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Pressemeldungen: Ostermarsch 200825.03.2008

www.nd-online.de

25.03.2008
NEUES DEUTSCHLAND
"Kampf gegen die Wirtschaft"
Jetzt ist auch die Nordost-CDU gegen das Bombodrom bei Wittstock
Von Velten Schäfer, Fretzdorf
Die Bewegung gegen den Bombenabwurfplatz der NATO bei Wittstock steht möglicherweise kurz vor dem Erfolg. Auch die Schweriner CDU kann sich dem nicht mehr entziehen.

Jürgen Seidel hatte sich eigens in Räuberzivil geworfen. In Windjacke, Jeans und Wanderstiefeln erschien Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Wirtschaftsminister am Sonntag auf dem Kirchplatz in Fretzdorf, um eine Premiere zu begehen: Im 16. Jahr der Proteste gegen den »Luft-Boden-Schießplatz« nahe der mecklenburgischen Seenplatte zeigte sich dort erstmals ein Spitzenpolitiker auch der Nordost-Union.

Leicht gefallen ist Seidel der Auftritt sichtlich nicht. Mit schiefem Mund und gerunzelter Stirn lauschte der Minister kurz vor seinem Auftritt etwa der »geistlichen Besinnung« durch Peter Kranz, den notorisch linken Pfarrer der Berliner Luther-Gemeinde: Die Bundeswehr verteidige am Hindukusch nicht die Bundesrepublik, sagte der, sondern »den Drogenanbau afghanischer Kriegsfürsten«. Deutsche Soldaten heizten den Konflikt nur an, müssten zurückgezogen und das Geld für soziale Zwecke umverteilt werden, so der Geistliche aus der Hauptstadt.

Doch der CDU-Mann hielt sich tapfer. Er ignorierte die Konstantin-Wecker-Beschallung und verdrängte den Umstand, dass vier Redebeiträge nach ihm eine der G-8-Protestorganisatorinnen reden würde, die er sonst als gefährliche Krawallmacher anspricht. Dann dankte er, unter anderem vor der fast vollständig angereisten Nordost-Linksfraktion, dem »bunten Widerstand vor Ort«. Das Festhalten der Bundes-CDU am Bombodrom deutete Seidel als »Kampf gegen die Wirtschaft«. 600 Millionen Euro seien in der Müritzregion seit der Wende im Tourismus investiert worden, 180 Millionen als Fördermittel – all das sei in Gefahr. »Wir«, beeilte sich Seidel nachzuschieben, »haben aber nichts gegen die Bundeswehr.«

Das Murren war zwar hörbar, aber leise. Ostermarschierer sind offenbar höfliche Leute. Mit freundlichem Applaus quittierten sie auch die Ansprache des Potsdamer Landwirtschaftsministers Dietmar Woidke (SPD), der ebenfalls von »zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen« sprach, die wegen der Bombodrom-Pläne noch nicht in die Region geflossen seien. Immerhin hatte Woidke eine gute Botschaft mitgebracht: Vielleicht schon im nächsten Jahr, unterstrich Woidke den Optimismus seines Ministerpräsidenten, werde man »auf die Freie Heide anstoßen« können.

Seit Jahren ist die Fretzdorfer Osterwanderung die bundesweit größte Veranstaltung am Aktionswochenende der Friedensmarschierer. Wie vielen Gegnern des Bombenabwurfs zu Übungszwecken es dabei tatsächlich nur um die Vermietbarkeit ihrer Ferienwohnung geht, ist indessen schwer zu sagen. Bei den organisierten Gruppen, die ihre Stände auf dem Anger vor dem Fretzdorfer Kirchlein aufgebaut hatten, stand Kritik an Armee und NATO-Militärpolitik aber klar im Vordergrund. »Die Leute kommen aus den unterschiedlichsten Gründen her«, sagt Monty Schädel von der Friedensgesellschaft DFG-VK, die auch am Sonntag für die Auflösung der Bundeswehr warb.

Andererseits könnte die Reichweite des Bündnisses dessen konkreten Erfolg bedeuten. Der Schweriner Landtag hat den Bomben-Übungsplatz gerade in einem übergreifenden Antrag verurteilt. Im vergangenen Juli untersagte zudem das Potsdamer Verwaltungsgericht die militärische Nutzung vorläufig. Ein gutes Zeichen, fand auch Benedikt Schirge von der Initiative »Freie Heide«. Auf die Gerichte dürfe man sich aber nicht verlassen: »Das ist vor allem eine politische Entscheidung.«

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/126088.html

Interview mit Willi Hoffmeister:
»Der Ostermarsch ist nicht bedeutungslos«
Willi Hoffmeister ist einer der Organisatoren des Ostermarsches Ruhr, der durch mehrere NRW-Städte führte

Am Wochenende sind hunderte Ostermarschierer durch das Ruhrgebiet gezogen. Sind Sie mit dem Verlauf zufrieden?
Hoffmeister: Auch wenn es von Nöten wäre, dass sich Hunderttausende bewegen müssten, um der verheerenden Sozial- und Kriegspolitik der Bundesregierung in den Arm zu fallen, zeigen die bundesweiten Osteraktionen der Friedensbewegung: Der Ostermarsch lebt! Der Ostermarsch Rhein-Ruhr hat an drei Tagen einige tausend Menschen erreicht und unser Anliegen deutlich machen können. Viele Unterschriften wurden für den Appell »Bundeswehr raus aus Afghanistan« gesammelt. Die Forderung nach Abzug der noch in Büchel lagernden US-Atomwaffen wurde mit der Werbung für die am 30. August dort stattfindende Aktion vertieft. Diese Kampagne wird bis zum Aktionstag die Arbeit der Friedensgruppen an Rhein und Ruhr tangieren, um mit einer großen Zahl von Teilnehmern gegen die US-Atomwaffen auf die Straße zu gehen. Darüber hinaus: Gestern haben einige hundert Ostermarschierer mit einem Friedensfest den Ostermarsch Rhein- Ruhr in Dortmund ausklingen lassen. Die Teilnahme vieler junger Menschen stimmt mich optimistisch, dass auch in Zukunft der Ostermarsch seinen Weg macht.

Vielfach wird der Friedensbewegung in den Medien die politische Bedeutungslosigkeit attestiert. Berechtigterweise?
Wenn unsere aktive Friedensarbeit so bedeutungslos wäre, würden die bürgerlichen Medien darüber kein Wörtchen verlieren. Das Gegenteil ist der Fall!

Unabhängige antimilitaristische Gruppen haben unlängst die Parole »Den Hindukusch in Deutschland verteidigen!« ausgegeben und sich für zivilen Ungehorsam und Sabotageaktionen an Kriegsgerät ausgesprochen. Ist es ob der stetigen Militarisierung der Gesellschaft nicht an der Zeit, dass sich auch die Friedensbewegung radikaler und offensiver positioniert?
Radikalität ist dann gut, wenn sie von einer breiten Bewegung getragen wird. Ziviler Ungehorsam und Sabotage an Kriegsgerät sind dabei für mich zwei verschiedene Dinge. Entscheidend ist, welche Aktionen laden passive, aber einer Sache positiv zugetane Menschen, zum Mitmachen ein. Wenn zwei Drittel aller Bundesbürger sich gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr aussprechen und Peter Struck (SPD) daraufhin sagt, er wisse das, aber trotzdem sei die Verteidigung am Hindukusch richtig, zeigt er damit nur die Arroganz der Macht. Diese Zwei-Drittel-Mehrheit hat es in der Hand, solch einem Treiben zivil und ungehorsam ein Ende zu setzen und eine andere Politik durchzusetzen.

Sie haben den Ostermarsch im Ruhrgebiet über Jahrzehnte hinweg organisiert. Dafür sind Sie am Samstag mit dem Düsseldorfer Friedenspreis geehrt worden. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?
Dankbar bin ich all den vielen Mitstreitern, die den Ostermarsch jährlich mit vorbereiten. Denn nur gemeinsam sind wir stark! Mein Onkel Franz sagte mir nach seiner elfjährigen Internierung im KZ einmal: Junge, tu alles, dass es nie wieder zu Faschismus und Krieg kommt. Mein Leben lang habe ich diesen Satz niemals vergessen. Und niemals möchte ich mir vorwerfen müssen, dazu nicht alles in meiner Kraft Stehende getan zu haben. Auch wenn ich heute feststellen muss, dass Nazis sich wieder tummeln dürfen und von deutschem Boden wieder Krieg ausgeht, keine Sekunde des Kampfes der Friedensbewegten und Antifaschisten war vergebens.

Heute findet in Dortmund anlässlich Ihres 75. Geburtstages ein Empfang statt. Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Dass meine Kraft ausreichen möge, im Mai noch einmal am gewaltigen Tagesmarsch der griechischen Friedensbewegung zu Ehren des von der Junta ermordeten Friedenskämpfers Grigoris Lambrakis von Marathon nach Athen teilzunehmen und dabei ein wenig davon zu träumen, dass die Völker endlich Bertha von Suttners Satz beherzigen: »Die Waffen nieder!«

Fragen: Markus Bernhardt
Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/126086.html


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25.03.2008 Routiniert gegen Krieg
Zehntausende bei Ostermärschen: Bundesweit Proteste gegen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und Truppenübungsplätze
Von Reimar Paul

Mit Demonstrationen und Kundgebungen in mehr als einem Dutzend Städten sind am Montag die Ostermärsche der Friedensbewegung zu Ende gegangen. Ungeachtet des kalten Wetters haben sich mehr Menschen an den Protesten beteiligt als im Vorjahr, sagte ein Sprecher der Ostermarsch-Infostelle in Frankfurt (Main). Das rege Interesse sei vor allem auf die Debatte um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zurückzuführen. Nach Angaben der Infostelle folgten bundesweit 60000 Menschen den Aufrufen der Veranstalter.

Größter Ostermarsch war wie schon in den Vorjahren die Demonstration zum »Bombodrom« in der Kyritz-Ruppiner Heide bei Fretzdorf (Brandenburg). Allein hier waren nach Angaben der Bürgerinitiative (BI) »Freie Heide« am Sonntag rund 5000 Kriegsgegner auf den Beinen. Die BI, Umweltschützer sowie zahlreiche Lokal- und Landespolitiker verlangen die zivile Nutzung des früheren sowjetischen Truppenübungsplatzes. Die Bundeswehr will dort aber Tiefflüge und Bombenabwürfe üben. Trotz massenhafter Proteste und verlorener Gerichtsprozesse hält Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) an diesem Vorhaben fest. Der Fretzdorfer Ostermarsch fand bereits das 16. Jahr in Folge statt.

Auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen protestierten Ostermarschierer gegen Truppenübungsplätze. In der Colbitz-Letzlinger Heide forderten die Demonstranten, das mit rund 60000 Hektar größte unbewohnte Gebiet in Deutschland ausschließlich friedlich zu nutzen. Auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf werden jedes Jahr nach Angaben der Bundesregierung zwischen 9000 und 12000 Soldaten der Bundeswehr ausgebildet. Auch das berüchtigte Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr hat bereits mehrmals auf dem Gelände trainiert.

Den traditionellen dreitägigen Ruhr-Ostermarsch von Duisburg nach Dortmund absolvierten die meisten Demonstranten mit dem Rad. In Mannheim führte ein Fahrradkorso zur dort ansässigen Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik. Auch in Braunschweig und Rostock waren Kriegsgegner mit Fahrrädern unterwegs. Zum zentralen Ostermarsch Baden-Württemberg versammelten sich nach Angaben der Veranstalter rund 1000 Demonstranten in Stuttgart. Ebenso viele folgten dem Aufruf Berliner Friedensaktivisten. In Erinnerung an die Anfänge der Ostermarschbewegung vor 50 Jahren zog die Demonstration im Westen der Hauptstadt über den Kurfürstendamm zur Gedächtniskirche. Die Organisatoren des Münchner Ostermarsches hatten vor der Kundgebung zu einem ökumenischen Friedensgottesdienst eingeladen. In Ramstein wurde an die Opfer der Flugschaukatastrophe vom 28. August 1988 erinnert, bei der mehr als 70 Menschen starben. Friedensgruppen aus Hannover demonstrierten gegen die in Niedersachsen stationierte 1. Panzerdivision der Bundeswehr. Sie stellt Teile der neuen Kampftruppe, die auf Anforderung der NATO nach Afghanistan geschickt werden soll.

Auch in Nachbarländern gingen Kriegsgegner auf die Straße. In Brüssel habe die Polizei bei einer Kundgebung am NATO-Hauptquartier zahlreiche Demonstranten festgenommen, berichteten Augenzeugen gegenüber junge Welt. Einige Teilnehmer hätten zuvor versucht, auf das abgesperrte Areal vorzudringen. Die von Friedensgruppen aus mehreren Staaten vorbereitete Aktion stand unter dem Motto »NATO – Game over!«

Bei vielen Ostermärschen sammelten Friedensgruppen Unterschriften für einen Appell an den Bundestag, das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr nicht zu verlängern. Der Aufruf habe weithin »große Zustimmung« erfahren, erklärte die Ostermarsch-Infostelle. »Ein Krieg gegen Terror kann militärisch nicht gewonnen werden, da er selbst immer wieder Gewalt hervorruft«, heißt es in dem Appell an die Parlamentarier. »Der Abzug der Besatzungstruppen schafft Voraussetzungen für die Einstellung der Kampfhandlungen und für eine zivile Entwicklung.« Ostermarsch-Koordinator Willi van Ooyen, der auch Fraktionschef der Linken in Hessen ist, griff den Grünen-Politiker Tom Koenigs scharf an. Wenn der jetzt den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verteidige, »bleibe er sich treu«. Koenigs habe bei politischen Konflikten stets auf militärische Lösungen gesetzt. »Militär und Krieg sind Terror und bringen keine Lösung«, so van Ooyen.

Weitere Themen bei den insgesamt 90 Ostermarsch-Kundgebungen waren der Irak-Krieg sowie der Konflikt im Nahen Osten. Zudem verlangt die Friedenbewegung ein radikales Umsteuern in der Energie- und Klimapolitik. Der Wechsel hin zu erneuerbaren Energien und Einspartechniken sei Voraussetzung für die Verhinderung künftiger Kriege, erklärte das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2008/03-25/037.php


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23.03.2008
Ostermärsche: Tausende auf den Beinen

Frankfurt/Main (dpa) - Die Friedensbewegung hat am Sonntag ihre traditionellen Ostermärsche fortgesetzt. In Fretzdorf im Norden Brandenburgs protestierten mehrere tausend Menschen gegen die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide.

Die Teilnehmer wehrten sich gegen Pläne des Bundesverteidigungsministeriums, über dem "Bombodrom" Tiefflüge und Bombenabwürfe zu üben. Die beiden Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern lehnen die Pläne wegen der befürchteten negativen wirtschaftlichen Auswirkungen ebenfalls ab.

In Nordrhein-Westfalen ging der Ostermarsch Ruhr 2008 weiter. Nach einer Auftaktkundgebung in Essen, zu der nach Veranstalterangaben rund 100 Leute kamen, fuhren rund 50 Friedensaktivisten mit dem Fahrrad nach Bochum. Der Ostermarsch Ruhr steht unter dem Motto "Bundeswehr raus aus Afghanistan! Deutschland atomwaffenfrei! Grundgesetz verteidigen!"

Im thüringischen Ohrdruf kamen nach Angaben des zentralen Ostermarschbüros in Frankfurt rund 300 Menschen zusammen. "Die Stabilität der letzten Jahre hat sich erhalten", sagte der Sprecher des Ostermarschbüros Willi van Ooyen. Der Vorsitzende der Partei Die Linke in Hessen räumte aber ein, dass in Fretzdorf die Beteiligung geringer als im vorigen Jahr gewesen sei. Gleichzeitig betonte van Ooyen, dass trotz teilweise schlechten Wetters bei allen Veranstaltungen gute Stimmung geherrscht habe.

Auch in Wiesbaden haben sich am Karsamstag mehrere hundert Menschen an einem Ostermarsch gegen Krieg und Gewalt beteiligt. Nach Angaben der Polizei versammelten sich 200 Teilnehmer bei nasskaltem Wetter zu einer Kundgebung am Hauptbahnhof und einer Demonstration durch die Innenstadt.

Das Ostermarschbüro in Frankfurt sprach von 250 Demonstranten. Die Aktion richtete sich unter anderem gegen eine Verlegung des europäischen Hauptquartiers der US-Armee nach Wiesbaden. In mehreren hessischen Städten gab es zudem nach Angaben des Ostermarsch-Büros kleinere Mahnwachen.

Bereits am Karfreitag und Ostersamstag hatten sich mehrere tausend Menschen in zahlreichen deutschen Städten an den Aktionen gegen Krieg und Gewalt beteiligt. Die Ostermärsche stehen in diesem Jahr im Zeichen des fünften Jahrestages des Irak-Krieges. Zudem wird der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan kritisiert. Die Ostermärsche sollen am Montag mit rund 20 Veranstaltungen zu Ende gehen.

Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1307746



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25.03.2008
Ostermärsche: Bibbern für den Weltfrieden
VON VOLKER SCHMIDT

Stell Dir vor, es ist Ostermarsch… Naja, einige gingen doch zu den traditionellen Demonstrationen der Friedensbewegung. Das Ostermarschbüro in Frankfurt schätzte großzügig, trotz des schlechten Wetters hätten sich ungefähr so viele Teilnehmer wie im vergangenen Jahr bei den Kundgebungen eingefunden - insgesamt seien es von Bruchköbel am Freitag bis unter anderem Berlin, Dortmund und Frankfurt am Montag rund 60 000 gewesen. Die Polizei schätzte die Zahl in vielen Städten allerdings deutlich geringer als die Friedensbewegung.

Die Märsche richteten sich besonders gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak. "Bundeswehr raus aus Afghanistan! Deutschland atomwaffenfrei! Grundgesetz verteidigen!" lautete das Motto in Nordrhein-Westfalen. Die größte Demonstration war die gegen den Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide ("Bombodrom"). Nach Angaben der Organisatoren versammelten sich dort 2500 Menschen. Hier marschierte gar ein CDU-Politiker mit, der mecklenburgische Wirtschaftsminister Jürgen Seidel, der wie der Brandenburger Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) um den Tourismus fürchtet.

Während es bei den Friedensmärschen in Deutschland friedlich blieb, ging die belgische Polizei am Samstag mit Wasserwerfern gegen Demonstranten am Nato-Hauptquartier vor. Rund 500 Pazifisten wurden vorübergehend festgenommen und nach der Feststellung ihrer Personalien weit weg von der Nato-Zentrale wieder freigelassen.

Aktivisten aus 17 Ländern hatten versucht, auf das Nato-Gelände vorzudringen. Mit Hilfe eigens mitgebrachter Teppiche wollten sie den Stacheldraht überwinden. Eine belgische Friedensinitiative hatte zu der Aktion aufgerufen, um eine Debatte über die Rolle der Nato anzustoßen. Organisatoren und Polizei sprachen von rund tausend Teilnehmern.

Rückendeckung erhielten Kriegs- und Rüstungsgegner aus ungewohnter Richtung: Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen rief in seiner Osterpredigt dazu auf, "den Kampf gegen jedwede Todesproduktion aufzunehmen". Er kritisierte im Fuldaer Dom die "milliardenschwere Rüstung" sowie "die Todesstrategie des Aushungerns der Armen".

Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1308093&sid=2ee7fa81137b2339449f22a09c1744a6



25.03.2008
http://wwwsueddeutsche.de
Ostermarsch in Brandenburg: Der Minister und das Bombodrom

Der Ärger über das geplante "Bombodrom" in der Kyritz-Ruppiner Heide verbindet.
Eine Ostermarsch-Reportage von Daniel Steinmaier

"Unser Ostermarsch ist der größte in Deutschland!" sagt Wolfgang Dicks. Der 73-Jährige steht zwischen Friedensfahnen auf dem Dorfplatz in Fretzdorf, einem kleinen Bauerndorf in Brandenburg. Wie einer der auf Ostermärsche geht, sieht der Rentner mit Jägerhut und grüner Lodenjacke nicht aus. Er hat jedoch ein sehr konkretes Anliegen.

Dicks kommt aus Rägelin, einem kleinen Ort, der wie Fretzdorf an der Kyritz-Ruppiner Heide liegt. Dort plant das Bundesverteidigungsministerium einen Luft-Boden-Schießplatz, das so genannte "Bombodrom". Dagegen will er heute auf dem Fretzdorfer Ostermarsch protestieren.

Was so ein "Bombodrom" für die Anwohner bedeutet, weiß Dicks. Dafür muss er keine lärmmedizinischen Gutachten lesen, wie sei bei den Gerichtsprozessen verwendet werden, die Bürgerinitiative gegen das geplante "Bombodrom" führt. Wolfgang Dicks kennt den Lärm aus eigener Erfahrung. "40 Jahre waren wir von Schießplätzen umzingelt". Nur in "Korridoren" habe man sich zwischen den Übungsplätzen frei bewegen können.

Was "der Russe" damals von der Bevölkerung enteignet habe, will sich jetzt das Bundesverteidigungsministerium "unter den Nagel reißen" schimpft er. "Da wollen sie jetzt von Stalin profitieren".

Bürgerinitiativen, Friedensgruppen, die Linke und die Grünen haben unter den Bäumen auf dem Dorfplatz ihre Stände aufgebaut. Die aus Berlin angereisten Grünen frühstücken Ökokäse, bei der DFG-VK kann man gegen den Afghanistankrieg unterschreiben, und die Linke verteilt rote Luftballons. Aber auch SPD-Fahnen sind zu sehen, und einer der angekündigten Redner ist heute sogar von der CDU.

Bert Karagan aus Berlin sieht mit seiner lila Hose, seiner blauen Outdoor-Jacke und seinem Pferdeschwanz schon eher wie ein friedensbewegter Ostermarschierer aus. Jedes Jahr kommt der 48-Jährige aus Berlin zum Fretzdorfer Ostermarsch, um gegen das Bombodrom, aber "auch gegen die allgemeine Militarisierung" zu protestieren.

Dass auf dem diesjährigen Ostermarsch sogar der CDU-Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern spricht, findet er "in Ordnung". "Klar, die CDU ist militärpolitisch engagiert", sagt er, aber bei der Kyritz-Ruppiner Heide ist auch er für "breite Bündnisse." Obwohl er warnt: "Der Verrat kommt ganz bestimmt." Deshalb müsse man "die Bürgerlichen rechtzeitig loswerden".

Monty Schädel von der Friedensinitiative DFG-VK sagt, ideologische Einigkeit habe es bei den Ostermärschen noch nie gegeben. "Die Ostermärsche waren schon immer Aktionen von denen, die sich persönlich bedroht gefühlt haben." Im kalten Krieg von der Gefahr des atomaren Wettrüstens, und hier vom "Bombodrom."

Weil ein Übungsplatz ein konkreteres Thema sei als etwa "Atomwaffen" sei es hier einfacher, Menschen auf die Straße zu bringen. Deshalb ist der Fretzdorfer Ostermarsch auch dieses Jahr von fast 10.000 Menschen besucht, während die Teilnehmerzahlen an den Großstädtischen Ostermärschen nur vor sich hindümpeln, Afghanistan-Einsatz hin oder her.

In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wirkt das "Bombodrom" verbindend. Peter Ritter, Landesvorsitzender der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, betont, in den Landesparlamenten sei die Ablehnung des Bombodroms längst Konsens. Auch wenn seine Partei im Gegensatz zu den anderen natürlich neben dem Bombodrom auch die Bundeswehr-Einsätze verurteile, für die dort geübt werden solle. "Wir sagen: kein Bombodrom, nicht hier und nirgendwo anders."

Als der CDU-Minister Seidel dann vor der Menge mit den roten Luftballons und selbst gemalten Transparenten spricht, bekommt er erstmal Zustimmung. "180 Millionen Fördergelder für die Region, die im Tourismus entstandenen Arbeitsplätze, alles, was hier in den letzten Jahren positives entstand, würde durch das Bombodrom zunichte gemacht" sagt der Wirtschaftsminister. Für ihn bringt das Bombodrom den Standort in Gefahr. Deshalb setze er sich auch gegenüber der Bundesregierung dafür ein, das Bombodrom sein zu lassen. "Ich gebe zu: bisher noch nicht mit dem gewünschten Erfolg". Die Menge klatscht trotzdem.

Doch als er betont, sein Engagement sei "nicht gegen die Bundeswehr" gerichtet, die in Mecklenburg-Vorpommern auch Arbeitsplätze geschaffen haben, buhen ihn die angereisten Friedensfreunde aus. "Da unterscheiden wir uns dann eben", entgegnet Seidel den Pazifisten, und betont abermals seine Gegnerschaft gegen das Bombodrom. Dafür bekommt er dann wieder Applaus.

Auch Peter Richter aus Pankow applaudiert, obwohl ihn eine Jutetasche mit Friedenstaube in der einen und ein Luftballon der Linkspartei in der anderen Hand beim klatschen behindern. "Über den Irak-Krieg und den Afghanistan-Einsatz haben heute schon genug Redner geschimpft", sagt er. "Da kann man jetzt schon mal für einen CDUler klatschen."

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/303/164835/

Mehr Informationen: http://www.friedenskooperative.de

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