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Die »Magdeburg« meldet sich zum globalen Dienst23.09.2008

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Die zweite von fünf Korvetten der Deutschen Marine wird an fremde Küsten entlassen - nun wohl auch als »Piratenjäger« von René Heilig

Das Zeremoniell ist geübt. Das alles hat man so schon bei der Indienststellung der Korvette »Braunschweig« gesehen: Begrüßung der Gäste, Dschingtarassabumm, Reden, Hymne – und dann ist das Schwesterschiff »Magdeburg« offiziell Bestandteil der Deutschen Marine. Das ist angeblich auch dringend notwendig, denn man hat eine neue Bedrohung ausgemacht: die Piraterie.

Ein Blick in den aktuellen Jahresbericht des International Maritime Bureau (IMB) lässt alle romantischen Gedanken an Störtebecker-Festspiele oder Johnny-Depp-Freibeuter-Filme verblassen. 263 Piratenüberfälle wurden im vergangenen Jahr weltweit registriert, die Dunkelziffer der aus Angst vor Versicherungsproblemen nicht gemeldeten Fälle ist bei 50 Prozent angesetzt. Die Münchner Rück, eine Versicherung, die eigens zum Problem Piraterie einen Projektleiter eingesetzt hat, schätzt den entstandenen Schaden auf 13 Milliarden Euro. Man rechnet mit Schlimmerem.

90 Prozent des Welthandels werden über See abgewickelt. Die fortschreitende Globalisierung sichert pro Jahr einen dreiprozentigen Zuwachs der ausgetauschten Güter. 500 Schiffe sind im Auftrag deutscher Reeder unterwegs, doch auch Attacken auf andere Schiffe können die deutsche Wirtschaft treffen, die 20 Prozent ihres Welthandels über die Meere realisiert.

Und da kommt plötzlich die Bundeswehr ins Spiel. Bislang, so bedauert der Befehlshaber der Flotte, Vizeadmiral Hans-Joachim Stricker, »richten sich die Befugnisse der Deutschen Marine nach dem allgemeinen Seerecht«. Das heißt, wenn ein Schiff in Not ist, können deutsche Soldaten nicht viel tun. Jammern jedenfalls Politiker der Koalition, wollen das Grundgesetz ändern und fordern von der Marine Taten. Schließlich bekomme die tolle Schiffe geschenkt. Die Admirale melden prompt Bereitschaft. Ab Ende des Jahres könnte die Marine bereits im Rahmen einer EU-Task-Force zur Piratenjagd eingesetzt werden. Und wo? Am Horn von Afrika.

Diese Planungen sollten Verwunderung auslösen. Denn da ist die Deutsche Marine doch längst vertreten. Im Rahmen der US-geführten Anti-Terror-Operation »Enduring Freedom« war man zuerst mit einer ganzen Einsatzflottille bereit zum Terroristenfang. Doch man fand keine Terroristen, konnte keinen gefährlichen Nachschub aufbringen, beschränkte sich also weitgehend auf Aufklärung. Dann reduzierte man die Streitmacht auf eine Fregatte, derzeit fliegt nur noch ein Seeaufklärer vom Typ »Orion« seine Kreise. Doch wenn der Bundestag sich entschließen könnte, mangels Terroristen nun Piraten als Ziel deutscher Kriegsschiffe zu benennen, dann ginge es umgehend wieder mit »voller Kraft« Richtung fremde Küsten.

Und für die ist das gestern in Dienst gestellte Schiff namens »Magdeburg« gebaut worden. Als eine von bislang fünf georderten Korvetten vom Typ K-130. Die Waffen gehören zu den modernsten, aber auch teuersten, die die NATO auf See bringen kann.

Die Schiffe haben ihren Stützpunkt in Warnemünde. Was unter anderem dem Rostocker Friedensbündnis übel aufstößt. Nachdem man in Mecklenburg-Vorpommern bereits mit »Patriot«-Raketen und dem ersten »Eurofighter«-Ge- schwader »gesegnet« worden ist, lege man der Region nun auch noch eine maritime Hightech-Waffe vor die Tür. Heftig kritisieren die Antimilitaristen, die gestern mit Plakaten und Trillerpfeifen als Zaungäste erschienen sind, dass der scheidende Ministerpräsident des Landes, Harald Ringstorff (SPD), nichts Besseres zu tun hatte, als dem Korvettenverband »in enger Verbundenheit« das Fahnenband des Landes anzuhängen und zu betonen, wie wichtig die Bundeswehr und gerade die Marine als größter Arbeitgeber in der Region sind.

Anders als bei der Indienststellung der ersten Korvette im April meinte es Neptun gestern nicht so gut mit den Feiernden. Er schickte von Norden Nieselwetter zum Passagierkai in Warnemünde, wo das graue Stahlungetüm festgemacht hatte. Und als der Verteidigungsminister davon sprach, dass man auch künftig mit den Verbündeten alles unternehmen wolle, um die »Seesicherheit« zu garantieren, schoben sich schwarze Wolken über die Warnow. Doch das konnte die Stimmung von CDU-Mann Franz Josef Jung, der sich für regionale TV-Teams in den Wind stellte, nicht trüben. Vermutlich war er froh, dass man ihn hier am Meer nicht so direkt nach den Problemen mit dem Einsatz am Hindukusch fragen konnte. Denn dort wird die »Magdeburg« nicht auftauchen – dagegen steht einfach die Geografie.

http://www.rostocker-friedensbuendnis.de

Quelle:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/135965.die-magdeburg-meldet-sich-zum-globalen-dienst.html

Mehr Informationen: https://www.dfg-vk.de/thematisches/umruestung-bundeswehr/

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