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Mafia und Militär24.12.2013

ZC 2013-5 Titel: Friedenspolitische Kritik am Koalitionsvertrag

Die frappierende Ähnlichkeit von Militär und kriminellen Banden
(von Ulrich Finckh)

Die Bezeichnung Mafia ist zunehmend zum Sammelbegriff für organisierte Kriminalität geworden. Gemeint sind dann bandenmäßig organisierte Clans, die für Mord und Totschlag, Menschenhandel und erzwungene Prostitution, Drogenhandel und Schutzgelderpressung verantwortlich gemacht werden. Dafür sind sie straff hierarchisch organisiert, bestehen auf Initiationsritualen, verlangen strikte Verschwiegenheit und drohen Verrätern mit harten Sanktionen bis hin zu Mord. Meistens haben sie bestimmte Operationsgebiete, in denen sie ihre Macht ausüben. Für ihre Mitglieder und deren Angehörige sind sie gleichzeitig hilfsbereit, falls diese verurteilt werden oder umkommen. Es gibt u.U. Absprachen untereinander, manchmal aber auch bis zu Kriegen ausufernde Streitigkeiten zwischen ihnen.
Wer Militär kritisch sieht, wird unwillkürlich auf die großen Ähnlichkeiten stoßen, auch wenn das Ansehen in der Gesellschaft grundsätzlich anders ist. Militär übt ständig Mord und Totschlag und die Gefangennahme von Menschen. Der Drogenhandel und -konsum betrifft vor allem Alkohol und Aufputschmittel. Das Militär ist streng hierarchisch organisiert und besteht für weite Teile seiner Tätigkeit auf Geheimhaltung. Deren Verletzung wird hart geahndet. Die Macht über bestimmte Gebiete ist Ziel von „Einsätzen“. Soziale Hilfen für tote oder verwundete Kameraden und ihre Angehörigen ist selbstverständlich. An die Stelle der Schutzgelderpressung tritt der Vorrang für den Verteidigungshaushalt, der mit dem Schutz des Landes begründet wird. Und wo Militär tätig wird, sind Vergewaltigung und Prostitution bis hin zu eigenen Bordellen nicht fern. Aufnahmerituale heißen Vereidigung und werden nicht mit Blutstropfen sondern mit magischer Berührung der Fahne geheiligt. Ein wichtiger Unterschied zu Mafiabanden besteht allerdings in der anderen Größenordnung der zur Verfügung stehenden Mordwaffen.

Wichtiger als die frappierende Ähnlichkeit ist natürlich die Frage, was Militär nützt oder schadet. Dass die hohen Kosten der Wirtschaft schaden, konnte man nach dem Zweiten Weltkrieg sehen, als Japan und die Bundesrepublik kein Militär hatten. Trotz der großen Kriegsschäden und der fehlenden Arbeitskräfte erzielten beide Länder große wirtschaftliche Überschüsse, die sich aber verflüchtigten, als wieder Militär aufgestellt wurde. Ebenso kann man an Costa Rica sehen, was die Abschaffung des Militärs für einen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hat. Das Land gilt nicht zufällig als das demokratischste und lebenswerteste Lateinamerikas. So viel zum wirtschaftlichen Aspekt des Schadens von Militär. Bleibt die Frage nach dem Nutzen.
Es gibt weltweit seit längerer Zeit mehr Staaten, die vom eigenen Militär erobert und unterdrückt sind als von fremdem Militär. Zeitweise waren sogar in Europa, in Spanien, Portugal und in Griechenland, Staaten in der Hand des eigenen Militärs, das jede Opposition brutal unterdrückte. Und die Staaten, die in Folge des Zweiten Weltkrieges noch von fremdem Militär beherrscht wurden, sind nicht durch Militär sondern durch friedliche Diplomatie und Revolutionen befreit worden. In Lateinamerika waren zeitweise fast alle Staaten mit Hilfe des Militärs in brutale Diktaturen verwandelt, ähnlich – wenn auch als Folge der Befreiung von Kolonialmächten – viele in Afrika und Asien.

Natürlich sind Diktaturen schlimm, und es juckt jeden anständigen Menschen, dazwischenzugehen und mit militärischer Gewalt für ein Ende zu sorgen. Aber was bedeutet das dann? Ist Krieg wie in Afghanistan oder Irak besser als das Warten auf eine Lösung durch friedlichen Protest wie in Chile, Polen oder der DDR? Die Opfer einer Diktatur sind Menschen, die bewusst opponieren und dafür Risiken eingehen. Die Opfer eines Krieges sind viele, viel mehr, und zwar einschließlich von Frauen und Kindern, kranken und alten Menschen, willkürliche Opfer, von den Kriegsverbrechen wie Vergewaltigungen, Folter und Misshandlungen aller Art, den Hungersnöten, Vertreibungen und Zerstörungen ganz zu schweigen. Betrachtet man sich die so genannte Sicherheit durch Militär genauer, sind die Gefahren und Risiken jedenfalls so groß, dass der Vergleich mit den Banden der Mafia und ihrem wirtschaftlichen Schaden eine ganz erstaunliche Aktualität erhält.

Dass die militärischen „Lösungen“ noch lange kein Frieden sind, hat sich in Afghanistan und im Irak nur zu deutlich gezeigt. Sinnvoll kann deshalb nur der Ausbau friedlicher Vermittlung, Stärkung des internationalen Rechts, also der Uno und ihrer Unterorganisationen, und der Abbau von Militär und Rüstungsindustrie sein. Dass dabei Arbeitsplätze verloren gehen, wird durch die frei werdenden finanziellen Ressourcen mehr als ausgeglichen, die genügend neue Arbeitsmöglichkeiten bringen.

Ulrich Finckh ist Pastor i.R. und war jahrelang Vorsitzender der Zentralstelle KDV.

Veröffentlicht in ZivilCourage 2013/5 im Dezember 2013

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