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Frankfurter Rundschau: Frieden, made in Offenbach12.12.2008
Der Verein Connection betreut Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus aller Welt. VON PETRA MIES
Was für ein schöner Anruf. Endlich. Rudi Friedrich lächelt breit, schnauft aus wie nach einem langen Aufstieg auf einen Berg, der aus Behördenpapieren bestand. Geschafft. Es hat zwölf Jahre gedauert, es war ein langer Kampf. Und: "Es hätte auch ganz anders ausgehen können."
Tage wie diese sind es, für die sich Friedrich und die anderen Connection-Mitarbeiter einsetzen. Zehn Engagierte bilden den Kern, sämtlich ehrenamtlich außer Friedrich, die sich einmal pro Woche in der Offenbacher Altbauwohnung treffen. An den anderen Tagen arbeiten sie zu Hause für den Verein, wann immer es geht.
Angerufen hat ein türkischer Kriegsdienstverweigerer, der endlich weiß, dass er bleiben darf, der endlich einen deutschen Ersatzpass und das Aufenthaltsrecht bekommen hat. Weil den Mann das, wie Friedrich sagt, "davor bewahrt, in einen Krieg zu ziehen, den er nie wollte, und weil er überhaupt nie zum Militär wollte".
"Just say no", lautet ein Slogan von Connection. In so vielen Ländern ist es allerdings alles andere als einfach, "Nein" zum Krieg zu sagen. Wer verweigert oder desertiert, muss mit Konsequenzen rechnen, die Gefängnis oder Schlimmeres bedeuten - etwa Folter. In den USA, wo wie vielerorts die unehrenhafte Entlassung aus dem Militär einer Vorbestrafung gleicht und jegliche Perspektive löscht, reicht das zumindest juristisch bis zur Todesstrafe.
Friedrich und die anderen Aktivisten betreuen Kriegsdienst-Flüchtlinge aus vielen Ländern, sie starten Solidaritätsaktionen, leisten Lobbyarbeit. Sie informieren und arbeiten im Netzwerk mit Partnerorganisationen in Kolumbien, Serbien und zig anderen Staaten zusammen. Unermüdlich, seit 15 Jahren schon, stets alles global im Blick. Frieden, made in Offenbach. Nie wieder Krieg.
Ein vergleichsweise kleiner Verein am Main schafft immer wieder Schlagzeilen - wie kürzlich mit dem ersten US-Verweigerer, der in Deutschland um Asyl nachsuchte. Connection stellt die Flüchtlinge in den Vordergrund. Doch was treibt die Menschen dahinter? Sind die so nahen finanziellen Krisen nicht längst interessanter als die kriegerischen in Afrika, Südamerika und sonst wo?
Es klingelt. Friedrich eilt zur Tür. Im langen Flur stapeln sich Pakete. Material zum Verschicken für die nächste Fundraising-Aktion. Nur mit Hilfe der vielen kleinen Spenden kann Connection überhaupt weitermachen.
Friedrich begrüßt Karin Fleischmann und Franz Nadler, den Vorsitzenden. Doch Vorstands-Gedöns ist ihnen gleichgültig, weshalb sie sich auch von der Deutschen Friedensgesellschaft trennten. Nicht, weil sie deren Arbeit nicht schätzten, sondern weil sie sich ausschließlich um Kriegsdienstverweigerer aus anderen Ländern kümmern wollten. So kam es zum eigenen Verein.
"Warum erschießen sich Leute?", fragt ein Aktivist
Franz Nadler, 52, Diplom-Pädagoge, sagt: "Schon als Kind war es mir unvorstellbar, warum es Krieg gibt. Warum erschießen sich Leute? Ich habe keine Antworten bekommen. Als ich 16 war, kamen Offiziere zu uns in die Schule, die meisten Jungen waren geblendet von den Uniformen und wollten hin. Ich war geschockt. Kalter Krieg war damals, später bin ich nach Russland gefahren, weil ich den Zweiten Weltkrieg überwinden wollte, und erlebte, das sind keine Feinde, die Menschen sind freundlich. Ich habe den Kriegsdienst verweigert und wollte bei diesem Thema aktiv bleiben."
Karin Fleischmann, 44, Erzieherin und Diplom-Soziologin: "Schon beim Studium in München kam ich durch eine Freundin zum Frauenarbeitskreis der Friedensgesellschaft. Krieg ist ein Verbrechen. Für mich war auch die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte wichtig, speziell die der Frauen im Krieg. Als ich nach Frankfurt kam, war ich froh, dass Connection entstand. Bei uns gibt es keine Machtkämpfe, es geht um Inhalte und die Betroffenen."
Rudi Friedrich, 45, Maurer und Soziologe: "Ich habe Anfang der 80er Jahre den Kriegsdienst verweigert, seither engagiere ich mich. Für mich zählt konkrete Arbeit mit konkreten Menschen."
Sie kommen alle aus der Friedensbewegung. Achtziger Jahre, als es mehr als drei Dutzend Kriege gab, als es in Südafrika brannte, der Erste Golfkrieg tobte, später dann auf dem Balkan und in so vielen anderen Regionen das Blut floss. Lange her und doch nach wie vor hochaktuell. Der Krieg als der böse Vater aller Dinge.
Anfang der neunziger Jahre waren 100 US-amerikanische Soldaten in Deutschland abgetaucht. Um die GIs zu betreuen, ließen die hessischen Aktivisten, damals noch ohne eigenen Verein, sogar Rechtsanwälte nach Frankfurt kommen. "Das war ein ziemlich großer Aufwand", sagt Friedrich. "Aber der hat sich gelohnt."
Beklemmend ist der psychische Zustand
Solches Engagement hat für Connection bis heute keinen Friedenstauben-Bart. Im Gegenteil. Karin Fleischmann erzählt von Frauen in Belgrad, die wie in so vielen Kriegen unfassbaren Mut bewiesen, die demonstrierten, die immer wieder Deserteure versteckten und mehr - Risiko des eigenen Lebens für das anderer.
Sie, Nadler und Friedrich wissen viel von Kämpfern und Opfern. Manches sehen sie falsch vermittelt. Israel etwa, stets als Land dargestellt, in dem Volljährige lustig zum Militär gehen. "Falsch", lautet das Urteil. Friedrich: "Die Widerstände sind enorm."
Besonders beklemmend sei der psychische Zustand der Armee-Aussteiger. "Ein Mensch, der sich vom Militär gelöst hat, kann auch völlig zusammenbrechen", sagt Nadler. Diesen Frauen und Männern geholfen zu haben und sie mitunter dann später als gesundete Persönlichkeiten wiederzutreffen, sei das Schönste. Nadler: "Es geht darum, welche Lösungsmöglichkeiten unsere Phantasie für Konflikte entwickelt. Fällt uns nicht mehr in der Welt dazu ein, als eine Knarre zu ziehen?"
Connection e.V.
Der 1993 gegründete Verein mit Sitz in Offenbach hat 200 Mitglieder. Mehr als 2000 Menschen hat Connection geholfen und bei seinem Engagement für Kriegsdienstverweigerer mit Partnerorganisationen in mindestens 30 Ländern kooperiert. Umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung auf internationaler Ebene ist Ziel des Vereins.
Verweigerer müssen oft flüchten. Connection fordert, das als Asylgrund anzuerkennen. Ausgezeichnet ist Connection 1996 mit dem Aachener Friedenspreis und 2001 mit dem Siegmund- Schultze-Förderpreis.
Mehr Informationen: http://www.connection-ev.de
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