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»Das kann auch der Linkspartei passieren«15.03.2008

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Erinnerung an Weg der Grünen. Aktivisten der Friedensbewegung kennen Mechanismen des Parlamentarismus. Gespräch von Gitta Düperthal mit Gernot Lennert

Gernot Lennert engagiert sich seit 1976 in der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen (DFG-VK), und ist seit 1994 Geschäftsführer des Landesverbands Hessen


Erhoffen Sie sich durch den Einzug der Partei Die Linke in den Hessischen Landtag neuen Schwung für die außerparlamentarische Bewegung? Deren Fraktionsvorsitzender Willi van Ooyen ist ja einer der maßgeblichen Friedensaktivisten.

Sicherlich könnte es einen Aufschwung geben, weil Willi van Ooyens Funktion als Ostermarschkoordinator in den Medien häufig erwähnt wird. Damit werden die Ostermärsche stärker als in den vergangenen Jahren ins Bewußtsein gebracht. Genauso gut könnte aber ein gegenteiliger Effekt eintreten: Wenn Aktive der Friedensbewegung ihren Schwerpunkt in die Parlamentsarbeit verlagern, haben sie weniger Zeit für die außerparlamentarische Bewegung. Bei einigen könnte sich zudem Gewöhnung an eine Stellvertreterpolitik einschleichen. Sie sagen sich: Wir haben ja Die Linke gewählt – wozu sollen wir selbst noch auf die Straße gehen... Das sind keine Spekulationen, sondern Erfahrungen, die soziale Bewegungen mit den Grünen gemacht haben.


Welche waren das?

Die Arbeit in den Parlamenten hat viele Kräfte abgezogen. Ich möchte ein Beispiel schildern: Ich traf einen Friedensaktivisten mit einem riesigen Blumenstrauß und fragte, was er damit vorhat. Als stellvertretender Ortsvorsteher ging er der Aufgabe nach, älteren Damen mit hohen runden Geburtstagen zu gratulieren. So ging Zeit verloren, die er für die Friedensarbeit hätte verwenden können. Entscheidender war allerdings die inhaltliche Wandlung der Grünen in den 90er Jahren: von einer Friedenspartei zur Kriegspartei. Das fing damit an, daß damals noch eine Minderheit der Grünen begann, über sogenannte humanitäre Interventionen nachzudenken. Der Bruch mit der Friedensbewegung kam spätestens mit dem Kosovo-Krieg. Das hat uns personell und organisatorisch geschwächt.


Sind die Organisationen heute wieder stärker?

Ja. In den 90er Jahren war die Friedensbewegung quantitativ sehr geschrumpft. Viele dachten, es sei nicht mehr notwendig, sich für den Frieden einzusetzen. Dann kamen der Kosovokrieg, der Krieg in Afghanistan und der zweite Irak-Krieg. Seitdem engagieren sich wieder mehr Menschen in der Friedensbewegung. Aber es macht sich bemerkbar, daß die Grünen als Partei sich nicht mehr beteiligen, ähnliches gilt für große Teile der SPD.


Ist von der Linken eine ebensolche Entwicklung zu befürchten?

Als Friedensbewegung müssen wir uns bewußt sein, daß Parteien prinzipiell nicht pazifistisch und antimilitaristisch sind. Ihr Ziel ist politische Macht. Für diese entscheiden sich Parteien aller bisherigen Erfahrung nach, wenn sie sich im Konfliktfall zwischen Machtinteressen und ihrer pazifistischen Überzeugung befinden. Ausschlaggebnd ist ihr Verhältnis zu Staat und Militär. Je mehr sich eine Partei mit beidem identifiziert, desto eher ist sie geneigt, militärische Gewalt für ihre eigenen Interessen einzusetzen.
Ein eindrucksvolles Beispiel sind die Grünen. Bei ihrer Gründung waren sie gewaltfrei und systemkritisch. Je staatstragender sie wurden, desto mehr haben sie Militär und Krieg als Instrument der Politik akzeptiert. Genau dasselbe kann auch der Linken passieren.


Um welche Themen geht es in Hessen?

Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan steht an der Spitze der Forderungen, in Frankfurt und anderswo. Über das tagespolitisch Aktuelle hinaus fordern wir auch eine Bundesrepublik ohne Armee und die Abschaffung aller Kriegs- und Zwangdienste. Und: Wir lehnen die Verlegung des europäischen Hauptquartiers der US-Armee nach Wiesbaden ab.


Drohen die Ostermärsche zum historischen Reflex zu verkommen? Machen junge Leute überhaupt noch mit?

Ich kann mich gut an die Zeiten erinnern, in denen wir uns fragten, wie wir bloß ältere Menschen gewinnen könnten. Mittlerweile stellt sich die Frage umgekehrt. Im Vergleich zu früher sind weniger Jugendliche politisch organisiert. Und diesen erscheinen andere Politikfelder attraktiver, beispielsweise die Globalisierungskritik. Allerdings haben gerade die Proteste gegen den G-8-Gipfel, bei denen wir uns als DFG-VK sehr engagiert haben, gezeigt, daß sich diese Themen überlappen.

Mehr Informationen: http://www.dfg-vk-hessen.de/

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