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Koalition: »Kriegsverrat« bleibt Kriegsverrat14.05.2009

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SPD kuscht (noch immer) vor Union, doch selbst Jung will nun Aufhebung der NS-Rechtsprechung

Von René Heilig
Fast wäre die SPD mutig geworden. Wie die Bundestagsfraktionen von Linkspartei und Grünen wollte sich nun auch die der SPD zur Aufhebung der von Wehrmachtsrichtern ausgesprochenen Urteile wegen Kriegsverrates bekennen. Doch gestern wurde das Thema erneut mit schwarz-roter Mehrheit von der Tagesordnung des Rechtsausschusses abgesetzt.

Ungarn, Mai 1944. Ein deutscher Soldat versucht, 13 Juden in die Freiheit zu schmuggeln. Die Flucht wird entdeckt, der Soldat wegen Kriegsverrat zum Tode verurteilt. Stettin, Februar 1944. Der Soldat Josef Salz wird wegen Kriegsverrat erschossen. Nazi-General Hoernlein: »So ergeht es jedem, der dem Führer die Treue bricht! Wer durch Feigheit sein Leben erhalten will, stirbt den Verbrechertod!« Die Urteile haben Bestand. Auch 64 Jahre nach Kriegsende.

Rund 30 000 Deserteure, Verweigerer und Kriegsverräter wurden von Hitlers Justiz zum Tode verurteilt, 20 000 hat man hingerichtet. 2002 hatte das Parlament die Urteile gegen Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aufgehoben, die Kriegsverräter wurden bewusst ausgeklammert. Es gab seither Dutzende Gespräche, Expertenanhörungen, öffentliche Debatten, »um einen Konsens des Anstandes und des Rechts« unter den Parlamentsparteien zu erreichen, sagt der linke Innenpolitiker Jan Korte, dessen Fraktion einen entsprechende Gesetzentwurf seit dreieinhalb Jahren vorlegt.

In dieser Woche hat sich eine neue Chance geboten. Da die Koalitionsparteien sich nie und nimmer einer Gesetzesinitiative der LINKEN anschließen wollen, haben Experten der Union und der SPD einen eigenen »Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege« aufgeschrieben. Dem könnten die Linksabgeordneten zustimmen, um endlich zum Ergebnis zu kommen. Doch bereits beim Koalitionstreffen am Dienstag zog sich die Union auf ihre Position »Einzelfallprüfung« zurück. Und so wurde das Thema, das von den Linksgenossen am Mittwoch auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses gesetzt worden war, gestern mit Koalitionsmehrheit »weggestimmt«.

Nicht nur LINKE und Grüne sind empört, auch die SPD-Genossen fühlen sich vorgeführt und überlegen inzwischen ernsthaft, ob sie nicht – in dieser nicht koalitionsgefährdenden Frage – mit den Oppositionsparteien gegen den Regierungspartner stimmen sollen. Zumal von maßgeblicher Seite aus der Union bereits Einverständnis mit der Gesetzesänderung zu vernehmen war. Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) hatte am 28. April einen entsprechenden Brief an Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) (siehe Faksimile) geschrieben. Er meint , dass es in Sachen Gesetzesänderung in rechtlicher Hinsicht »von hier aus keine Vorbehalte dagegen gibt«. Grund für diesen Sinneswandel ist auch ein Gutachten von Professor Hans Hugo Klein, einem ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht. Der CDU-Mann weist detailliert nach, dass der Kriegsverratsparagraf im Militärstrafgesetzbuch der Nazis mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar gewesen sei.

Der gestrige Versuch, sich doch vor Recht und Anstand zu drücken, hat allerdings einen Haken. Nun muss der Rechtsausschuss über die Absetzung des Themas dem gesamten Parlament Bericht erstatten. Die Folge: Eine kurze, doch öffentliche Debatte im Plenum. Sie wird vermutlich am 29. Mai zu führen sein.

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/148816.koalition-kriegsverrat-bleibt-kriegsverrat.html

Mehr Informationen: http://www.dfg-vk.de/thematisches/militaristische-traditionspflege/2008/315

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