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Bericht aus Jerusalem16.01.2009

palästinensichen Friedensdemo in Nablus am 27.12.2008 Foto-Gerd Greune

Der ehemalige Vorsitzende der DFG-VK Gerd Greune lebt zur Zeit in Jerusalem und hat den Krieg ausder Nähe mit erlebt. Er schickte uns nachfolgenden kurzen Bericht aus Jerusalem

Ich wohne seit Sommer vergangenen Jahres in der Abu Tur Street in Ost-Jerusalem. Dieser Stadtteil wurde von Israel annektiert. Dies ist völkerrechtlich nicht anerkannt. Hier wohnen zumeist Palästinenser. Unser Haus gehört einem palästinensischen Zahnarzt, dessen Familie mehrere Häuser und Wohnungen in Jerusalem an den israelischen Staat entschädigungslos verloren hat. Um seine Zahnarztpaxis im 40 km entfernten Jericho aufzusuchen, braucht er von der israelischen Armee eine Sondergeehmigung. In diesen Tagen des Krieges sind die israelischen Fahnen vom Nachbarhaus, indem "Siedler" wohnen, entfernt worden. Vor der Tür und in der Straße patrouillieren israelische Soldaten und es gibt hin und wieder eine Polizeisperre. Vor allem heute am Freitag warnen die Medien vor Demonstrationen gegen den Krieg im Gaza.

Es ist wie immer: die englischsprachigen Zeitungen sind voll mit Erfolgsmeldungen und regierungsamtlichen Erklärungen zum Gazakrieg. Kein Zweifel: Hier sind fast alle jüdischen Mitbürger für den Krieg. Die anderen haben sowieso nichts zu sagen und sind im Zweifel Kriegsgegner. Arabische Parteien wurden dieser Tage von den Wahlen ausgeschlossen, da sie Terroristen unterstützen. Wer Gegen dne Krieg ist, kann schnell als Freund von Terroristen verurteilt werden.

Die Bombardements sind 80 km Luftlinie entfernt. Krieg ist hier für die Palästinenser seit 60 Jahren. Gemordet wurde in regelmäßigen Abständen. Die meisten Opfer sind immer Zivilisten, viele Kinder. Der Propagandakrieg ist zynisch. In den Cafés von Nablus und Ramallah und bei unseren arabischen Freunden läuft den ganzen Tag Life-Berichterstattung über Al-Jazeera TV. Die Leute sind verzweifelt, weil sie ihre Ohnmacht kennen. Internationalen Druck auf Israel gibt es immer nur, wenn Zivilisten sterben und getötete Frauen und Kinder in Fernsehen kommen. Das ist seit Jahren so und wiederholt sich in regelmäßigen Abständen.

Die Straßen zur Schule meiner Kinder sind heute leer, weil für die Palästinenser Sonntag ist. Am Russian Compound, einem Polizeihauptquartier stehen mehr Soldaten mit der Waffe im Anschlag als gewöhnlich. Hier wurde der Vater meines Freunde Khaled vor 40 Jahren von israelischen Sicherheitskräften zu Tode gefoltert. Heute ist Samstag für die jüdische Bevölkerung, die morgen ihren Schabatt feiert. In Jerusalem sind dies zu 60% orthodoxe Juden mit ihren bekannten Hüten. Sie sind wegen ihres Glaubens nicht militärdienstpflichtig. Dafür unterstützen Sie, das Israel das ganze Gebiet israelischer Geschichte erobert, das nur Juden gehören darf. Manche Straßen im jüdischen Viertel sind heute gesperrt, um die Anschlagsgefahr zu verringern.

Die Menschen im Gaza leben seit fast vier Jahren hinter Stacheldraht und Mauern. Zu Weihnachten sind rund 4000 Christen für eine Besuch Bethlehems herausgelassen worden. In Nablus und hebron bruachen die einwohner ebenfalls eine Sondergenehmigung der Beatzungsmacht, um ihre Stadt zu verlassen. Als wir am 27.12., dem Tag des Kriegsbeginns, Nablus verlassen, ist bereits Alarmzustand in der Westbank und Reiseverbot für Ausländer. Mit den Palästinensern in Nablus demonstrieren wir gegen den Gazakrieg. (Foto) "Stop den Holocaust" steht da in englisch. Gaza sei ein Konzentrationslager. 1.2 Millionen Menschen können vor den Bomben im Gaza nicht wegrennen, stehen mit ihren Häusern und Geschäften zwischen den kämpfenden Parteien und sind Geiseln beider Seiten. Das ist eine neue Form von Terror gegen die Zivilbevlkerung, wie es sie so hier noch nicht gab..

Es ist das erste Mal, dass ich Kriegswahlkampf erlebe. Gewählt ist, wer den größten militärischen Erfolg verspricht und vorweist. Alle Regierungschefs in der Geschichte Israels waren bisher erfolgreiche Kriegsherrn gewesen. In Israel herrscht seit Staatsgründung Angst. Und die Wortführer der Israelgegner tun alles, um diese Angst zu schüren und zu vergrößern. Da hatten wir auch in den Propagandaschlachten Europas während des Kalten Krieges. Jetzt hoffen viele Palästinenser auf den neuen amerikanischen Päsidenten Obama, fast hoffen sie auf ein Wunder. Ein Waffenstillstand muss her, denke ich, damit überhaupt wieder für die geschundenen Menschen im Gaza Hoffnung eingekehrt. Unter den Trümmern der Ruinen werden noch viele Leichen geborgen werden müssen, die das Fernsehen nicht erfasste. Hoffentlich können nach einem Waffenstillstand schnell Hilfsorganisationen und unabhängige Beobachter in dieses Gebiet.

Gerd Greune, Jerusalem
16.01.2009

Mehr Informationen: https://www.dfg-vk.de/thematisches/aktuelle-kriegsgebiete/0000/28

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