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Gericht entzieht Regierung Kriegsgewalt08.05.2008

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Bundesverfassungsrichter: Deutscher Einsatz in AWACS-Flugzeugen war verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte des Bundestags bei Auslands- einsätzen der Bundeswehr gestärkt. Der Einsatz deutscher Soldaten in AWACS-Aufklärungsflugzeugen der NATO zu Beginn des Irak-Kriegs 2003 war wegen der fehlenden Zustimmung des Bundestags verfassungswidrig.

Karlsruhe (Agenturen/ND). Weil die NATO-Aufklärungsflüge mit Bundeswehrsoldaten 2003 dem Schutz vor einem befürchteten Angriff Iraks auf die zur NATO gehörende Türkei dienten, bestand aus Sicht des Gerichts eine konkrete Gefahr für eine Verwicklung der Soldaten in den Konflikt. Das Grundgesetz habe jedoch »die Entscheidung über Krieg und Frieden dem Deutschen Bundestag als Repräsentationsorgan des Volkes anvertraut«, heißt es in dem Urteil. Die Karlsruher Richter gaben damit einer fünf Jahre alten Klage der FDP-Bundestagsfraktion statt.

Die Opposition wertete die Entscheidung als Absage an das neue sicherheitspolitische Konzept der Union. »Damit ist allen Überlegungen eine Absage erteilt, aus der Parlamentsarmee eine Regierungsarmee zu machen«, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. Aus Sicht des LINKE-Verteidigungspolitikers Paul Schäfer ist das Unionspapier reif für den Altpapiercontainer. »Das Bundesverfassungsgericht hat in dankenswerter Klarheit deutlich gemacht, dass die Regierung nicht nach Belieben über die Streitkräfte verfügen kann – auch nicht unter dem Mantel zu leistender Bündnissolidarität«, so Schäfer. Die Grünen erklärten, die Union könne ihre Pläne aufgeben, bewaffnete Einsätze künftig schneller und ohne Parlamentsbeteiligung zu beschließen.

In einem Grundsatzurteil von 1994 hatte das Bundesverfassungsgericht erstmals die – grundsätzlich vorherige – Zustimmung der Volksvertreter für »bewaffnete Einsätze« deutscher Soldaten angeordnet; ein entsprechendes Gesetz wurde 2005 erlassen.

Im konkreten Fall waren die vier AWACS-Maschinen zwar unbewaffnet – allerdings sollten sie im Ernstfall Aufklärungsdaten für die Raketenabwehr liefern. Die rot-grüne Bundesregierung hatte die Flüge der unbewaffneten Maschinen als »Bündnisroutine« bezeichnet. Mit dieser Begründung ließ sie das Parlament außen vor.

Dem Urteil zufolge endet mit der Anwendung militärischer Gewalt der weit bemessene Gestaltungsspielraum der Exekutive im auswärtigen Bereich. Der Bundestag ist nach den Worten der Richter ein »wesentliches Korrektiv« zur ansonsten dominierenden Rolle der Bundesregierung. Denn Grundsatzfragen der NATO-Strategie oder auch die Mitwirkung an der Willensbildung über konkrete Bündniseinsätze lägen ganz wesentlich in den Händen der Regierung. Umso wichtiger sei die Verantwortung des Parlaments für bewaffnete Außeneinsätze: »Jeder Einsatz kann von der begrenzten Einzelaktion in eine größere und länger währende militärische Auseinandersetzung münden, bis hinein in einen umfänglichen Krieg.«

Quelle - NEUES DEUTSCHLAND:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/128390.html

Mehr Informationen: http://www.auslandseinsaetze-beenden.de

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