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„Die Bundeswehr muss Helden produzieren“18.07.2009

http://www.geloebnix.de

Über tausend Soldaten werden am kommenden Montag in Berlin ein Gelöbnis abhalten. Dass sie das vor dem Reichstag machen, zeige den Willen der Bundeswehr, die Gesellschaft zu militarisieren, sagt der Friedens-Aktivist Frank Brendle im Interview mit der utopia.

Frank Brendle ist Geschäftsführer des Landesverbands Berlin-Brandenburg der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und organisiert den Gelöbnix-Protest in Berlin mit.

utopia: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am letzte Woche Montag zusammen mit Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU) die ersten Ehrenkreuze der Bundeswehr für Tapferkeit an Soldaten verliehen. Warum gibt es auf einmal wieder solche Auszeichnungen, dass erinnert doch stark an längst vergangene Kriegsepochen?

Frank Brendle: Je mehr die Bundeswehr in die Kritik kommt – beispielsweise durch den Einsatz in Afghanistan – desto mehr ist die Armee darauf angewiesen, vorzeigbare ‚Helden’ zu produzieren. Die deutsche Armee befindet sich derzeit in einer Propaganda-Kampagne: das ‚Ehrenmal’ der Bundeswehr wird am Verteidigungsministerium gebaut, am 20. Juli soll ein Gelöbnis vor dem Reichstag stattfinden und auch die Einführung des Ehrenkreuzes für Tapferkeit gehört zu dieser Kampagne. Das deutet alles daraufhin, dass die Bundeswehr versucht, Anerkennung in der Gesellschaft und damit auch für ihren Umbau zur Angriffsarmee zu erhalten.

Das Gelöbnis am kommenden Montag, dem 20. Juli, haben Sie schon angesprochen – wie genau läuft so etwas ab?

Über eintausend Soldaten werden anwesend sein. Von denen sprechen vierhundert das Gelöbnis. Dabei handelt es sich um Wehrpflichtige, die erst vor wenigen Wochen von der Bundeswehr eingezogen wurden und für das Gelöbnis offiziell in die Pflicht genommen werden. Die anderen sechshundert Soldaten werden aus Ehrenkompanien bestehen – auch ein Blasmusik-Orchester der Bundeswehr wird anwesend sein. Dazu kommen zahlreiche Militärpolizisten und über 2000 Ehrengäste – die breite Öffentlichkeit wird jedoch ausgesperrt. Obwohl die Bundeswehr öffentlichen Raum besetzt wird die Bevölkerung ausgeschlossen.

Vor zwei Jahren fand das Berliner Gelöbnis noch hinter den Mauern des Verteidigungsministeriums statt – warum marschieren die Soldatinnen und Soldaten seit letztem Jahr wieder vor dem Reichstag?

Das hängt vor allem mit der schon angesprochenen Propaganda-Kampagne zusammen. Die Bundeswehr will sich wieder in den Vordergrund schleichen. Der Reichstag wird auch als Symbol für die Gesellschaft genommen – und dieser der Gesellschaft will die Bundeswehr ihren militärischen Stempel aufdrücken. Sinnbildlich gesprochen, will sie ihren Stiefelabdruck auf dem Reichstagsrasen hinterlassen. Die deutsche Armee strebt nach Ruhm und Anerkennung. Dabei stellt sie sich in die Tradition ihrer Vorgängerarmee. Schon die Wehrmacht marschierte im Nationalsozialismus für Gelöbnisse in der Öffentlichkeit auf. Auch in der Form stellt sich die Bundeswehr dabei in die Linie der Wehrmacht – der Aufmarsch ist immer sehr pompös mit Pauken und Trompeten.

Das Militärspektakel gefällt aber nicht allen Menschen – welche Protestaktionen sind geplant?

Es sind vielfältige Proteste in Vorbereitung. Wir erhoffen uns dadurch, dass die Bundeswehr wieder aus ihrer Kaserne herauskommt, einen deutlichen Motivationsschub auch für die Anti-Militaristinnen und Anti-Militaristen. Die zivile Öffentlichkeit wird sich den Aufmarsch vor dem Reichstag hoffentlich nicht gefallen lassen. Es soll zwei Demonstrationsrouten geben, die noch bekannt gegeben werden. Außerdem kann sich jeder Einzelne etwas Eigenes einfallen lassen. Es ist zum Beispiel bekannt, dass sich die Bundeswehr samt Gästen vorher im Verteidigungsministerium treffen wird – von dort müssen alle über eine eingeschränkte Zahl von Verkehrswegen zum Reichstag gelangen. Wir werden versuchen, sie dabei abzupassen.

Interview: Michael Schulze von Glaßer

Quelle: http://www.jugendzeitung.net/nationalismus-und-patriotismus/%E2%80%9Edie-bundeswehr-muss-helden-produzieren%E2%80%9C/

Mehr Informationen: http://www.geloebnix.de

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