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Ein Klima des Friedens: Konferenz des Internationalen Friedensbüros in Oslo

Zivilcourage 2010 05 Die NATO - altes Kriegsbündnis mit neuer Strategie

(Von Guido Grünewald für Zivilcourage 5-2010)

Unter diesem Motto - Ein Klima des Friedens - fand Ende September in Oslo die Dreijahresversammlung des Internationalen Friedensbüros (IPB = International Peace Bureau) verbunden mit einem zweitägigen Seminar statt. Das IPB, ein Jahr früher als die Deutsche Friedensgesellschaft gegründet, feierte mit dem Treffen in Oslo gleichzeitig die Erinnerung an die Verleihung des Friedensnobelpreises an das Friedensbüro 100 Jahre zuvor. Guido Grünewald, internationaler Sprecher der DFG-VK, berichtet aus Oslo.ach der Feierstunde im neuen Nobel Peace Center zeigte das Seminar an den beiden Folgetagen exemplarisch das breite Themen- und Aktivitätsspektrum auf, welches das IPB auszeichnet. Atomare Abrüstung etwa ist ein Bereich, der von vielen Mitgliedsorganisationen kontinuierlich sowie periodisch auch vom IPB-Vorstand/Sekretariat als Schwerpunkt bearbeitet wird. Über Exitstrategien aus Afghanistan und Opposition gegen die westliche Kriegführung diskutierten - und stritten teilweise auch - Friedensaktivisten und der Direktor des bekannten Friedensforschungsinstituts Oslo (PRIO), während Alexander Harang vom Gastgeber Norwegischer Friedensrat am Selbstbild „Norwegen als Friedensnation“ kratzte und u.a. auf den steigenden Waffenhandel des Landes hinwies.


Breites Themenspektrum

Weitere (jeweils in einem Block von 90-120 Minuten behandelte) Themen waren Friedenserziehung - hier fand ich die Ausführungen der Historikerin Verdiana Grossi zur frühen Geschichte der Friedenserziehung besonders interessant - sowie Frauen und Frieden. Dabei ging es einmal um Gewalt gegen Frauen in kriegerischen Konflikten und die Arbeit mit betroffenen Frauen, über die z.B. Binalakshmi Nepram berichtete, Gründerin des Netzwerks Frauen in Manipur (Bundesstaat im Nordosten Indiens), deren Männer oder Söhne durch Kleinwaffen getötet wurden sowie Generalsekretärin der indischen Rüstungskontrollstiftung. Nepram erhielt für ihre couragierte und gefährliche Arbeit die Sean-McBride-Medaille, die jährlich vom IPB verliehen wird.

Ein zweiter Schwerpunkt dieses Themenblocks war die vor 10 Jahren verabschiedete Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrats, in der laut § 1 „die Mitgliedstaaten nachdrücklich (aufgefordert werden), dafür zu sorgen, dass Frauen in den nationalen, regionalen und internationalen Institutionen und Mechanismen zur Verhütung, Bewältigung und Beilegung von Konflikten auf allen Entscheidungsebenen stärker vertreten sind.“ Die Entschließung wurde zwar in weiteren Resolutionen mehrmals untermauert, bisher aber nur mangelhaft umgesetzt (siehe Kasten). In Deutschland drängt das Frauennetzwerk für Frieden (http://www.frauennetzwerk-fuer-frieden.de), das von Heide Schütz in Oslo vertreten wurde, auf einen nationalen Aktionsplan.


Global gegen Rüstung

Aktionsorientiert waren die Arbeitsgruppen zu Friedensarbeit in Afrika (eingeleitet von einem Aktivisten aus der Demokratischen Republik Kongo) und zur Anti-Nato-Kampagne sowie das Thema Abrüstung für Entwicklung, das seit einigen Jahren den Arbeitsschwerpunkt des IPB bildet. Informiert wurde u.a. über die US-amerikanischen Militärstützpunkte im Pazifik (Corazon Fabros von der weltweiten Kampagne gegen Militärstützpunkte), über Militärforschung in den USA (siehe das Interview mit Subrata Goshroy) und eine internationale Abrüstungskampagne der Jugendsektion „Religionen für Frieden“. IPB-Generalsekretär Colin Archer wies auf die enormen Militärausgaben hin, die bis 2009 über eine Dekade kontinuierlich angestiegen sind und mit 1.531 Milliarden US-Dollar höher sind als auf dem Zenit des kalten Krieges. Zwar haben Regierungen in der Folge der Finanzkrise begonnen, auch über Kürzungen bei den Rüstungsausgaben zu reden, aber ohne Druck der Zivilgesellschaft wird in dieser Hinsicht nicht viel geschehen. Das IPB hat daher erstmals für den 12. April 2011 (einen Tag nach Erscheinen des SIPRI-Jahrbuchs mit den neuesten Zahlen zu Militärausgaben) einen „Globalen Aktionstag zu Rüstungsausgaben“ initiiert und ruft dazu auf, diesen Tag kreativ zu nutzen und auf nationaler Ebene mit Umweltorganisationen, Initiativen zur Bekämpfung von Armut, entwicklungspolitischen Gruppen und Gewerkschaften Aktionsbündnisse zu bilden. Der erste Newsletter zu diesem globalen Aktionstag ist im Internet abrufbar unter der Adresse www.ipb.org.

Dort gibt es auch einen Katalog zur sehenswerten großen Fotoausstellung Making Peace, die dieses Jahr im Juni erstmals in Genf gezeigt wurde und als Wanderausstellung konzipiert ist. In Oslo befasste sich eine spezielle Abendsitzung mit der Geschichte von Friedensinitiativen. Die Themen reichten vom Einfluss der transnationalen Zivilgesellschaft auf die sowjetische Abrüstungspolitik unter Gorbatschow, die Rolle von Friedensmuseen für eine Kultur des Friedens und einem Überblick über gewaltfreie Interventionen in bewaffneten Konflikten bis zu einem Vortrag des Juristen und Friedensaktivisten Fredrik Heffermehl, der schlüssig nachwies, dass die politischen Parteien Norwegens das Nobelpreiskomitee usurpiert und das Testament Alfred Nobels verfälscht haben, der tatsächlich wollte, dass der Friedenspreis an Friedensverfechter (Aktivisten) ging, die sich für Abrüstung und Brüderschaft zwischen den Nationen einsetzen.

Das IPB wird aktuell erstmals von zwei gleichberechtigten PräsidentInnen geführt, Ingeborg Breines aus Norwegen (Direktorin der Nordland Akademie für Kunst und Wissenschaften, früher UNESCO-Direktorin) und Tomas Magnusson, Vorsitzender einer schwedischen humanitären Organisation. Mit 320 Mitgliedsorganisationen aus mehr als 70 Staaten ist das IPB breit aufgestellt. Die Tagung in Oslo hat einmal mehr gezeigt, dass das Friedensbüro einen breitgefächerten Marktplatz für friedenspolitische Themen bereit stellt, in dessen Rahmen mehrere wichtige Initiativen geboren wurden oder Raum zur Entfaltung fanden (z.B. internationales Symposium zu den Folgen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, World Court Project, Haager Friedensappell). Es wäre gut und hilfreich, wenn der Globale Aktionstag zu Militärausgaben zum Startpunkt einer globalen Kampagne gegen die obszön hohen Rüstungsausgaben würde.

{Guido Grünewald] ist internationaler Sprecher der DFG-VK und seit vielen Jahren ihr Vertreter beim Internationalen Friedensbüro.

Mehr Informationen: http://www.ipb.org

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