Bundeswehr: Unfreiwillige Soldaten im Arrest15.05.2008

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VON JANA SCHULZE

Berlin. Silvio Walthers Zelle misst genau vier Quadratmeter. Das Gesetz schreibt aber sechs Quadratmeter vor. Das ist nur einer von vielen Kritikpunkten der Kampagne gegen Wehrpflicht, die der Bundeswehr Willkür bei Entscheidungen über Kriegsdienst-Totalverweigerer vorwirft. Silvio Walther gehört zu diesen Totalverweigerern, die nicht nur den Dienst an der Waffe ablehnen, sondern sich auch dem Zivildienst verweigern. Deshalb sitzt er seit dem 18. April beim Gebirgsfernmeldebattaillon in Bad Reichenhall im Arrest.

Männer wie Walther, die mit Feldjägern in ihre Kasernen gebracht werden, stellten mit ihrer Aufmüpfigkeit aus Sicht der Bundeswehr die Wehrpflicht in Frage, erklärt Ralf Siemens von der Kampagne gegen Wehrpflicht. Seit 2007 häuften sich deshalb die Fälle, in denen die Bundeswehr knallhart mit Kriegsdienst-Totalverweigerern verfahre, sagt Monty Schädel von der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Er spricht von sieben, Siemens von drei Männern, die zwischen 24 und 60 Tage im Arrest saßen.

"Zwischen 2002 und 2006 kamen viele um die Wehrpflicht herum, ohne dass es Zwangseinberufungen gab", sagt Schädel. Nun sei aber Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) "jemand, der die Wehrpflicht stark verteidigt", sagt Siemens. Jeder Wehrpflichtige, der um Wehr- und Ersatzdienst herumkommt, sei aus dieser Perspektive eine Gefahr, glauben die Friedensaktivisten: So werde deutlich, dass es Wehrgerichtigkeit nur auf dem Papier gebe. Laut Siemens werden "mittlerweile 50 Prozent eines Jahrganges ausgemustert und letztlich nur noch 15 Prozent einberufen".

Auch der 21-jährige Mathias Schirmer sitzt seit Mitte April wegen Totalverweigerung in einer Arrestzelle in Viereck bei Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern). Am vergangenen Freitag trat er in den Hungerstreik. Er lehne die Wehrpflicht ab, weil sie für ihn "nicht mit Demokratie, Freiheit und Menschenrechten vereinbar" sei. Das zuständige Truppendienstgericht Nord verhängte die Haft, "weil dies zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung geboten" sei, berichtet die DFG-VK.

Ein Sprecher der Presse- und Informationsstelle des Heeres sagte auf FR-Anfrage über den hungernden Mathias Schirmer: "Er ist Soldat mit allen Rechten und Pflichten und muss die Befehle befolgen. Wir beobachten seinen Gesundheitszustand und bieten ihm weiterhin Essen an."

Quelle:
http://fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1334352

Mehr Informationen: https://www.dfg-vk.de/thematisches/kriminalisierung_von_antimilitarismus/

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