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Guttenberg-Blitztrip nach Afghanistan - Nach Kritik verreist11.12.2009

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Berlin. "Ich habe eine Fehleinschätzung vorgenommen am 6. November und dies auch öffentlich eingestanden". Dass ein Politiker offen auf seine Kritiker eingeht - das sei selten, sagt Karl-Theodor zu Guttenberg.

Der Verteidigungsminister sitzt am späten Donnerstagabend in der ZDF- Fernsehrunde "Maybrit Illner" und spricht mit Respekt über die Rede von US-Präsident Barack Obama zu seinem Friedensnobelpreis, in der es viel um Krieg ging. Um den Krieg in Afghanistan.

Guttenberg kritisiert auch die Debatte über den verheerenden Luftschlag Anfang September im afghanischen Kundus als etwas "hysterisch". Ausdrücklich stellt der Minister sich erneut hinter den für den Angriff verantwortlichen Oberst Georg Klein. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Das Entscheidende sei, den Menschen in Afghanistan den Weg in eine friedliche Zukunft zu ebnen.

Die Zuschauer ahnen nicht, dass der CSU-Politiker direkt im Anschluss an die Live-Sendung ins Flugzeug steigt: nach Afghanistan. Auch ihm geht es um Krieg und Frieden.

Der Minister reist direkt nach Kundus im Norden des Landes, um den dort stationierten deutschen Soldaten persönlich zu erklären, warum er den Luftangriff vom 4. September mit weit über 100 Toten und Verletzten erst als richtig und dann als falsch bezeichnete. Der Weg in dieses Feldlager ist für Guttenberg nicht nur im Wortsinn lang und steinig.

Gerade im Amt hatte er am 6. November die von einem deutschen Oberst angeordnete Bombardierung zweier von Taliban gekaperter und in einem Flussbett steckengebliebener Tanklastwagen trotz Verfahrensfehlern militärisch angemessen genannt. Bei Soldaten kam das gut an - vom Feldwebel bis zum General. Hatte sich ihr neuer oberster Dienstherr doch trotz dieser extrem schwierigen Lage gleich quasi als "einer von ihnen" gezeigt.

Doch dann tauchten kritische Berichte der Bundeswehr auf, von denen Guttenberg nach eigenen Angaben bis dahin nichts wusste. Er machte eine 180-Grad-Wende. Aus "militärisch angemessen" wurde in der vorigen Woche "militärisch nicht angemessen".

Seither wartet die Opposition auf die Begründung für die Neubewertung. Gegen die Kritik, dass er vor der Wende den Rot-Kreuz-Bericht zum Angriff schon kannte, erklärt der Verteidigungsminister: "Meine Lesart (des Rot-Kreuz-Berichts) war die, dass es nicht völkerrechtskonform gewesen sein könnte", betonte Guttenberg. Wie der Angriff letztlich zu bewerten ist, müsse nun von der deutschen Justiz geklärt werden.

"Tod nie wieder gutzumachen"

Ohne Medien, dafür im Beisein der Obleute der Bundestagsfraktionen, will Guttenberg nun den Soldaten von Angesicht zu Angesicht seine Gründe nennen. Der ARD sagt der Minister vor seinem Abflug, Zivilisten sei "fürchterliches Leid" widerfahren. Wiedergutmachung sei in diesem Zusammenhang ein unzutreffendes Wort.

Tod werde man "nie wieder gutmachen können". Er verspricht schnelle, unbürokratische und der afghanischen Kultur gerecht werdende Gespräche über die Entschädigung. Die Verhandlungen würden keinen "langen Weg in Deutschland" gehen.

Guttenberg betont zugleich, mit seinem Besuch in Kundus wolle er die Botschaft senden, dass er als Verteidigungsminister und auch der Großteil der Bevölkerung hinter den Soldaten und dem Einsatz in Afghanistan stehe. Allerdings lehnt die Mehrheit der Deutschen die Militärmission nach Umfragen ab.

Die Bundesanwaltschaft prüft derzeit, ob gegen den zuständigen Oberst Klein ein Verfahren eingeleitet wird. Der Kommandeur des deutschen Feldlagers, Oberst Klein, soll von fünf Offizieren und Unteroffizieren der Taskforce bei der Aktion beraten worden sein. Der Bundeswehrverband wertet das als Entlastung: Die Beteiligung der KSK korrigiere den Eindruck, als sei "Klein ganz allein gewesen", sagte Verbandschef Ulrich Kirsch dem "Kölner Stadtanzeiger". "Das hat einen für Klein entlastenden Charakter."

"Das macht mich krank"

Bei Maybrit Illner sitzt am Vorabend des Abflugs auch der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Afghanistan-Kenner Jürgen Todenhöfer. Er kritisiert scharf, dass Guttenberg den Angriff, durch den zahlreiche Menschen verbrannt seien, zunächst als militärisch angemessen bezeichnete. "Das macht mich krank", sagt Todenhöfer erregt.

Er verlangt einen "echten Friedensplan". Dazu gehörten Entwicklungshilfe - begleitet von militärischer Stabilisierung, Gespräche mit Afghanistans Nachbarstaaten und Verhandlungen mit den Taliban.

Und noch ein Politiker sitzt in der Runde. Egon Bahr, der langjährige außenpolitische Stratege der SPD und Vertraute von Willy Brandt. Der inzwischen 87-Jährige analysiert schonungslos. Die Deutschen hätten zu Beginn des internationalen Afghanistan-Einsatzes 2002 die Illusion gehabt: "Die Amis machen die Sache mit den Waffen und wir machen die Sache mit dem Aufbau und dem Frieden. De facto befinden wir uns aber in einem Krieg - den wir so nicht nennen. Doch dieser Krieg ist nicht gewinnbar."

Das hätten die Russen bei ihrem Krieg in Afghanistan eher erkannt als die internationale Gemeinschaft heute, sagt Bahr. Er mahnt, Politiker in Deutschland leisteten einen Eid auf die Verfassung, nicht auf die Nato. Wenn ihnen klar sei, dass sie in Afghanistan den falschen Weg gewählt hätten, müssten sie umkehren.

Opposition will Information

Die Opposition verlangt vom Verteidigungsminister mehr Aufklärung über den verheerenden Luftschlag in Afghanistan. Die Linke pocht darauf, den zuständigen Obleuten im Bundestag sofort und nicht erst im geplanten Untersuchungsausschuss zur Kundus-Affäre weitere Informationen zu geben. Ähnliche Forderungen kamen von den Grünen und der SPD. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages soll die Kundus- Affäre durchleuchten. Er konstituiert sich am Mittwoch (16.12.).

Die Kundus-Affäre belastet die Regierungsarbeit seit Wochen. Wegen seiner Informationspolitik als Verteidigungsminister war bereits Franz Josef Jung (CDU) von seinem neuen Amt als Bundesarbeitsminister zurückgetreten. Zudem wurden Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert entlassen. (dpa/ddp)

Quelle: http://www.fr-online.de/top_news/2136326_Guttenberg-Blitztrip-nach-Afghanistan-Nach-Kritik-verreist.html

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(heutige Umfrage bei der Frankfurter Rundschau)
Ist Obamas Afghanistanstrategie sinnvoll?

US-Präsident Barack Obama nimmt heute in Stockholm den Friedensnobelpreis entgegen. Kurz nachdem bekannt wurde, dass das Nobelkommitee ihn als Preisträger auserkoren hatte, gab er seine Afghanistanstrategie bekannt: Sofortige Aufstockung der US-Truppen um 30.000 Mann. Abzug der Truppen ab 2011. Doch dafür steht er nun mehr denn je in der öffentlichen Kritik. Glauben Sie, dass Obamas Strategie der Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis gerecht wird?

Ja, denn er wird seine Truppen bald aus Afghanistan abziehen.
Nein, die Truppen um 30.000 Mann aufzustocken, bedeutet mehr Tote und ist sinnlos.
Ist mir egal, in Afghanistan herrscht so oder so seit Jahrzenten Krieg.

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Mehr Informationen: http://www.afghanistankampagne.de

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