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Kolumne: In Syrien sind Anschläge weder feige noch Terror25.07.2012

Institut für Medienverantwortung - www.medienverantwortung.de

Zeitungen, Rundfunkberichterstattung und das Internet sind voll von den Anschlägen in Syrien. Die Attacke auf den inneren Machtzirkel rund um Bashar al Assad wird allgemein den Rebellen zugeschrieben, wohlgemerkt „Rebellen“ nicht „Terroristen“. Vergleicht man die Berichterstattung zu Syrien mit der zu anderen Ländern oder Regionen fällt etwas auf, dass ganz allgemeiner Natur ist: eine unterschiedliche Benennungspraxis je nach Weltgegend und politischer Situation – das tägliche Messen mit zweierlei Maß sozusagen.

Natürlich macht es einen Unterschied, ob ein Anschlag als „feiger“ oder „hinterhältiger Terrorakt“ – so häufig in Bezug auf Afghanistan zu lesen – oder als möglicher „Befreiungsschlag“, „Widerstand“ oder eben einfach „Anschlag“ bezeichnet wird. Je nach Begriff, der mal mehr mal weniger bewusst ausgewählt wird, wirft man eine völlig andere Perspektive auf den Sachverhalt. Und das hat politische Folgen. Im einen Fall gibt es das Bestreben UNO-Resolutionen gegen das Regime zu beschließen, im anderen nicht. Nicht nur der Vergleich der Berichterstattung zwischen Syrien und Afghanistan bringt da Erhellendes zutage, auch die Beschreibung vergleichbarer Ereignisse in Afrika oder Lateinamerika zeugt nicht von echter Neutralität der Medienorgane.

Entscheidend ist, ob etwas als „illegitimer Terror“ oder als „legitime Rebellion“ gewertet wird – und schließlich kommt es auf die Bewertung hinter den einzelnen Vorkommnissen an. Die gezielte oder auch nur eingeschliffene Zuweisung legitimierender oder delegitimierender Begriffe – das gehört zur stimmungsvollen Rahmung einer Situation, zum „Framing“ – kann entscheidend für den weiteren Verlauf einer Auseinandersetzung sein und über Leben und Tod noch vieler weiterer Menschen entscheiden. Auch Gleichsetzungen mit der Nazizeit gehen da mal durch, wenn sie ausgediente Despoten wie Saddam Hussein oder aktuelle Dämonen wie Mahmoud Ahmadinejad betreffen. Da darf es auch schon einmal die verbale Wiederauferstehung eines „Hitler“ sein, womit man die Kandidaten verunglimpft. Während an anderer Stelle – und zu recht – bei Gleichsetzungen mit der Nazi-Zeit Geschichtsrelativierung kritisiert wird.

All das nimmt man billigend in Kauf, wenn man diese Zuweisungspraxis nicht kritisch reflektiert. Und letzteres ist auch Aufgabe des mündigen Bürgers und Mediennutzers, denn es bleibt immer ein subjektives Moment bei der redaktionellen Entscheidung für einen Ausschnitt aus der stets viel größeren Realität oder bei der journalistischen Entscheidung für ein Wort und gegen viele andere zur Verfügung stehende Wörter.

Von Sabine Schiffer

IMV Institut für Medienverantwortung
91054 Erlangen
http://www.medienverantwortung.de
info (at) medienverantwortung.de

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