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Zurück zum BGS – am Grundgesetz vorbei12.03.2010

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Keine Polizisten für Bahnhofsreviere – dafür Pläne zum Aufbau deutscher Gendarmerieeinheiten für Auslandseinsätze Von René Heilig

Bei der Bundespolizei fehlen an vielen Orten Beamte für Streifen in den Bahnhöfen und Zügen. Das geht aus einem Prüfbericht des Bundesrechnungshofs (BRH) hervor. Zugleich jedoch stellt man Überlegungen zum Aufbau spezieller Gendarmerie-Einheiten der Bundespolizei an, die im Ausland zum Einsatz kommen sollen.

Die Situation wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Laut Gewerkschaft der Polizei sind bei der Bundespolizei 1800 Stellen nicht besetzt. Man hetzt die Hundertschaften von Demonstrationen zu Fußballspielen, verlangt Airport-Sonderschichten. Dazu hat man rund 1000 der insgesamt 33 000 Beamten abgestellt für Auslandseinsätze. Auch deshalb sind bei mehr als einem Viertel der 121 Bundespolizei-Bahnreviere so wenige Beamte im Einsatz, dass »eine durchgängige Streifenbildung und Besetzung der Wache nicht sichergestellt werden kann«, zitiert die »Süddeutsche Zeitung« aus dem BRH-Prüfbericht. Die Bundespolizei darf und mag das nicht kommentieren.

Zwei Optionen

Dabei besteht Handlungsbedarf. Die Zahl der Gewalttaten im öffentlichen Raum stieg deutlich an. Gefährliche und schwere Körperverletzungen stiegen 2008 gegenüber dem Vorjahr um 9,1 Prozent auf 72 904 Fälle. Natürlich denkt man auch im zuständigen Bundesinnenministerium über das Thema Bundespolizei und Gewalt nach – allerdings örtlich verlagert. Es geht um einen robusteren Einsatz von Polizisten im Ausland. Auf der Anfang des Jahres in London veranstalteten Afghanistan-Konferenz vereinbarten die NATO-Staaten eine erweitere Ausbildung afghanischer Polizisten. Dazu gehört auch, dass die demnächst auf 200 Mann aufgestockten deutschen Ausbilder mit ihren »Lehrlingen« in den Einsatz gehen. Doch in Afghanistan herrscht – nun auch regierungsoffiziell anerkannt – Krieg.

Die Sicherheitslage verhindert eine zivilgesellschaftliche Ausbildung. Statt Schutzmännern möchte die Regierung in Kabul zudem lieber paramilitärische Polizeieinheiten. Auch die USA und Frankreich dringen seit dem NATO-Gipfel 2009 in Straßburg verstärkt auf solche Formationen, die auch in punkto Eigensicherung unübersehbare Vorzüge aufweisen.

Doch Deutschland hat eine »Fähigkeitslücke«. Anders als die acht EU-Partner Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Niederlande, Bulgarien, Rumänien und Polen ist die Gendarmerie hierzulande abgeschafft. Um jedoch in Afghanistan – wie in anderen »Stabilisierungseinsätzen« – bestehen zu können, werden intern zwei Optionen durchgespielt. Erstens: Man erweitert die Feldjägereinheiten der Bundeswehr, bringt den Soldaten mehr polizeiliches Handwerk bei. Zweitens: Man modelt Einheiten der Bundespolizei – zunächst die zwei Auslandshundertschaften in St. Augustin – zur Gendarmerie um. Damit hätte man, was 1994 abgeschafft wurde – eine Art BGS.

Mit dem Bundesgrenzschutz hatte die alte Bundesrepublik schon einmal das – ob historischer Erfahrungen – ins Grundgesetz geschriebene faktische Trennungsgebot von Militär und Polizei unterlaufen. Ab 1951 war der BGS eine Art Ersatzarmee. Noch ein Dutzend Jahre nach der deutschen Vereinigung war der Grenzschutz militärisch potent.

Verfassungsretusche

Stehende Polizeieinheiten, am besten im Umfeld der GSG-9-Elite, militärisch gedrillt und mit schwereren Waffen ausgerüstet – warum sollte so eine kleine Grundgesetz-Retusche nicht noch einmal funktionieren? Zumal die neue »BGS-Gendarmerie« nicht im Geltungsgebiet des Grundgesetzes operiert. So würde es Deutschland auch leichter fallen, die 2004 getroffene EU-Vereinbarung zu erfüllen, nach der sich die 27 EU-Staaten ein Polizeiheer von 5761 Mann gönnen. 1400 davon müssen innerhalb eines Monats weltweit einsetzbar sein.

Intern prüft man im Bundesinnen- wie im Verteidigungsministerium geräuschlose Gendarmerie-Gründungsmöglichkeiten. Eine Studie der (Regierungsvordenker-) Stiftung Wissenschaft und Politik zeigt, wie es gehen könnte.

Quelle: NEUES DEUTSCHLAND vom 12.03.2010

Mehr Informationen: http://www.dfg-vk.de/thematisches/militaristische-traditionspflege

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