Armee »Islamischer Staat« (IS) tauchte Mitte Dezember 2014 zum ersten Mal in der afghanischen Nordprovinz Faryab auf. Inzwischen hat sie sich auch in den Provinzen Ghasni, Helmand, Farah, Kandahar und Parwan ausgebreitet. Seit dem 22. Februar dieses Jahres ist die Terrororganisation auch in der 60 Kilometer südlich von Kabul gelegenen Provinz Logar aktiv. Inzwischen haben sich ihr in Afghanistan rund 20.000 Menschen aus verschiedensten Ländern der Welt angeschlossen. Darunter 150 Kämpfer aus den USA und 3.400 aus arabischen Ländern. Diese Entwicklung beunruhigt den Präsidenten Aschraf Ghani und seine Verbündeten. Der Oberbefehlshaber der US- und NATO-Truppe in Afghanistan, General Martin Dempsey, zeigte sich auf einer Pressekonferenz an jenem 22. Februar in Kabul besorgt.

Der IS ist am Hindukusch keine neue Bewegung. Teile der schon lange im Land agierenden Taliban sind in der Terrororganisation aufgegangen bzw. haben sich umbenannt. Im März schloss sich ihm z. B. Dahesch, eine Splittergruppe der Taliban, an und hisste demonstrativ die schwarze Flagge des IS. In Kabul wiederum scheint man der Strategie zu folgen: Das beste Mittel, den islamistischen Vormarsch zu bekämpfen, ist es, ihn zu finanzieren. Nach diesem Credo handelte etwa Ghanis Vorgänger Hamid Karsai. Es ist längst bekannt, dass der »Bürgermeister von Kabul«, wie der ehemalige Präsident verächtlich genannt wurde, Säcke voll Dollar von der CIA für seine schwarzen Kassen bekommen hat. Nach einem Bericht der New York Times zahlte die Kabuler Administration 2010 von den fünf Millionen Dollar geheimer Zuwendungen eine Million als Lösegeld an Al-Qaida in Peschawar für die Freilassung des afghanischen Generals Abdul Khaleq Farahi.

Inzwischen sind die Reiterkolonnen des IS in Afghanistan weiter auf dem Vormarsch. Der UN-Sicherheitsrat musste sich mit dem Thema befassen. Der erste Vizepräsident Afghanistans, General Abdul Raschid Dostum, sprach am afghanischen Neujahrstag, dem 1. Hamal 1394 (21. März 2015), in Masar-i-Scharif von ausgedehnten Aktivitäten des IS in den nordafghanischen Provinzen. Da diese direkt an die mittelasiatischen Republiken Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan grenzen, würden durch eine weitere Expansion des IS auch die Sicherheitsinteressen Russlands tangiert. Das Land ist mit den genannten Nationen in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten verbunden. Beobachter befürchten eine militärische Eskalation über die afghanische Grenze hinaus, deren Ende niemand absehen kann.

Am 24. März berichteten afghanische Medien über die ersten Todesopfer durch IS-Einheiten. Diese hatten in der Nacht auf der Strecke von Kabul nach Kandahar mehrere Lkw überfallen, zwölf Personen, meistens Fahrer, wurden erschossen und sieben weitere verletzt. Die Mördertruppe ging davon aus, dass die Lkw-Fahrer Güter für die US-Armee transportierten. Einen Tag später töteten IS-Kämpfer im Distrikt Sajedabad in der Provinz Wardak, nur einen Steinwurf von Kabul entfernt, dreizehn Menschen. Der Präsident des Parlaments, der Verteidigungs- und der Innenminister sowie der Chef der Nationalen Sicherheitsdirektion Amanijat, also des Geheimdienstes, schlugen Alarm. Sie sprachen von einer realen Bedrohung Kabuls. Präsident Ghani stufte in seiner Rede vor dem US-Kongress am 26. März den IS als Gefahr für Süd- und Mittelasien ein. Seine Aufregung ist verständlich, denn die Terrorgruppe ruft nach neuesten Meldungen im nordafghanischen Distrikt Sar-i-Pul die Bevölkerung offen zur Zusammenarbeit auf.

Die Regierung beabsichtigte, »Friedensverhandlungen« mit den Taliban unter Berücksichtigung der strategischen Interessen Pakistans voranzutreiben. Die Warlords und andere Kriegsgewinnler meldeten sich daraufhin sofort zu Wort und polemisierten gegen Pakistan und die Regierung. Fasal Hadi Muslimyar – Präsident des Senats, Warlord und amtierender Gouverneur von Masar-i-Scharif und Balch, weshalb er auch der »König von Balch« genannt wird –, der selbsternannte General Atta Mohammad Noor sowie der ehemalige Präsident Hamid Karsai und einige Parlamentarier erhoben den Anspruch, über die Verhandlungen vollständig informiert und sogar daran beteiligt zu werden. Auch Abdul Raab Rasul Sayyaf, Warlord und Kriegsverbrecher mit guten Verbindungen zum internationalen Terrorismus, zeigte sich als Gegner eine Friedenspolitik und warnte die Regierung vor Zugeständnissen an Pakistan. Ghani betet das inzwischen nach. Ein eigenes Konzept hat er nicht. Ohne einen Kompromiss mit Islamabad wird es aber niemals Frieden in der Region geben, zumindest nicht mit den Taliban. Pakistan war, ist und bleibt eine Schlüsselfigur bei der Lösung des Konflikts in und um Afghanistan!

Maroder Staat

Die Bedrohung durch IS und Taliban ist umso größer, als fast neun Monate nach der Amtsübernahme durch den Politologen und Weltbank-Ökonomen Aschraf Ghani das Kabinett immer noch nicht arbeitsfähig ist. Es fehlen 18 Minister, 31 Gouverneure, der Präsident der Zentralbank und 23 Botschafter. Der Kampf um die Postenverteilung innerhalb der »Regierung der nationalen Einheit« ist noch im Gange. Auf einer Plenarsitzung des Parlaments Mitte März stellte ein Abgeordneter fest, dass das Land nur auf dem Papier eine Regierung habe. Ein anderer, sehr aufgeregter Parlamentarier forderte seine Kollegen dazu auf, keine Bestechungsgelder von den angehenden Ministern anzunehmen, die im Abgeordnetenhaus um Vertrauen bitten. Ansonsten würde er deren Namen öffentlich bekanntgeben. Die Unfähigkeit der Administration kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass Distriktverwaltungen in der Nähe Kabuls, etwa »Maidan-Wardak« und »Tschake-Wardak«, geschlossen sind.

Die Wirtschaft leidet unter diesem politischen Vakuum. Die Investoren beschweren sich, von Banken keine Kredite zu bekommen. Die Arbeitslosigkeit nimmt weiter zu. Wer kann, verlässt das Land – vor allem junge Menschen. Sie sehen für sich keine Perspektive, obwohl sie zum größten Teil über einen Hochschulabschluss verfügen. Viele von ihnen machen sich keine Gedanken darüber, was sie im Ausland erwartet. Der allgemeine Tenor ist: »Schlechter als hier wird es uns nicht gehen«.

Seit die neue Regierung die Führung übernommen hat, ist sie nicht in der Lage, die Gehälter der Staatsbediensteten regelmäßig zu zahlen. Das macht natürlich den Präsidenten nicht glaubwürdiger, der im Wahlkampf vollmundig Gesetzlichkeit und eine neue Politik versprochen hatte.

Vielen geht es wie Abdul Ahad. Er ist Oberst der afghanischen Armee und an einer sensiblen Stelle am Flughafen Kabul eingesetzt. Sein monatlicher Sold beträgt 23.000 Afghani, das sind umgerechnet 338 US-Dollar. Da am Hindukusch die Gehälter afghanisches, die Preise auf dem Basar jedoch US-amerikanisches Niveau haben, reicht sein Gehalt nicht für den Lebensunterhalt seiner siebenköpfigen Familie. Außerdem hat er seit drei Monaten keinen Sold mehr bekommen. Er musste deshalb Schulden machen, um seine Familie über Wasser zu halten.

So nimmt die Motivation der Staatsangestellten, vor allem der Sicherheitskräfte, rapide ab und die Korruption rasant zu. Der Staat ist ohne zuverlässige Sicherheitsorgane nicht lebensfähig. Am 4. März 2015 meldeten afghanische Medien, gestützt auf US-Quellen, übereinstimmend, dass im Jahre 2014 insgesamt 15.000 Soldaten der Armee ihren Dienst quittiert oder sich einfach von ihren Einheiten entfernt hätten. Niemand am Hindukusch wundert sich darüber. Im Gegenteil. Die Menschen haben Verständnis dafür, da die Soldaten nicht wissen, womit sie ihre Familien versorgen sollen.

»Nur noch Zirkus«

Und auch diese Nachricht wirft ein Schlaglicht auf die Situation im Land: Zehntausende Mitarbeiter der sogenannten Unabhängigen Wahlkommission stehen auf einer schwarzen Liste. Ihnen wird vorgeworfen, bei den Präsidentschaftswahlen im April 2014 massiv an Fälschungen beteiligt gewesen zu sein. Sie sollen aus der Kommission entlassen werden, wenn sie sich nicht glaubhaft verteidigen können, verkündete der Sprecher des Gremiums bei einer Pressekonferenz am 1. März 2015 in Kabul.

Politische Beobachter gehen davon aus, dass hier alte Rechnungen beglichen werden, um einige unliebsame Gegner loszuwerden. Die Bevölkerung macht sich lustig darüber: »Der Kopf des toten Kalbes ist doch schon längst verteilt, was soll jetzt dieses billige Theater?« »Die Menschen kämpfen ums Überleben, die vom Ausland eingesetzte politische Klasse macht nur noch Zirkus.« »Unserem Land fehlt es an Patrioten, die ›Kharedschi‹, die Ausländer, dienen nur ihren Herrn und sind deren Interessenvertreter.«

Statt sich mit politischen Gegner zu rangeln, wäre es wichtiger gewesen Hilfe in der nördlich von Kabul gelegenen Provinz Pandschir zu leisten. In der letzten Februarwoche 2015 gab es dort starke Schneestürme und -lawinen. Es wurden 196 Tote und 100 Verletzte registriert. Dörfer waren komplett verschüttet. Die Wetterstationen hatten weitere Schneefälle angekündigt. Die Bewohner der Ortschaften riefen die Behörden zu Hilfe, um ihre verschütteten Angehörigen zu befreien bzw. die dort noch lebenden zu evakuieren. Es passierte jedoch nichts. Die Menschen konnten sich nur gegenseitig helfen.

Die Regierung in Kabul verkündete eine dreitägige »nationale Trauer« und organisierte eine medienwirksame Show. Abdullah Abdullah, der seit September 2014 den für ihn erfundenen Posten des Regierungsvorsitzenden inne hat, sprach auf einer Pressekonferenz von Hilfslieferungen – auch aus den Nachbarländern. Wo diese schließlich landeten, ist bis heute nicht bekannt. Zumindest sind sie bisher nicht bei den Bedürftigen angekommen. »Auf diese Regierung ist kein Verlass«, heißt es aus der Bevölkerung. »In Afghanistan muss man mindestens zehn Kinder haben. Denn wenn zwei bei einem Selbstmordattentat, zwei bei einer Minenexplosion, zwei bei einer Überschwemmung und zwei bei einer Schneelawine ums Leben kommen, bleiben, wenn man Glück hat, noch zwei übrig«, erklärte der Kabarettist Ibrahim Abed in der Fernsehsendung »Dialog«.

Das Unwetter beschädigte auch wichtige elektrische Leitungen. Kabul und Umgebung hatten täglich nur noch zwei Stunden Strom. Die Bevölkerung der westafghanischen Provinz Herat trat in den Zahlstreik. Solange die Energieversorgung nicht wieder geregelt ist, würden die Stromrechnungen nicht beglichen, kündigte ihr Sprecher an. Er sagte dem Kabuler Fernsehsender Tolo-TV: »Obwohl die Bewohner Herats die meisten Steuern entrichten, kümmert sich die Regierung nicht um sie«. Dieser Streik hält bis heute an.

Ermordung einer jungen Theologin

Seit einiger Zeit misshandeln Gruppen von afghanischen Männern Frauen und Mädchen. Im November 2014 haben 18 Söldner des Ultraislamisten und Warlords Abdul Raab Rasul Sayyaf zwei Frauen und ein Mädchen in Anwesenheit ihrer Männer und anderer Angehöriger brutal geschändet. Die Frauen wurden dann von ihren Verwandten ins Krankenhaus gebracht, wo ein junges Mädchen seinen schweren Verletzungen erlag. Die Familie war nach einer Hochzeitsfeier in Sayyafs Hochburg Paghman unterwegs. Unter den Vergewaltigern waren auch zwei Neffen des Warlords. Von ihnen soll jede Spur fehlen. Beobachter in Kabul gehen davon aus, dass die Staatsorgane sich nicht trauen, Sayyafs Neffen zur Rechenschaft zu ziehen.

Zum internationalen Frauentag am 8. März 2015 wurde in den afghanischen Medien von 4.837 Gewalttaten gegen Frauen im Jahre 2014 berichtet. Die Dunkelziffer ist enorm hoch. Die Frauen werden in der Familie, auf dem Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit Opfer brutaler Angriffe. Am 19. März etwa wurde Farchunda, eine junge Kabulerin, auf offener Straße von einem Dutzend Männer mit Stöcken, Steinen und Fußtritten zu Tode geprügelt. Danach fuhr einer von ihnen mit einem Auto über ihre Leiche. Ein weiterer Beteiligter übergoss sie dann mit Benzin und zündete sie an. Dabei schrien die Männer: »Es lebe der Islam und Gott ist groß«.

Farchunda hatte die Madrasa, die theologische Oberschule, mit Abitur abgeschlossen, den Koran studiert und wollte an der theologischen Fakultät ihr Studium fortsetzen. Sie war eine aufgeklärte Wissenschaftlerin. Als sie Frauen darlegte, dass Amulette, die ihre Trägerinnen vor Unheil schützen sollen, nichts nutzen, und dass der Mullah der Moschee doch bitte mit diesem Betrug aufhören solle, rief der Geistliche aus Rache in die Menge, dass Farchunda den Koran verbrannt hätte.

Die Sicherheitskräfte in Kabul gaben am 20. März an, dass am Tatort nur einige Papierfetzen, aber keine Reste des Korans gefunden worden seien. Das bestätigte auch der Innenminister, General Nurul Haq Ulumi. Einen Tag später gaben mehrere Zeugen an, die Polizei habe nur zugeschaut und die Täter nicht daran gehindert, Farchunda zu ermorden. Daraufhin sprach sich der Innenminister vor der Presse für die Bestrafung der Täter aus. Zu seinen bis dahin untätigen Polizisten äußerte er sich nicht. Dabei hätte er einiges zu sagen gehabt: Auf Facebook ist nämlich einen Video zu sehen, in dem bewaffnete Polizisten zunächst die Täter vertreiben. Am Boden lag Farchunda. Kurz darauf ließen sie aber den brutalen und tödlichen Angriff auf die Studentin zu. Am 22. März hieß es in den Medien, dass einige Personen, darunter auch Polizisten, verhaftet worden seien.

Dies war auch der Tag von Farchundas Beerdigung; ausschließlich Frauen trugen sie zu Grabe. Das ist einmalig in der Geschichte des Landes. Diese Mutigen haben Mohammad Ayas Nyasi, den Geistlichen in Wasir Akbarchan, dem Wohnort Farchundas, nicht erlaubt, an ihrem Grab zu predigen und verjagt. Nyasi, Senator Salmay Sabuli und Simin Ghasal Hasansadah, Staatssekretärin des Informationsministeriums, hatten vor deren Ermordung gegen Farchunda heftig polemisiert und somit propagandistisch die Bedingungen für das Verbrechen geschaffen. Eine Untersuchungskommission stellte dann am 26. März die Unschuld der jungen Theologin fest.

Da die Anwendung von Gewalt zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen geworden ist, fühlen sich Afghaninnen nirgendwo sicher. Die staatlichen Organe haben nur eine Zuschauerfunktion und verfolgen die Täter kaum oder gar nicht. Proteste der Frauenorganisationen werden herablassend belächelt. Auch der deutsche Botschafter in Kabul, Markus Potzel, sah sich veranlasst, auf die miserable Lage hinzuweisen. Er redete, diplomatisch verbrämt, von der »schwachen Rolle der Frauen« im Land.

Ungesühnte Verbrechen

Gegen all diese Gewalt, gegen Krieg, Selbstmordattentate und Vergewaltigungen, gegen politischen Verfall und ökonomische Krise, gegen Resignation und Hoffnungslosigkeit in der Bevölkerung ist kaum anzukommen. Die Menschenrechtsorganisation »Human Rights Watch« (HRW) wirft NATO-Verbündeten am Hindukusch Verbrechen vor. Namen von acht hochrangigen Politikern und Amtsträgern werden in ihrem zwölfseitigen Bericht »Heute sollen wir alle sterben« dokumentiert. Sie haben schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. In der nordafghanischen Provinz Kundus sollen die Milizen Zivilisten ermordet und illegal Steuern eingetrieben haben. Mir Alam, ein ehemaliger Extremistenanführer, soll dafür verantwortlich sein. Der ehemalige Geheimdienstchef Asadullah Chalid, ein Parteifreund von Abdullah Abdullah und des Gouverneurs der Provinz Balch, Atta Mohammad Noor, wird beschuldigt, bei einer Reihe von Verbrechen wie Folter, Mord sowie Vergewaltigung von Frauen und Mädchen Beihilfe geleistet zu haben. Noor soll ein Netzwerk von Milizen unterhalten haben, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Im Hauptgefängnis in der US-Besatzungszone Kandahar soll der Polizeichef Abdul Rasik, ein wichtiger Verbündeter der USA, Gefangene gefoltert haben. Dem Polizeichef wirft HRW außerdem Verstümmelungen und Tötungsdelikte vor.

Der Bericht basiert auf 125 Interviews, die die HRW-Mitarbeiter mit Opfern, deren Familien, Zeugen, Regierungsvertretern, Journalisten, Menschenrechtlern, UN-Mitarbeitern und afghanischen und internationalen Sicherheitskräften überwiegend in Afghanistan geführt hatten. Für ihre Vergehen wurden die Beschuldigten bisher nicht bestraft. Es gebe keine Ermittlungen, weshalb den Opfern keine Gerechtigkeit widerfahre, kritisieren die HRW-Menschenrechtler. Der ehemalige Präsident Hamid Karsai war weder gewillt noch in der Lage, die Täter vor Gericht zu bringen. Sein Nachfolger Ghani wird nicht anders handeln. Die Entourage von Atta Mohammad Noor sammelt inzwischen Unterschriften zu seiner Entlastung. »Der Fuchs präsentiert seinen Schwanz als Zeugen«, besagt ein afghanisches Sprichwort.

Martin Baraki studierte in Kabul Pädagogik und arbeitete als Lehrer. 1974 ging er in die Bundesrepublik. Heute ist er vereidigter Dolmetscher und Übersetzer für Notare und Gerichte im Land Hessen. Er ist Lehrbeauftragter an der Philipps-Universität-Marburg.


Der Beitrag erschien am 12.06.2015 in der Tageszeitung junge Welt

Mehr Informationen: http://www.koop-frieden.de/fileadmin/Dossiers/dossier_IV.pdf

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