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Die ominöse „Friedensbewegung 2014“ - Keine Zusammenarbeit mit Nazis!19.05.2014

Monty Schädel, Politischer Geschäftsführer und Bundessprecher der DFG-VK

(Von Monty Schädel) Die Eskalation in der Ukraine beunruhigt viele Menschen weit über die Antikriegs- und Friedensbewegung sowie die DFG-VK hinaus. Dabei Verantwortliche für die Krise aus- oder festzumachen, die vielfältigen Informationen und unterschiedlichen Positionen, gepaart mit dem aus Schubladen hervorgeholten Feindbilder, einzuordnen, fällt dabei nicht immer leicht. So erschien es vielen Menschen Mitte März folgerichtig, einem im Internet verbreiteten Aufruf „WIR! SIND DAS VOLK – Für Frieden in Europa und der Welt“ zu einer „Montagsdemo“ der „Friedensbewegung 2014“ zu folgen. Gleich mehrere Begrifflichkeiten, die in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik positiv belegt sind, wurden so genutzt, um Menschen einen Ort zu geben, sich gegen den Krieg zusammenzufinden. Einen Ort, den die „traditionelle“ Friedensbewegung (von Ausnahmen abgesehen) leider nicht bot. Auch deswegen nicht, weil die Schlichtheit von Aufrufen „nicht so ganz das Ding“ der Antikriegs- und Friedensbewegung von heute ist und sowohl die Ursachen wie auch die Perspektiven, möglichst genau dargestellt werden müssen. Das soll dann vor Missverständnissen schützen aber auch zur Klarheit beitragen. Dabei gilt: Der Feind meines Feindes ist nicht automatisch mein Freund. Die Antikriegs- und Friedensbewegung hat Grundsätze, die die Komplexität von Konflikten eben nicht populistisch vereinfacht. Das ist dann auch nicht immer einfach darzustellen, wenn sich über Begriffe, Detailpunkte und Kommata dann Stunden oder – ja, ich erlebte es – monatelang gestritten wird, ehe ein einheitliches Papier verabschiedet ist.

In einem vereinfachenden Verfahren sahen dagegen merkwürdige Strukturen und Personen Mitte März ihre Chance, Menschen zu mobilisieren. Unter den oben genannten Parolen riefen sie zu „spontanen Mahnwachen“ auf – und bundesweit folgten mehrere tausend Menschen. Dass es „spontane“ Versammlungen von bisher „unpolitisch“ wirkende Menschen an mehr als 20 Orten bundesweit gewesen sein sollen, dürften gerade diejenigen in den Bereich des Märchens weisen, die seit Jahren versuchen, Menschen gegen Krieg, Aufrüstung, Militarisierung, Waffenhandel, Flüchtlingselend, Abschiebungen, Sozialabbau … regional oder bundesweit zu mobilisieren. Auch mit dem Internet oder den sozialen Medien wie Facebook ist es nicht erklärbar, dass sich Menschen bundesweit „spontan“ treffen und eine Kundgebungsstruktur vorfinden. Die Pleiten und Pannen von langjährig politisch Aktiven könnten sicher Bücher füllen.

So verwundert es dann auch wenig, dass gerade diejenigen, die seit Jahren friedenspolitisch aktiv wirken und mobilisieren, nach den ersten Demos darauf hinwiesen und dadurch auch mit die öffentliche Diskussion anschoben, wer denn so alles bei diesen Veranstaltungen Verantwortung trägt, mitwirkt und Inhalte verbreitet. Ganz klar für eine Friedensbewegung, die diesem Namen wirklich gerecht werden will, muss sein, dass sie sich nicht im allgemeinen Wischi-Waschi – „Wir sind nicht rechts und wir sind nicht links!“ – ergeht und so politische Fakten ignoriert. Selbst, wenn die Ursachen von Krieg im Allgemeinen und nun in der konkreten Situation unterschiedlich gewertet werden sollten, ist es in der Bundesrepublik Deutschland auch 2014 unerlässlich, deutlich zu betonen: Mit Rassisten und Nationalisten, mit denjenigen, die sich auf die NSDAP und andere historische oder aktuelle Nazigruppen beziehen, mit denjenigen, die in diesen Leuten auch nur ansatzweise Partner sehen oder für eine Zusammenarbeit mit denen werben und „Querfronten“ schmieden wollen, mit denjenigen, die den Holocaust an den Juden verleugnen oder verharmlosen, mit denjenigen, die Flüchtlinge für soziale Ungerechtigkeiten verantwortlich machen, ... - mit all diesen kann es kein gemeinsames Agieren geben. Niemals! Selbst, wenn sie Gleiches formuliert haben sollten, so unterscheidet sich doch unser Wirken deutlich von denen, weil unser Ziel ein anderes ist! Frieden beziehen wir nicht allein auf ausgewählte Personengruppen - Frieden ist unteilbar.

Es macht deshalb Mut, dass nach dem Eingreifen und der Unterstützung durch Aktive der „traditionellen“ Friedensbewegung in den vergangenen Wochen in einigen Städten der Einfluss menschenfeindlicher Gesinnungen sowie deren Protagonisten aus den Demonstrationen entfernt werden konnten. Es gibt deutliche Anzeichen und notwendige klare Distanzierungen von rechten Positionen. Nur so kann es für uns akzeptabel sein.

Dass dieses allerdings eher die Ausnahme ist, sollte durch den Verweis auf Personen deutlich werden, die für eine „Diffamierung“ dieser Veranstaltungen als rechtslastig ungeeignet sind. Auf die Rede von Ken Jebsen, einem der Protagonisten der „Mahnwachen“, am 5. Mai in Berlin, postete Karl Richter, Münchner Stadtvertreter und stellvertretender NPD-Bundesvoritzender auf seiner Facebook-Seite am 12. Mai: „… wer jetzt noch behauptet, die neuen Montags- und Friedensdemos seien links, hat einen Knick in der Optik. Eine außerordentlich erfreuliche Entwicklung!“ Im Weiteren diskutiert er dann u.a. mit dem NPD-Bundespressesprecher Frank Franz und erklärt die Strategie: „... deshalb gehe ich ja jeden Montag hin, und in anderen Städten läuft das inzwischen auch. Wir müssen für diese Bewegung in absehbarer Zeit ein ganz normaler Faktor sein, der dort eben mit stattfindet. Da arbeiten sie zur Zeit noch sehr mit sich selbst. Aber ich bin zuversichtlich, daß das kommen wird. Dann aber – da teile ich Deine Einschätzung – kann diese Bewegung wirklich eine Gefahr für das System werden … Es ist von unserer Seite so eine Art homöopathische Taktik. Wir sind real dort so gut wie gar kein Faktor, es sind überall nur ganz wenige Leute von uns, die hingehen – Schmidtke in Berlin, Sigrid in Frankfurt, ich in München mit ein paar Leuten. Aber daß sie dauerhaft da sind und gesehen werden, ist bis jetzt jedes Mal ewig lang dort Gesprächsstoff. Mit den Machern in Frankfurt und München stehe ich über ein paar Ecken inzwischen in Kontakt. Sie sind – ohne Leidenschaft und Euphorie – damit einverstanden, daß wir da sind, in München mehr, in Frankfurt weniger. Sie kriegen auch viel Druck von ganz links. Also das braucht seine Zeit, aber es wird schon. Die homöopathische Dosis muß wirken.“ (Screenshot hier)

Seien wir also im Namen des Friedens aktiv.
Seien wir aber auch nicht naiv – und achtsam, mit wem wir gemeinsam auf der Straße stehen. Widersprechen wir deutlich nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Formulierungen und Parolen und überlassen wir denen weder die Menschen mit ihrer berechtigten Angst vor Krieg noch die Diskreditierung der Friedensbewegung.

19.05.2014
Monty Schädel ist Politischer Geschäftsführer der DFG-VK
Der Artikel ist für die Mitgliederzeitung ZivilCourage der DFG-VK erstellt worden.

Für den 31. Mai haben die Organisationen des Bundesausschuss Friedensratschlag bundesweit zu dezentralen Protesten gegen den Krieg in Ukraine aufgerufen. Seien wir zahlreich mit dabei und fordern deutlich
„Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“

PDF-des Artikel


Mehr Informationen: http://www.ukraine.dfg-vk.de/

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