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Verrückter Rücktritt02.06.2010

Tommy Rödl, Landesgeschäftsführer der DFG-VK Bayern

Stellungnahme des Landesgeschäftsführers der DFG-VK Bayern Tommy Rödl zum Rücktritt von Horst Köhler

Seit Anfang der 90er Jahre ist offizielle Zielsetzung deutscher Militärpolitik die Sicherung der freien Handelswege und der Zugang zu Rohstoffen - so sinngemäß formuliert in den verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 und 2003, ebenfalls in den Verteidigungsweißbüchern von 1994 und 2006. Daran orientiert sich die Planung der Bundeswehr, sie wird konsequent zur Interventionstruppe umgebaut: Transportflugzeuge, Kampfhubschrauber, Radpanzer, Eurofighter, neue Fregatten, Korvetten und Super-U-Boote, unterstützt durch Kommunikations- und Spionagesatelliten und demnächst abgerundet durch ein „Gallileo“ Navigationssystem.

Köhlers Aussage, daß „im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, z.B. freie Handelswege“, beschreibt, wenn auch etwas ungeschickt, die deutsche Militärdoktrin der letzten 2 Jahrzehnte. Ja deswegen muß er doch nicht zurücktreten! Das ist doch gerade die Politik der Unionsparteien! SPD und Grüne haben dieser Politik nicht nur nicht widersprochen, sie haben das humanitäre Deckmäntelchen geliefert („nie wieder Auschwitz“) für die Bombardierung Jugoslawiens. Sie haben die Umrüstung der Bundeswehr mit all den Milliarden verschlingenden Rüstungsprogrammen nahtlos fortgesetzt!

Selbstverständlich befürwortet Köhler einen Einsatz der Bundeswehr jenseits der Schranken des Grundgesetzes, aber das tun doch alle Parteien außer der Linken!

Nach wie vor gilt der Artikel 87 a Grundgesetz, der den Einsatz der Bundeswehr nur zur Verteidigung und zur Niederschlagung von Aufständen in der BRD zuläßt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 1994 die Mißachtung des Grundgesetzes erlaubt und die Kriegführung der Bundeswehr im Ausland ermöglicht, sofern der Einsatz „kollektiv“ geführt wird und der Bundestag ein Mandat erteilt.

Daß die Unionsparteien Köhler nicht verteidigen, wenn er im Rundfunk ihre ureigene Politik vertritt, ist schändlich und feige. Die Kritik aus den Reihen von SPD und Grünen ist heuchlerisch bis zum Erbrechen, haben sie doch in der Praxis diese Politik mitgetragen. „Wir wollen keine Wirtschaftskriege “ sagt ein SPDler - ach ja! Aber ihr habt der Bundeswehr alles bewilligt, damit wir auch weltweit anständig mitmischen können, wenns denn sein muß.

20 Jahre hatten die Parteien Zeit, das Grundgesetz zu ändern, z.B. einen neuen Abschnitt 5 in den Artikel 87 a des Grundgesetzes einzufügen: „Die Bundeswehr kann im Ausland eingesetzt werden, wenn eine Mehrheit im deutschen Bundestag das für zweckmäßig hält. Die Einzelheiten regelt der Verteidigungsminister“.

Na dafür müßte es doch eine Mehrheit im Bundestag geben!. Die Friedensbewegung und die Linken würden ein bißchen aufheulen, aber die Mehrheit der BürgerInnen würde sich nicht dagegen wehren.

Mit dieser Grundgesetzveränderung im Rücken müßte ein etwas überforderter Bundespräsident sich keinen Kopf mehr machen, ob er auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, wenn er das vertritt was seine Partei praktiziert. Er könnte sich darauf konzentrieren im Rundfunk die Zwecke deutscher Außen- und Militärpolitik darzulegen, und insbesondere die Frage zu beantworten, welche Handelswege die Bundeswehr in Afghanistan verteidigen will? Kaum jemand im Volke hat geglaubt, daß es um die Befreiung der Frauen von der Burka und um den Schutz der Mädchen vor Zwangsverheiratung ginge. Er könnte versuchen zu erklären, wie durch NATO- Truppen die Stabilität in der Region erhöht wird und inwiefern es deutschen Interessen dient, wenn dereinst eine Pipeline unter US- Kontrolle von Kasachstan an den indischen Ozean führt.

Aber leider, zu spät. Vielleicht hat Köhler im gut bezahlten Ruhestand die Gelegenheit das Grundgesetz und die UNO- Charta zu lesen und sich ein paar Gedanken zu machen über Heuchelei, Opportunismus und andere Prinzipien demokratischer Parteien.

Köhlers Fehler war, die Wahrheit zu sagen. Union und FDP suchen jetzt einen Nachfolger, dem so etwas nicht mehr passieren wird.

Mehr Informationen: http://www.afghanistankampagne.de

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