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Wehrpflicht ist damit noch lange nicht abgeschafft14.08.2010

Monty Schädel - www.montyschaedel.de

Guttenberg will die Bundeswehr verkleinern, aber interventionsfähiger machen. Daher: Kein Orden von der Friedensbewegung. Gespräch mit Monty Schädel (Politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen)
Interview: Gitta Düperthal

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will eine Freiwilligenarmee aufstellen und die Truppe auf 165000 Soldaten schrumpfen lassen – die Wehrpflicht soll ausgesetzt werden. Wird ihm die Friedensbewegung dafür einen Orden verleihen?
Auf keinen Fall. Wenn er die Bundeswehr interventionsfähiger macht, ist das für uns kein Grund, Orden zu verteilen. Würde er sie auflösen und tatsächlich abrüsten, bekäme er sie en masse! Was der Kriegsminister macht, ist eine Umrüstung, um in anderen Ländern mit Freiwilligen besser intervenieren zu können. So existierte die Wehrpflicht vor allem, um aus der Menge der Wehrpflichtigen Freiwillige für Auslandseinsätze werben zu können. Ein weiterer Grund war, daß Wohlfahrtskonzerne darauf pochten, Ersatzdienstleistende als billige Arbeitskräfte in ihren Bereichen zu nutzen.

Was bedeutet die von Guttenberg geplante Umrüstung aus friedenspolitischer Sicht?
Die Bundeswehr wird andere Strate­gien suchen müssen, um an ihre Mannschaftsdienstgrade heranzukommen. Es wird keine Zwangsverpflichteten mehr geben, die in der Kaserne leicht zu beeinflussen waren. Gegebenenfalls wird man mit Geld Leute locken, in den Krieg zu ziehen. In Kreisen der Wohlfahrtskonzerne gibt es leider Diskussionen, eine allgemeine Dienstpflicht einzuführen, um weiter mit fast kostenlosen Arbeitskräften vom sozialen Notstand profitieren zu können. Man befürwortet also eine andere Art Zwangsverpflichtung. Für soziale Dienste sollten jedoch Menschen eingesetzt werden, die dort auch tätig sein wollen; die ihren Beruf gelernt haben und dafür ordentlich nach Tarifen bezahlt werden.

Die Wehrpflicht soll zwar ausgesetzt, aber im Grundgesetz beibehalten werden …
Aus unserer Sicht muß sie ganz und gar abgeschafft werden, natürlich muß sie aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Sie ist ein Instrument des Staates, Menschen mit Drangsalierungsdrohungen dazu zu bringen, für den Krieg bereit zu stehen.

Andererseits will man für den freiwilligen Wehrdienst finanzielle und praktische Anreize schaffen –unter anderem einen leichteren Zugang zum Studium.
Das sind die üblichen Geschichten, die das Militär sich einfallen lassen muß, um Menschen zu werben. Die Bundeswehr wird ihre Werbestrategien weiter intensivieren. Mit Geld und anderen Vergünstigungen wird sie versuchen, Menschen dazu zu bringen, in den Krieg zu ziehen. Wir treten dafür ein, das Militär grundsätzlich abzuschaffen.

Die Grünen sagen, Guttenberg habe bei ihnen abgeschrieben – und die Wehrpflicht sei damit quasi faktisch abgeschafft. Wie sehen Sie das?
Faktisch ist sie erst dann abgeschafft, wenn sie aus dem Grundgesetz gestrichen ist. So besteht jederzeit die Möglichkeit, sie wieder einzusetzen. Wenn die Grünen das jetzt für sich als Erfolg verbuchen, dann mag das damit zusammenhängen: Sie selber waren acht Jahre lang in der Regierung und haben nichts getan, um die Wehrpflicht abzuschaffen.

Die Sozialdemokraten nörgeln an den Plänen herum und geben sich zwiegespalten …
In den vergangenen 50 Jahren hat die SPD ihre Position vollständig geändert. Zunächst war sie gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht und gegen die Wiederbewaffnung. Jetzt ist sie angeblich wegen der Verankerung der Bundeswehr in der Bevölkerung für die Wehrpflicht – sehr merkwürdig, diese Argumentation! Die Sozialdemokraten ignorieren die Realitäten. Kürzlich habe ich mit dem Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), diskutiert, der sich für die Beibehaltung der Wehrpflicht aussprach, weil es durch Wehrpflichtige eine bessere Kontrolle der Bundeswehr gebe. Meinem Gegenargument, daß seit acht Jahren trotz Wehrpflicht Krieg in Afghanistan geführt wird, wußten weder er noch andere Sozialdemokraten etwas entgegenzusetzen. Die SPD führt aus meiner Sicht Scheingefechte, sie will im sozialen Bereich die Ersatzdienstleistenden behalten.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/08-14/039.php


Mehr Informationen: http://www.dfg-vk.de/thematisches/kriegsdienstverweigerung/

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