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Zurück zum Faustrecht: Gezieltes Morden mit Kampfdrohnen als westliche Kriegsstrategie12.02.2013

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Bereits unter US-Präsident ­George Bush jr. hatten die USA begonnen, eine neue Doktrin der »modernen Kriegführung« auszuarbeiten und aktiv anzuwenden. Darin sollten zwei geheime Programme vereinigt werden – der Einsatz von unbemannten Waffensystemen und der Krieg der Informationssysteme (Cyber War). - Von Klaus Eichner

Diese Doktrin wurde zum grundlegenden Operationsprinzip des nach dem 11. September 2001 verkündeten »Kriegs gegen den Terror«. Damit erklärten sich die Vereinigten Staaten als im permanenten Kriegszustand befindlich. Washington suchte sich aus dem Kriegsvölkerrecht alle jene Regelungen heraus, die seiner Aggressionspolitik eine Scheinlegalität verleihen könnten. Die alte Kanonenbootdiplomatie zur Durchsetzung der Interessen der amerikanischen Monopole sollte abgelöst werden durch unbemannte Killermaschinen.

Präsident Barack Obama erweiterte und effektivierte die Kriegführungsdoktrin seines Vorgängers. Sein Ziel besteht darin, Einsätze mit Zehntausenden Soldaten, Panzern etc. zu beenden. Anfang 2012 erklärte er in einer Rede im Pentagon, er werde die überholten Systeme aus der Zeit des Kalten Krieges abschaffen.

Bloßer Verdacht reicht
Kriege der Zukunft sollen im verborgenen, mit einem Joystick oder per Mausklick aus der Ferne ohne eigene Verluste realisiert werden. Ab und zu werden sie ergänzt durch Kommando­unternehmen von Spezialeinsatzkräften. Gezielte Tötungen mit unbemannten Killermaschinen werden damit zu einem Merkmal der Politik von Friedensnobelpreisträger Obama. Er ist stolz darauf, daß die Todeslisten – meist auf der Grundlage von Informationen der US-Geheimdienste – in regelmäßigen Abständen von ihm persönlich bestätigt werden. Obamas aktuelle Kriegführung ist die Verhängung der Todesstrafe auf bloßen Verdacht hin – ob es Unschuldige trifft, ist den dafür Verantwortlichen gleichgültig. So wird aus dem Völkerrecht wieder einmal das angemaßte Recht des Stärkeren, ein Faustrecht gemacht.

Die fliegenden Tötungsmaschinen sind also nicht nur ein neues, höchst effektives Waffensystem, sie sind vor allem Instrumente zur massenhaften Tötung von Menschen außerhalb jeder Rechtsprechung. Wenn z.B. ein angeblicher Al-Qaida-Führer von einer »Hellfire«-Rakete in seinem Auto oder seinem Haus getötet wird, dann nehmen die verantwortlichen Einsatzleiter billigend in Kauf, daß seine dort befindlichen Angehörigen oder auch zufällige Besucher mit ermordet werden. Noch perfider wird es durch die Einsatzgrundsätze der »Double-tap«-Angriffe, bei denen nach zirka 30 Minuten ein erneuter Raketenangriff auf dasselbe Ziel erfolgt, um Helfer aus der Nachbarschaft, die Überlebende suchten oder Leichen bergen wollten, ebenfalls zu vernichten.

In keinem der Fälle liegen jedoch der Angriffsentscheidung der Operatoren, die einen Joystick in ihren vollklimatisierten Einsatzräumen bedienen, rechtlich gesicherte Informationen über die Angriffsziele zugrunde. Oft darf der Operationsoffizier den Abschuß einer todbringenden Rakete auch schon veranlassen, wenn er »der Meinung« ist, bei dem Zielobjekt könnte es sich um einen Terroristen handeln. Obama konnte in seinen Wahlkämpfen jedoch mit den Argumenten punkten, durch den Einsatz von Drohnen brauche kein US-Soldat sein Leben aufs Spiel setzen, mit anderen Worten: Die Zahl der in der Heimat eintreffenden Zinksärge könne damit drastisch reduziert werden.

Die Operationsgebiete für die Drohneneinsätze werden immer mehr ausgeweitet. Neben Pakistan, Afghanistan und dem Jemen ist Somalia zunehmend Ziel. Das United ­States Southern Command forderte die Stationierung von Drohnen für den Bereich Lateinamerika. Als offizielle Begründung dient die Aufklärung – aber ganz verschleiert erscheint auch die Unterstützung der »Aufstandsbekämpfung«. Dazu erwähnen Insider die logistische Hilfe für die kolumbianische Armee in ihrem Kampf gegen die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC).

Doppelter Nutzen
Der Ersteinsatz der neuen Waffensysteme erfolgte am 4. Februar 2002 in Afghanistan, seitdem sind allein in Pakistan mehr als 400 Drohneneinsätze bekannt geworden, davon mehr als 350 (90 Prozent) in der Amtszeit Obamas. Die vorsichtigen Schätzungen der Opferzahlen reichen von 2500 bis zu mehr als 3300 getöteten und etwa 1300 verletzten Personen. Unter den Toten sollen zwischen 474 und 884 »Zivilisten«, darunter 176 Kinder, gewesen sein. Aber auch die offiziell als »Kombattanten« ausgewiesenen Opfer waren in der Mehrzahl örtliche Stammeskrieger, von denen keinerlei terroristische Bedrohung gegen die Vereinigten Staaten ausging.

Die militärische Führung liegt in den USA in den Händen des Kommandos für Sonderoperationen (Joint Special Operations Command), die militärische Leitzentrale ist auf dem Luftwaffenstützpunkt Creech in Nevada stationiert. Bis 2020 sollen allein 28 Milliarden Dollar für die Ausrüstung der Streitkräfte (Geheimdienste nicht mitgerechnet!) mit Kampfdrohnen ausgegeben werden.

Natürlich nutzt die Obama-Administration ihren Einfluß, damit diese Kriegführung auch in der Operationsplanung der NATO ihren entsprechenden Platz findet (abgesehen davon, daß sich die US-Rüstungskonzerne damit neue riesige Absatzmärkte erschließen). Die NATO hat auf ihrem Gipfel im Mai 2012 in Chicago das Programm einer allianzeigenen Bodenüberwachung mit Großdrohnen (»Alliance Ground Surveillance – AGS«) und dafür die Beschaffung von dieser Maschinen vom Typ »Global Hawk« beschlossen. Die Bundesregierung trägt dafür ein Drittel der Gesamtkosten von 1,5 Milliarden Euro – aufgestockt von ursprünglich »nur« 400 Millionen Euro auf vorläufig 483 Millionen Euro. Die strategischen Zielstellungen sind aus folgendem Beispiel erkennbar: In Vorbereitung der Aggression gegen Libyen 2011 hatten die USA Planungen in Auftrag gegeben, wie in die Führungssysteme der libyischen Streitkräfte eingedrungen und die Luftverteidigung Libyens elektronisch lahmgelegt werden kann.

Quelle: junge welt vom 12.02.2013

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