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Karlsruhe bremst Sicherheitsrat aus08.05.2008

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VON STEFFEN HEBESTREIT in der Frankfurter Rundschau

Die Bundeswehr bleibt eine Parlamentsarmee. Diese Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht nur in der Sache unmissverständlich, sie ist auch wohltuend nüchtern in der aufgeregten Debatte über einen Nationalen Sicherheitsrat, den die Bundesrepublik aus Sicht der Union so dringend nötig hat.

Die Karlsruher Richter haben mit ihrem Beschluss allen semantischen Verbrämungen der damaligen Schröder-Regierung eine Abfuhr erteilt: Ein Krieg ist ein Krieg - und über Krieg und Frieden entscheidet nun einmal der Deutsche Bundestag und nicht die Bundesregierung. Wenn Bundeswehrsoldaten in Nato-Flugzeugen sitzen, die am Rande eines Kriegsgebietes kreisen und dort Luftaufklärung betreiben, nehmen sie eben doch mittelbar teil an einem bewaffneten Konflikt. Sie liefern Koordinaten, mit deren Hilfe feindliche Flugzeuge abgeschossen oder Raketen zerstört werden.

Aus Gründen der Bündnissolidarität und des Schutzes der Türkei während des Irak-Kriegs mag ein solcher Kampfeinsatz deutscher Soldaten richtig und gerechtfertigt gewesen sein - er hätte aber zwingend der Zustimmung des Bundestags bedurft.

Die Verbrämung des Awacs-Einsatzes als "Bündnisroutine" war im konkreten Fall im Übrigen weniger verfassungsrechtlichen Bedenken geschuldet als vielmehr koalitionstektonischen Notwendigkeiten. Mit diesem Trick wollten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) ihren jeweiligen Fraktionen die schmerzhafte und vielleicht entlarvende Abstimmung im Bundestag über eine mittelbare Beteiligung an einem Irak-Krieg ersparen, den sie zuvor im Wahlkampf noch lautstark abgelehnt hatten.

Doch das Karlsruher Urteil reicht weit über einen Rüffel für diesen halbseidenen politischen Trick hinaus. Indem die Verfassungsrichter noch einmal unterstreichen, dass die Verantwortung für bewaffnete Außeneinsätze der Bundeswehr ausschließlich beim Bundestag liegt, versetzen sie den aktuellen sicherheitspolitischen Überlegungen der Union einen schweren Schlag.

Denn CDU/CSU wollen die Rechte des Parlaments bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr beschneiden. Ihr Konzept sieht vor, dass die Bundesregierung in gewissen Fällen frei über die Bundeswehr verfügen darf - quasi als schnelle Eingreiftruppe. Wenn Gefahr im Verzug ist, sollen die Soldaten für eine "Blitzintervention" in Marsch gesetzt und der Bundestag erst im Nachhinein unterrichtet werden.

Es drängt sich die Frage auf, von welchen Bedrohungs- oder Krisenszenarien die Unionsstrategen eigentlich ausgehen, wenn sie Vorkehrungen für solche militärischen Adhoc-Abenteuer treffen wollen. Ein solches Verfahren ist aber krass grundgesetzwidrig, wie das Urteil aus Karlsruhe zeigt. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und der Bundestag muss jeden Einsatz genehmigen - BEVOR er beginnt.

Der vorgeschlagene Umbau der deutschen Sicherheitsarchitektur erinnert nicht nur verteufelt an jene Strukturen, die die USA in letzter Konsequenz im März 2003 in den Irak-Krieg geführt haben. Nein, was CDU/CSU im Augenblick propagieren, rührt an die Grundfesten dieses Staates. Eines Staates, der das Glück hat, über Mahner wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu verfügen.


Quelle:
http://fr-online.de/in_und_ausland/politik/meinung/kommentare/?em_cnt=1331089
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