Dies ist das Archiv der alten DFG-VK-Webseite. Sie war von 2007 bis 19. Oktober 2015 online. Schau Dich gern um.
Die aktuelle Seite findest Du unter www.dfg-vk.de.

junge Welt: NATO flieht vor Taliban18.07.2008

www.jungewelt.de

von Rüdiger Göbel

Bewaffnete Widerstandsgruppen machen den NATO-Truppen in Afghanistan immer mehr zu schaffen. Am Mittwoch sahen sich US-Truppen nach schweren Verlusten gezwungen, eine gerade erst errichtete Militärstellung im östlichen Grenzgebiet zu Pakistan wieder zu räumen. »Wir haben unseren Posten im Dorf Wanat aufgegeben«, erklärte NATO-Sprecher Mark Laity gestern. Rund 200 schwerbewaffnete Taliban-Kämpfer hatten sich dort am Sonntag über Stunden Gefechte mit den Besatzern geliefert. Die rund 45 US-Soldaten und 25 Angehörigen der afghanischen Hilfstruppen konnten Presseberichten zufolge nur mit Mühe verhindern, daß sie überrannt werden. Neun US-Soldaten wurden bei den Kämpfen in der Provinz Nuristan getötet, mindestens 15 weitere verletzt.

Auch in den Provinzen Kandahar und Paktia gibt es schwere Gefechte. NATO-Angaben zufolge wurden am Mittwoch »mindestens zwölf Aufständische« getötet, unter ihnen ein lokaler Taliban-Kommandeur. In der Provinz Helmand wurde laut afghanischer Polizei bei einem Selbstmordanschlag ein Zivilist getötet, sechs weitere erlitten Verletzungen.

Die Lage der Besatzer ist militärisch offensichtlich so schwierig, daß »bereits in aller Stille amerikanische Soldaten vom Irak nach Afghanistan verlegt worden« sind. Das berichtete die Nachrichtenagentur ddp am Mittwoch unter Berufung auf US-Geheimdienste. Die designierten Präsidentschaftskandidaten Barack Obama (Demokraten) und John McCain (Republikaner) kündigten inzwischen eine »umfassende neue Strategie« für das Vorgehen im Land am Hindukusch an. Beide setzen auf noch mehr Truppen und noch mehr Krieg. Obama erklärte in einer außenpolitischen Grundsatzrede am Dienstag, er wolle zwei Kampfbrigaden, rund 10000 Mann, vom Irak nach Afghanistan schicken. Außerdem sollten sich die NATO-Partner deutlich stärker engagieren. Konkurrent McCain will die derzeit 70000 alliierten Soldaten in Afghanistan um drei US-Brigaden verstärken. Die Agentur ddp übersetzte dies gestern: Im Fall eines Wahlsieges des US-Demokraten müsse die Bundeswehr ihre Truppenstärke am Hindukusch wahrscheinlich verdoppeln. »Nach der außenpolitischen Standortbestimmung, die Obama vorgenommen hat, war am Mittwoch aus militärischen Kreisen in Washington zu erfahren, daß wegen der prekären Lage in Afghanistan ›unter Umständen‹ von der Bundeswehr eine Aufstockung ihrer Truppenstärke am Hindukusch ›auf rund 9000 Mann erwartet werden dürfte‹, kolportierte ddp-Korrespondent Friedrich Kuhn. »Die Deutschen, aber auch alle europäischen Verbündeten, werden sich noch wundern«, zitierte der Autor mit guten Kontakten zu Geheimdiensten und Militär einen namentlich nicht genannten US-General. Die Bundeswehr müsse insgesamt in Afghanistan »wesentlich mehr leisten«.

Noch offiziellen Bekundungen der Bundesregierung ist bisher geplant, das Afghanistan-Kontingent der Bundeswehr im Herbst von 3500 auf 4500 Soldaten zu erhöhen und das Mandat um 14 Monate zu verlängern. »Offiziere in Berlin« erklärten gegenüber ddp, wenn die Bundeswehr Obamas Vorstellungen umsetzen müßte, wäre es nötig, die augenblickliche Einsatzdauer von deutschen Soldaten in Afghanistan von vier auf sechs Monate zu verlängern. Das Hauptproblem bestehe allerdings darin, daß es nicht genügend eigentliche Kampfverbände gebe. »Die Leute für ganz vorn am Gegner fehlen uns«, läßt ddp einen Heeresoffizier klagen. Hauptthema der anderen Medien gestern war die Frage, wo Obama bei seinem Berlin-Besuch in der kommenden Woche spricht.

Quelle:
http://www.jungewelt.de/2008/07-17/063.php

Mehr Informationen: http://www.afghanistankampagne.de

[zurück]

Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen • 2018 • Impressum