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"Solange Atomwaffen existieren, sind wir nicht sicher"05.04.2014

atomwaffenfrei

Präsident Obama hat in seiner Rede in Berlin am Juni 2013 deutliche Worte dafür gemacht, dass nukleare Sicherheit sich nicht auf das Thema Diebstahl von Materialien für den Bau von Atomwaffen begrenzt, als er sagte: „Solange Atomwaffen existieren, sind wir nicht sicher“. Der nukleare Sicherheitsgipfel in Den Haag am 24./25. März 2014 lenkte von der eigentlichen Aufgabe ab, Atomwaffen weltweit endlich zu beseitigen.

Auch wenn die nukleare Sicherheit wichtig ist: Die humanitären Folgen eines Einsatzes bleiben aus medizinischer Sicht das zentrale Thema. Zwei Staatskonferenzen zum Thema humanitäre Folgen von Atomwaffen in Norwegen 2013 und Mexiko 2014 haben diese Ansicht bestätigt. Noch in diesem Jahr treffen sich wieder Staaten in Wien, um darüber zu sprechen wie ein Atomwaffeneinsatz und seine katastrophalen Folgen für die Menschheit verhindert werden können.

Das Risiko für die Menschheit, das die 17.000 Atomwaffen weltweit darstellen (ca. 2.000 befinden sich auf höchster Alarmstufe) wird nach wie vor verschwiegen. Es wird immer suggeriert, dass Atomwaffen nur in den Händen von so genannten Schurkenstaaten oder nichtstaatlichen Akteuren gefährlich sind. Tausende von Unfällen mit Atomwaffen sind in den letzten knapp 70 Jahren geschehen. Atomwaffen gehen verloren, Atomraketen explodieren, Flugzeuge mit Atomwaffen stürzen ab und U-Boote mit Atomwaffen an Bord sinken. Es gab eine Reihe von Fehlalarmsituationen, in denen die Welt bereits am Abgrund stand und das Glück hatte, dass vernünftige Leute zufällig die richtigen Entscheidungen trafen. Gleichzeitig mehrten sich in letzter Zeit Berichte über Alkohol- und Drogenmissbrauch, Schummeleien bei Eignungstests und schlechte psychische Zustände bei den US-Soldaten, die die Atomwaffen warten und sicherstellen sollen.

Die USA haben sicherlich die höchsten Sicherheitsstandards aller Atomwaffenstaaten, trotzdem ist es öfters dort oder in Großbritannien und Frankreich schief gegangen. Über die Situation in Russland, China, Indien, Pakistan, Israel oder Nordkorea wissen die Experten sehr wenig. Das größte Sicherheitsproblem besteht heute in der Gefahr, dass eine oder mehrere Atomwaffen eingesetzt werden, ob absichtlich oder aus Versehen, von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren.

Die deutsche Bundesregierung behauptet, das Ziel einer atomwaffenfreien Welt zu verfolgen, in Wirklichkeit versteckt sie sich hinter ihre NATO-Mitgliedschaft. Seinen anfänglichen Versuch, bei der NATO den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland zu erreichen, hat Außenminister Guido Westerwelle wieder fallen gelassen und Frank-Walter Steinmeier überläßt die Diskussion der USA und Russland, die untereinander die Reduzierung von taktischen Atomwaffen klären sollen. Leider sprechen sie kaum noch miteinander und wenn, dann nicht über Abrüstung.

Noch schlimmer: die US-Atomwaffen in Deutschland sollen unter dem Vorwand von Sicherheit und Zuverläßigkeit erneuert werden. Ab 2020 werden neue Atombomben in Europa stationiert, voraussichtlich in Belgien, Deutschland, Italien, den Niederlande und der Türkei. Somit werden zwar die letzten 20 verbleibenden Atombomben – die jetzt in Büchel in der Eifel lagern – abgezogen, aber nur um in neuere, präzisere und lenkbarere Atombomben umgewandelt zu werden, die dann wieder Deutschland im Rahmen der NATO „nuklearen Teilhabe“ als Abschreckungsmittel zur Verfügung stehen. Allerdings stellt sich die Frage, warum man solche Bomben mit soviel Aufwand und Kosten modernisiert, wenn man sie nie einsetzen will. Alleine der neue Heckteil, der die Bombe lenkbar macht, verursacht für Entwicklung und Produktion Kosten von über einer Milliarde US-Dollar.

In den Niederlanden läuft schon eine heiße Debatte zum Thema. Im Parlament wurde bereits beschlossen, dass die Ausgaben von 11 Milliarden US-Dollar für die neuen Atombomben eine Verschwendung für etwas seien, das ohnehin nicht benötigt wird. Daher sollten die neu gekauften F35-Trägerflugzeuge für die Niederlande keine Atomwaffen tragen.

In Deutschland vermissen wir diese Debatte. Im Gegenteil, in der Bundestagsdebatte am 3. April haben wir von Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) gehört, dass jetzt, da die Leute in Osteuropa wegen der Krim-Krise Schutz bei der NATO suchen, nicht über „einseitige Abrüstung“ geredet werden dürfe. Somit will man die Diskussion über den Abzug und NATO-Atomwaffenpolitik verdrängen. Dennoch meine ich, dass ein Konflikt in Mitten Europas zwischen den alten Kontrahenten aus dem Kalten Krieg immer noch die Gefahr des Atomkriegs mit sich trägt. Aus diesem Grund ist die Ächtung von Atomwaffen weltweit dringender als je. Die Atomwaffen in Europa haben schon wieder nicht von einem Konflikt abgeschreckt; im Gegenteil sie bleiben eine Gefahr, weil man auf den dummen Gedanken kommen könnte, sie tatsächlich einzusetzen. Und die Hemmschwelle sinkt, wenn man sie durch Modernisierung kampffähiger macht9.

Xanthe Hall, Abrüstungsreferentin der IPPNW
http://www.atomwaffenfrei.de | http://www.atomwaffenA-Z.info | http://www.ippnw.de

zuerst Veröffentlicht in der Zeitung gegen den Krieg Nr.37, zu Ostern 2014

Mehr Informationen: http://www.zeitung-gegen-den-krieg.de

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