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Süddeutsche Zeitung: Private Militärfirmen - Krieg als Geschäft13.01.2010

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Zwischen Illegalität und Immunität: Private Militärfirmen erleben einen weltweiten Boom. Die Söldner kämpfen in einer rechtlichen Grauzone. Die Toten erscheinen in keiner offiziellen Statistik.
Von Hans Leyendecker

Bei einer Anhörung im US-Kongress zum Fall Blackwater stellte der demokratische Abgeordnete Dennis Kucinich eine im Kern einfache Frage: "Ist das Verteidigungsministerium bereit, strafrechtliche Schritte gegen Angehörige von Mitarbeitern privater Militärfirmen einzuleiten, die im Verdacht stehen, einen Zivilisten in gesetzeswidriger Weise getötet zu haben?"

Die Antwort des leitenden Pentagon-Mitarbeiters fiel sehr knapp aus: "Ich kann diese Frage nicht beantworten." Kucinich antwortete: "Sehr interessant. Diese privaten Einsatzkräfte kommen demnach bei Mord ungeschoren davon. Sie unterstehen also nicht dem Gesetz, sondern haben einen Freibrief für ungesetzliches Handeln."

Der Dialog liegt ein paar Jahre zurück, aber das Problem ist geblieben: Der Einsatz privater Sicherheitsfirmen in Kriegsgebieten spielt sich oft in einer völkerrechtlichen Grauzone ab. Im Zeitalter des Outsourcing des Krieges ist an vielen Orten auch die Zuständigkeit für Recht und Gesetz ausgelagert worden. Gleichzeitig wird das staatliche Gewaltmonopol von Staaten ausgehöhlt, die auf private Eingreiftruppen setzen.

Immunität vor dem Gesetz

Krieg als Geschäft ist nichts Neues. Söldner kämpften schon für die alten Römer. Erst mit der Geburt der Nationalstaaten verschwanden die Söldnerheere allmählich. Heute gilt die Haager Landkriegsordnung: Nach Artikel 1 ist es nur Streitkräften, Milizen und Freiwilligenverbänden erlaubt, unmittelbar an Kampfhandlungen teilzunehmen. Sie sind Kombattanten, sofern sie einer verantwortlichen Führung unterstehen, Erkennungszeichen und Waffen offen tragen und sich an die Gesetze des Krieges halten. Was aber als unmittelbare Teilnahme zu gelten hat, ist umstritten.

Angehörige privater Militärfirmen sind nicht in die militärische Kommandokette eingegliedert, gehören nicht den Streitkräften an und haben eigentlich den Status von illegal an Kampfhandlungen teilnehmenden Zivilisten. Als Nichtkombattanten unterstehen sie nicht den Militärgerichten. Im Irak gilt für Militärfirmen wie auch für US-Streitkräfte Immunität vor dem irakischen Gesetz.

Weltweiter Boom

L. Paul Bremer hatte als Zivilverwalter des Irak im Jahr 2004 mit der Order 17 den privaten Militärs im Irak völlige Straffreiheit zugesichert. Blackwater wiederum reklamierte als Teil der Gesamtstreitmacht zivilrechtliche Immunität in den USA. Firmenchef Erik Prince erklärte, seine Söldner seien nur "unserem Land gegenüber verantwortlich". Zwar wurde 2007 bei einer Gesetzesvorlage der Passus eingeführt, dass private Militärfirmen in Kriegsgebieten den Militärgerichten unterstellt würden, doch das US-Militär hat nur selten Überblick über die Lage.

Private Militärfirmen (PMF) erleben weltweit einen Boom. Angeblich gibt es mehr als 2200 private Militärunternehmen, ihr Jahresumsatz soll bei 220 Milliarden Euro liegen. Diese Zahlen sind grobe Schätzungen. Gegner wie Befürworter der PMF haben ein Interesse, möglichst große Zahlen zu verbreiten. Die rechtliche Grauzone ist systemimmanent. Mitglieder solcher Eingreiftruppen sollen in staatlichen Statistiken nicht erscheinen. Ihre Toten sind keine toten Soldaten, ihre Morde sind keine normalen Morde. Und Recht ist nicht Recht.

(Quelle: SZ vom 13.01.2010)

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