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Im Sinne der Soldaten29.08.2011

www.german-foreign-policy.com

(Bericht http://www.german-foreign-policy.com) - Eine für nächste Woche angekündigte Dokumentation des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) porträtiert den für das Massaker von Kunduz verantwortlichen Bundeswehroberst Klein als "Menschen mit hohen ethischen Maßstäben". Klein habe den Bombenangriff mit mehr als hundert zivilen Toten "zum Schutz seiner ihm anvertrauten Soldaten" befohlen, erklären die Programmmacher des öffentlich-rechtlichen Senders. Zumindest einer der Autoren des Films zeichnet sich durch eine starke Affinität zu den deutschen Streitkräften aus: Mathis Feldhoff hat bereits in der Vergangenheit mehrere Beiträge über die Kriegsoperationen der Bundeswehr verfasst und beklagt öffentlich deren "geringe Akzeptanz". Für eine seiner Arbeiten erhielt er den Medienpreis des Reservistenverbandes; der Deutsche Bundeswehrverband kündigt ihn jetzt außerdem als Referenten eines "sicherheitspolitischen Kongresses" an. Feldhoff ist kein Einzelfall. Zu den Mitarbeitern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zählen mehrere ehemalige Bundeswehroffiziere - darunter auch Angehörige der für die psychologische Kriegführung zuständigen "Truppe für Operative Information".


Nur zum Schutz

Die Sendung "An einem Tag in Kunduz - Der tödliche Befehl", die das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) am 7. September um 22.45 Uhr ausstrahlen wird, befasst sich nach Aussage der Programmverantwortlichen mit dem "blutigste(n) deutsche(n) Militäreinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg".[1] Thema ist das von Bundeswehroberst Georg Klein Anfang September 2009 angeordnete Bombardement zweier von afghanischen Aufständischen geraubter Tanklaster, bei dem mehr als 100 unbeteiligte Zivilisten getötet wurden. Kritik an Klein wird nicht geübt: Dem ZDF gilt der für das Massaker verantwortliche Bundeswehroffizier als ein militärischer Führer, der von einer "ernsthafte(n) Bedrohung durch ein mögliches Attentat" ausgegangen sei und ausschließlich den "Schutz seiner ihm anvertrauten Soldaten" im Sinn gehabt habe.[2]


Nicht Täter, sondern Opfer

Wie das ZDF erklärt, handele es sich bei dem Streifen "An einem Tag in Kunduz" um eine "einzigartige" Produktion [3], die nicht nur mit einer "packenden Abfolge von Spielszenen, Interviews und Experten-Statements" aufwarte [4], sondern auch mit einem "prominente(n) Schauspielerensemble", das "jedem Fernsehfilm zur Ehre gereichen" würde [5]. Tatsächlich haben die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in der Vergangenheit bereits mehrere hochkarätig besetzte Spielfilme über die Kriegsoperationen der Bundeswehr in Afghanistan ausgestrahlt; ihnen allen gemein war, dass die deutschen Besatzungssoldaten nicht als Täter, sondern als Opfer porträtiert wurden (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Mit seiner "Doku-Fiction" "An einem Tag in Kunduz" will das ZDF jetzt offenbar an diese propagandistische Linie anknüpfen.


Mit Verständnis

Dementsprechend kommen in dem Streifen ausschließlich "Experten" und Politiker zu Wort, die die Handlungsweise von Oberst Klein entweder offensiv verteidigen oder zumindest mit Verständnis betrachten. Gleich zu Beginn etwa erklärt der ehemalige Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU): "Wenn ich an (Kleins) Stelle gewesen wäre, hätte ich genauso gehandelt." Auch Omid Nouripour, Sicherheitspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, nimmt den Offizier in Schutz: "Klein war nahezu mürbe gemacht worden von den Aufständischen. Das ist eine Situation, die menschlich brutal ist und die ich niemandem wünsche. Und ich kenne auch niemanden, der ernsthaft sagen kann, ich hätte in der Situation alles richtig gemacht." Der von den Autoren interviewte Militärpfarrer Jonathan Göllner schließlich beschreibt Klein als "sehr ernsthaften, sehr überlegten Menschen mit hohen ethischen Maßstäben und Prinzipien", dessen Befehl zum Bombardement "im Sinne der Soldaten" gewesen sei.[7] Diese Auffassung wird offenbar auch von anderen den deutschen Streitkräften nahestehenden Kreisen geteilt. So können Interessierte den Film "An einem Tag in Kunduz" bereits jetzt auf den Seiten des Internet-Blogs "Soldatenglück" abrufen.


Goldener Igel

Zumindest einer der Autoren des Films zeichnet sich durch eine hohe Affinität zum deutschen Militär aus: Der ZDF-Redakteur Mathis Feldhoff hat bereits in der Vergangenheit mehrere Beiträge über die Kriegsoperationen der Bundeswehr verfasst und beklagt öffentlich deren "geringe Akzeptanz".[8] Für seine Dokumentation "Die Afghanistan-Lüge" erhielt Feldhoff 2010 den mit 2.000 Euro dotierten Medienpreis "Goldener Igel", der vom Reservistenverband der Bundeswehr für "außergewöhnliche Arbeit(en)" zum Thema "Sicherheitspolitik" vergeben wird.[9] "Die Afghanistan-Lüge" wirft der politischen Führung vor, das "Märchen" einer "Friedensmission am Hindukusch" zu verbreiten, während die Aufgabe der eingesetzten Soldaten in Wirklichkeit darin bestehe, "rund um Kunduz gegen die Taliban (zu) kämpfen".[10] Für Mitte September kündigt nun das Bildungswerk des Deutschen Bundeswehrverbandes Feldhoff als Referenten eines "sicherheitspolitischen Kongresses" im nordrhein-westfälischen Minden an. Das Motto der Veranstaltung lautet "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann..." [11]; als offizielle "Unterstützer" firmieren die deutsch-europäischen Waffenschmieden EADS und MBDA.[12]


Kriegs-PR

Feldhoff ist kein Einzelfall. Zu den Mitarbeitern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zählen mehrere ehemalige Bundeswehroffiziere - darunter auch Angehörige der für die psychologische Kriegführung zuständigen "Truppe für Operative Information" (german-foreign-policy.com berichtete [13]). Ihre Aufgabe besteht offenkundig darin, die mit Gewaltoperationen im Ausland befassten deutschen Soldaten als opferbereite Kämpfer im Interesse des Gemeinwohls darzustellen, um so die Öffentlichkeit zur Unterstützung aktueller wie künftiger Kriege zu bewegen.

[1] An einem Tag in Kunduz - Der tödliche Befehl; dokumentation.zdf.de
[2] Drei Filme, ein Label; dokumentation.zdf.de
[3] "Publikumswirksames Genre"; dokumentation.zdf.de
[4] Drei Filme, ein Label; dokumentation.zdf.de
[5] "Publikumswirksames Genre"; dokumentation.zdf.de
[6] s. dazu Willkommen im Krieg, Willkommen im Krieg (II), Kriegspropaganda, öffentlich-rechtlich und Neues von der Medienfront
[7] "Ich hätte genauso gehandelt"; dokumentation.zdf.de
[8] Der Krieg bleibt. Die schwierige Rückkehr vom Hindukusch, ZDF 2010
[9] Reservistenverband verleiht Medienpreis "Goldener Igel"; http://www.reservistenverband.de 10.02.2010
[10] Die Afghanistan-Lüge; http://www.phoenix.de
[11] Forum Deutsche Politik/Bildungswerk des Bundeswehrverbandes - Karl-Theodor-Molinari-Stiftung: 18. Kongress zur Sicherheitspolitik. 17. September 2011, Stadthalle Minden (Veranstaltungsprogramm)
[12] Kongress für Sicherheitspolitik; http://www.kongress-minden.de
[13] s. dazu Unerkannte Mittler, Afghanistan sagt Danke und Combat ready

Mehr Informationen: http://www.german-foreign-policy.com

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