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Gemeinsam gegen den Export von Terror und Gewalt made in Germany!01.06.2011

Zivilcourage 2011-01 Titelthema: Stoppt den Waffenhandel!

Von Christine Hoffmann, Paul Russmann und Jürgen Grässlin ZivilCourage 2/2011

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Rüstungsexportskandale aus Deutschland bekannt werden: Den offenbar illegalen Exporten des berüchtigten Sturmgewehres G36 von Heckler & Koch nach Mexiko folgten die Enthüllungen über die Waffentransfers an die autoritären Regimes in Tunesien und Ägypten und nicht zuletzt die Aufrüstung verfeindeter Konfliktparteien im Libyen-Krieg.

Deutschland ist mittlerweile zum Europameister im Waffenhandel aufgestiegen und damit - nach den USA und Russland - der größte Profiteur dieser Geschäfte mit dem Tod. Es ist höchste Zeit, gegen diese Politik aufzustehen. Deshalb haben sich viele Organisationen aus der Friedens- und Menschenrechtsarbeit zusammengetan, um gemeinsam mit entwicklungspolitischen Gruppierungen, Gewerkschaften und möglichst vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren eine auf drei Jahre - bis zur nächsten Bundestagswahl im Jahr 2013 - geplante Kampagne mit dem Titel „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“ durchzuführen.

Sie alle fordern gemeinsam eine Klarstellung des Grundgesetz-Artikels 26, der in seinem neu zu fassenden Absatz 2 dann so lauten soll: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt das Kriegswaffenkontrollgesetz. Kriegswaffen und Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert. Das Nähere regelt das Rüstungsexportgesetz.“ Ein Schritt zum Ziel dieser Grundgesetzklarstellung: die Sammlung von 262.000 Unterstützungs-Unterschriften bis zur Bundestagswahl 2013. Unterschriftenlisten können beim DFG-VK-Materialvertrieb (Werastr. 10, 70182 Stuttgart) bestellt werden. Die Unterschrift kann aber auch im Internet online auf http://www.aufschrei-waffenhandel.de geleistet werden


Mit Milliardenumsätzen
an die Weltspitze

Betrachten wir das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. In den Jahren 2001 bis 2009 (für 2010 liegen die Zahlen noch immer nicht vor!) wurden Rüstungsexportgenehmigungen für insgesamt 63,8 Milliarden Euro erteilt. Diese Berechnung enthält nicht die zudem exportierten Dual-Use-Güter, die - wie beispielsweise Unimogs oder Sattelzugmaschinen - zivil und militärisch verwendbar sind.

Deutlich erkennbar sind drei Schwerpunktbereiche: gepanzerte Rad- und Kettenfahrzeuge für 11 Milliarden, Kriegsschiffe für mehr als 6 Milliarden und militärische Luftfahrzeuge für 2 Milliarden Euro.


Zu Land ...

Mit mehr als 11 Milliarden Euro sind die gepanzerten Rad- und Kettenfahrzeuge klarer Spitzenreiter des deutschen Rüstungsexports. Schaut man genauer hin, so differenziert sich dieses Bild: Das Gros der deutschen Exporte besteht - „verramscht“ zum Spottpreis - aus Überschusswaffen der Bundeswehr. Mehr als 1.000 Leopard-1-Panzer und mehr als 1.000 Leopard-2-Panzer wurden abgegeben.

Der Systempreis des Leopard 2 liegt zwischen 3 und 12 Millionen Euro - je nach georderter Stückzahl, der Vereinbarung über die technische Ausrüstung und Ersatzteile und abhängig von Inflation und Wechselkurs. Für einen gebrauchten Leopard 2 nimmt die Bundeswehr im Durchschnitt gerade mal noch 300.000 Euro. Deutlich günstiger ist der Leopard 1 zu haben: im Schnitt für etwa 50.000 Euro.

So kommt man nicht auf Exporte im Wert von 11 Milliarden Euro. Auch nicht, wenn man die von der Uno nicht erfassten Exporte der Allschutz-Tranport-Fahrzeuge vom Typ Dingo und anderer Neufahrzeuge hinzunimmt. Und auch nicht, wenn man die Aufträge hinzuzählt, die die deutsche Industrie bekommt, um gebrauchte Bundeswehrfahrzeuge für einen neuen Nutzer wieder fit zu machen.

Des Rätsels Lösung heißt Komponentenexport. Deutschland liefert beispielsweise die Kanonen für Leopard-2-Panzer, die von Griechenland und Spanien gefertigt werden. Zudem liefert Deutschland Gleisketten auf denen gepanzerte Fahrzeuge in zahlreichen Ländern rollen, Komponenten für Haubitzen, die in Südkorea gebaut werden, sowie Motoren und Getriebe für gepanzerte Fahrzeuge in aller Welt. Teile für gepanzerte Fahrzeuge - also Komponenten - sind ein bedeutender Schwerpunkt deutschen Rüstungsexports.


... zu Wasser ...

Deutschland ist Exportweltmeister bei U-Booten und U-Boot-Auslieferungen. Diese Waffentransfers beeinflussen die deutsche Rüstungsexportstatistik erheblich, da jedes dieser äußerst modernen Boote mit zwischen 300 und 500 Millionen Euro zu Buche schlägt. Bei der Genehmigungspraxis galt lange Jahre der Spruch: „Was schwimmt, das geht“. Gemeint ist, dass die Bundesregierung bzw. die nachgeordneten Behörden bei der Exportgenehmigung ein Auge zudrückten. Schließlich könnten mit U-Booten keine Menschenrechtsverletzungen begangen, und diese in Bürgerkriegen kaum eine Rolle spielen.

Doch weit gefehlt: Moderne U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb - wie sie Deutschland jetzt zumeist exportiert - eignen sich immer besser zur Aufklärung auch von Gegebenheiten an Land und zur Zielbekämpfung in Küstennähe. Moderne U-Boote dienen durchaus der Bekämpfung von Landzielen. Mehr als zwei Milliarden Menschen leben in Küstennähe. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass moderne U-Boote auch kleineren Staaten eine seegestützte Nuklearabschreckung mit weitreichenden nuklearen Marschflugkörpern ermöglichen können. Diese Befürchtung hegten und hegen wir im Blick auf deutsche U-Bootlieferungen nach Israel und Pakistan.


... und in der Luft

Fliegende Waffensysteme trugen in den letzten neun Jahren rund 2 Milliarden Euro zu den Genehmigungen bei. Allen voran profitiert die EADS - größter Stimmrechtseigner ist die Daimler AG - über ihre Unternehmensbereiche Cassidian und Eurocopter, weltgrößter Hubschrauberproduzent. In der deutschen Exportstatistik tauchen diese Waffensysteme nur bedingt auf, da der Export der Großwaffensysteme - wie Kampfflugzeuge oder Militärhubschrauber - zumeist über Partnerländer wie Frankreich, Spanien oder Großbritannien abgewickelt werden.

Beispielsweise fertigt die EADS Deutschland das Rumpfmittelteil des Kampfflugzeugs Eurofighter, in der Exportversion Typhoon genannt, im niedersächsischen Varel, die Montage erfolgt danach bei Cassidian im bayerischen Manching. In der deutschen Statistik tauchen lediglich die genehmigungspflichtigen Zulieferungen von Komponenten auf, verteilt auf viele verschiedene Kategorien und versteckt in den Sammelausfuhrgenehmigungen. Diese umfassen Lieferungen an Nato- und EU-Partner, die jedoch nicht aufgeschlüsselt werden. Die gesamte Endmontage findet in Großbritannien statt, von wo aus die Eurofighter/Typhoon nach Saudi-Arabien exportiert werden.

Die größeren Waffensysteme sind als Spitze des Eisbergs zu betrachten, die aus dem Meer der deutschen Rüstungsexport herausragt und erkennbar ist - im weitaus größeren Teil, wo auch ein Aufschrei der Entrüstung und Empörung vonnöten ist: Die Komponenten betreffen zwischen 60 und 80 Prozent aller Genehmigungen deutscher Rüstungsexporte. Zu dieser Einschätzung kamen BITS und Oxfam bereits [im Jahr] 2005 bezüglich der „vergessenen“ Rüstungsexporte. Dr Wert der Sammelausfuhrgenehmigungen, die per Definition omponentenexporte darstellen, liegt für sich schon bei rund 40 Prozent aller Genehmigungen. Dazu kommen die Einzelausfuhrgenehmigungen von Waffensystemen.


Die Folgen deutscher Rüstungsexporte

Führende Empfänger deutscher Waffen sind Staaten, die Krieg führen. Ein bedeutender Anteil der deutschen Waffentransfers erfolgt ausgerechnet in Länder, die Entwicklungshilfe beziehen.

In beträchtlichem Umfang wurden deutsche Waffen an Länder in Krisen- und Kriegsgebiete des Nahen Ostens, Asiens und Afrikas verkauft. Dabei wurde und wird der Grundsatz, nicht in Spannungsgebiete und an menschenrechtsverletzende Staaten zu liefern, offensichtlich zunehmend missachtet. Häufig verschwinden die Waffen in staatlich unkontrollierbaren Grauzonen von Bürgerkriegskonflikten. Denn Re-Exporte an Drittstaaten werden de facto nicht kontrolliert. Mit großer Sorge verfolgen wir auch Lizenzvergaben zum Nachbau deutscher Waffen, so die Errichtung einer ganzen Waffenfabrik zur Lizenzfertigung von G36-Stirmgewehren von Heckler & Koch (H&K) in Saudi-Arabien.

Die Folgen von Rüstungsexporten sind für die Menschen in den Empfängerländern nicht selten verheerend: Bestehende Konflikte werden verstärkt und eskalieren häufig gewaltsam, unzählige Menschen werden getötet, verwundet, vertrieben oder erleiden schwere Traumata.

Weltweit stirbt jede Minute ein Mensch an den Folgen einer Gewehrkugel, einer Handgranate oder einer Landmine. Allein durch Rüstungsexporte und Lizenzvergaben der von H&K entwickelten „Kleinwaffen“ - also Pistolen, Maschinenpistolen, Sturm- und Maschinengewehren - bis heute nach konservativer Schätzung weit mehr als 1.500.000 Menschen getötet. Noch mehr Menschen wurden verstümmelt. Durchschnittlich alle 14 Minuten stirbt ein weiterer Mensch durch eine Kugel aus dem Lauf einer H&K-Waffe. Weitere ungezählte Kriegsopfer sind durch die vielen anderen waffenexportierenden deutschen Unternehmen zu beklagen.

Rüstungsexporte an sich lösen keine Kriege aus. Aber die Verfügbarkeit von Waffen und anderen Rüstungsgütern trägt dazu bei, dass die Hemmschwelle für deren Einsatz sinkt, die Bereitschaft zur gewaltsamen Konfliktaustragung erhöht und die Effizienz des Tötens vervielfacht wird. Der so genannte „Kalte Krieg“ hat gezeigt, dass die Anhäufung von Waffen die eigene Sicherheit nicht vergrößert, sondern Aufrüstung und damit eine steigende Gefahr für den Frieden provoziert. Wer Waffen besitzt, versucht eher, Konflikten mit Gewalt zu begegnen und zieht die Möglichkeit, Konflikte mit zivilen Mitteln zu bearbeiten, deutlich weniger in Betracht.

Wir schreien auf, weil Deutschland Waffen, Rüstungsgüter, Lizenzen und ganze Waffenfabriken an Diktaturen und autoritäre Regimes liefert, die Menschenrechte mit Füßen treten. Diese Rüstungsexporte festigen und legitimieren deren Herrschaft. Die Verletzung allgemeiner menschlicher und global anerkannter Rechte und deren Auswirkungen für die Bevölkerung werden zugunsten eigener Interessen hingenommen.

Selbst wenn die Waffen und Rüstungsgüter, wie zum Beispiel Militärfahrzeuge, nicht eingesetzt werden, sind finanzielle Mittel gebunden. Damit stehen diese für Bildung und Armutsbekämpfung nicht mehr zur Verfügung. Wir stimmen mit Paul Bendix von der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam überein, der sagt: „Auf der ganzen Welt wird damit Kindern Bildung vorenthalten, Aids-Kranke erhalten keine Behandlung und Menschen haben keine Chance, sich aus eigener Kraft aus der Armut zu befreien.“


Gute Gründe für eine neue Kampagne gegen Rüstungsexporte

Nach Berechnungen des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri haben sich die deutschen Rüstungsexporte zwischen 2005 und 2009 gegenüber dem Zeitraum 2000 bis 2004 verdoppelt. U-Boote und Kriegsschiffe, Kampfjets und Militärhubschrauber, Panzer und Raketenwerfer, Sturmgewehre und Maschinenpistolen, Lizenzen zur Waffenproduktion und ganze Rüstungsfabriken werden weltweit ausgeliefert. Zu den Empfängern zählen auch Diktaturen und autoritäre Regime in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa, die die Menschenrechte mit Füßen treten. Die renommierte US-amerikanische Studie Conventional Arms Transfers to Developing Nations beziffert die deutschen Rüstungstransfers im Jahr 2009 auf 2,8 Milliarden US-Dollar (das entspricht 8 Prozent des Weltrüstungshandels). Damit festigt Deutschland - hinter den USA (41 Prozent) und Russland (10,6 Prozent) - seinen Platz als drittgrößte Waffenexportnation der Welt.

Verantwortlich für die Genehmigungen von Rüstungsexporten sind die Bundesregierung und die nachgeordneten Behörden. Weder der Bundestag noch die Öffentlichkeit werden beteiligt. Politisch brisante Waffentransfers werden im geheim tagenden Bundessicherheitsrat unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Stellvertreter Guido Westerwelle gefällt. Basis für die Kontrolle des Rüstungshandels in der Bundesrepublik Deutschland ist Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes. Zurzeit heißt es dort: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Neben dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) wird bei der Genehmigungsentscheidung auch auf das völlig anders ausgerichtete Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die zugehörige Außenwirtschaftsverordnung Bezug genommen.

Das KWKG regelt den Export von sämtlichen „Kriegswaffen“, also atomaren. biologischen und chemischen (ABC) und konventionellen Waffen. Üblicherweise muss für jeden Kriegswaffenexport eine Genehmigung vorliegen. Demnach sind diejenigen Waffentransfers verboten, die nicht ausdrücklich genehmigt werden. Das AWG regelt den Export sämtlicher konventioneller Rüstungsgüter, deckt also „Kriegswaffen“ und alle Güter mit „doppeltem Verwendungszweck“ (Dual-use) ab. Der Export dieser Güter ist zwar weitestgehend genehmigungspflichtig, soll aber ausdrücklich nur dann untersagt werden, um
- eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhindern,
- zu verhüten, dass die auswärtigen Beziehungen Deutschlands erheblich gestört werden,
- die Sicherheit Deutschlands zu gewährleisten.

Als generelle Richtlinie, dabei aber rechtlich unverbindliche Interpretationshilfe für die Beurteilung einzelner Exportanträge, stehen den zuständigen Behörden die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter“ zur Verfügung. In ihrer gültigen Fassung vom 19. Januar 2000 führen sie in der Präambel zusätzliche Kriterien für eine restriktive Rüstungsexportpolitik auf: „Die Begrenzung und Kontrolle des Exportes von Kriegswaffen und sonstiger Rüstungsgüter soll einen Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Gewaltprävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der Welt leisten.“

Nicht genug damit, dass Waffen und Rüstungsgüter weltweit mit fatalen Folgen für unzählige Menschen exportiert werden. Seit dem Jahr 2000 wurden trotz der Kriterien der aufgezeigten politischen Richtlinien Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgüter an 40 Staaten im Umfang von 6,43 Milliarden Euro durch staatliche Ausfallbürgschaften - die so genannten „Hermes-Bürgschaften“ - abgesichert.

Allein im Jahr 2009 wurden laut Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) staatliche Ausfallbürgschaften für fast 2 Milliarden Euro gewährt. Sie bezogen sich auf Liefergenehmigungen an Abu Dhabi, Bangladesch, Indien, Irak, Südkorea, Libyen, Saudi-Arabien und Pakistan. Nicht nur beim Beispiel Pakistan klingen kritischen BeobachterInnen sofort alle Alarmglocken. Staaten wie diese werden als Konfliktregion und Entwicklungsland gekennzeichnet, ihre Regierungen stehen für eine Politik schwerer Menschenrechtsverletzungen.

Mit der Absicherung von Rüstungsausfuhren durch staatliche Ausfallbürgschaften wird das Geschäftsrisiko rüstungsexportierender Firmen zu Lasten der SteuerzahlerInnen gemindert. Dies kommt einer indirekten Subvention von Rüstungsausfuhren gleich, die in der Wirtschaftskrise oder bei Verlust der Zahlungsfähigkeit des Kunden rasch zu einer direkten werden kann.

In Erwartung verbesserter Exportaussichten drängen viele Rüstungsproduzenten in Deutschland darauf, die bisherigen Restriktionen für Rüstungsausfuhren weiter abzuschwächen. [ev. hier Kasten „Die Händler des Todes] Angesichts der absehbar sinkenden Binnennachfrage wollen sie so ihre Produktionskapazitäten erhalten. Sie können sich dabei auf entsprechende Aussagen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 stützen. Die Argumentation seitens der Rüstungsindustrie koppelt geschickt an den - aus Sicht der Bundesregierung weiterhin bestehenden - Bedarf an Rüstungsgütern für eine reduzierte Bundeswehr an. Allerdings mit einem anderen Anliegen: dem der Rüstungsexportförderung.

Nach Aussagen von Friedrich Lürßen, Eigner der gleichnamigen Werft in Bremen und Präsident des neu gegründeten Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, werden 70 Prozent der Produktion von Waffen und Rüstungsgütern ins Ausland transferiert. Aber nur das kann exportiert werden, so seine Aussage, was die Bundeswehr als Erstkunde gekauft habe. Bundeswehraufträge gelten demnach als unverzichtbare Türöffner für weitere Geschäfte. Das Drängen der Rüstungsindustrie, Produktionskapazitäten durch erleichterte Rüstungsausfuhren auszulasten, sekundiert auch die Strukturkommission der Bundeswehr in ihrem Bericht vom Oktober 2010. Um kostendeckend zu agieren, werde die Rüstungsindustrie, verharmlosend als „wehrtechnische Industrie“ bezeichnet, mehr als bisher von der zivilen Verwertbarkeit und vom Export ihrer Produkte abhängig sein.

Die Strukturkommission empfiehlt, die „nationalen Exportrichtlinien den europäischen Standards“ anzugleichen. Diese Argumentation ist leicht durchschaubar. Sie führt zu der Erwartung auf eine Erleichterung der Ausfuhr deutscher Waffen und Rüstungsgüter. Erhellend sind dabei Presseberichte mit Überschriften wie „Deutsche Rüstungsexporte. Kanonen für die Konjunktur“, „Bundeswehr-Kommission: Rüstungsexporte erleichtern“ oder „Not schweißt zusammen“.

Angesichts dieser Entwicklung ist klar, dass die Auseinandersetzung um Rüstungsexporte in den kommenden Jahren deutlich schärfer geführt werden muss.

Die heimische Waffenindustrie fürchtet den Sparzwang und womöglich den neuen Kurs des Bundesministers der Verteidigung. Sie hofft ihrerseits „auf schnellere Exportgenehmigungen“, denn Rüstungsexporte sind für die Unternehmen äußerst profitabel. Dagegen entpuppt sich das häufig vorgebrachte Argument, Rüstung schaffe nachhaltig Arbeitsplätze, als schlichtweg falsch. Arbeitsplätze werden durch die Waffenproduktion und -exporte kaum gesichert. Lediglich 0,2 Prozent der Beschäftigten arbeiten heute noch in der Rüstungsindustrie.

Die Fachgruppe Rüstungsexport der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hält es für unzulässig, Entwicklung und Beschaffungen von Rüstungsgütern für die Bundeswehr in Erwartung von Exporterlösen zu planen und deshalb Rüstungsgeschäfte zu erleichtern. Sie erinnert an die Aussage des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt aus dem Jahr 2008: „Unsere Volkswirtschaft und unsere Zahlungsbilanz sind nicht auf Waffenexporte angewiesen. Zumindest wäre zu wünschen, dass wir die Richtlinien für unsere Waffenexporte wesentlich enger fassen.“


Ziele der Kampagne

Wir fühlen uns den Opfern dieser skandalösen Politik verpflichtet und wollen den Geschäften mit dem Tod ein Ende setzen. Deshalb haben sich Nichtregierungsorganisationen aus der Friedens- und Entwicklungszusammenarbeit, kirchliche und gesellschaftliche Gruppen und Verbände zusammengeschlossen, um ein Verbot deutscher Rüstungsexporte zu erreichen. Unsere Ziele sind klar definiert:
- Wir wollen aus der Zivilgesellschaft heraus massiv Druck gegenüber den Verantwortlichen der deutschen Rüstungsexportpraxis aufbauen und zugleich sinnvolle Alternativen zur Waffenproduktion aufzeigen.
- Wir wollen eine grundsätzliche Veröffentlichungspflicht aller geplanten und tatsächlich erfolgten Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern durchsetzen, um eine öffentliche Diskussionen und parlamentarische Entscheidungen überhaupt erst zu ermöglichen.
- Wir wollen die Aufnahme eines grundsätzlichen Exportverbots von Waffen und Rüstungsgütern durch die Aufnahme der Forderung nach einer Klarstellung des Grundgesetzartikels 26 Absatz 2. In einem Zwischenschritt streben wir die Aufnahme der Forderung in die Wahlprogramme der Parteien zur nächsten Bundestagswahl an.


Strategie der Kampagne

Mit einer dreijährigen Informations- und Druckkampagne zivilgesellschaftlicher Nichtregierungsorganisationen der Friedensbewegung mit Unterstützung von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, der Menschenrechtsarbeit und der Kirchen und religiösen Gemeinschaften sowie der Gewerkschaften wollen wir unsere Ziele erreichen.
Mit Informationen, Dialog, zentralen und dezentralen Aktionen und Lobbyarbeit trägt jede Organisation im Rahmen ihrer spezifischen Möglichkeiten und in Kooperation miteinander zum Aktionsziel bei.


Zusammenarbeit in der Kampagne

Die Kampagne setzt sich zusammen aus einem bundesweiten Trägerkreis verschiedener Nichtregierungsorganisationen. Darüber hinaus ist die Unterstützung durch weitere bundesweite, regionale und lokale Initiativen, Vereine und Organisationen ausdrücklich erwünscht. Sie alle sind herzlich eingeladen, Mitglied im Aktionsbündnis zu werden.
Im bundesweiten Kampagnenrat erfolgt durch die stimmberechtigten VertreterInnen des Trägerkreises und beratender VertreterInnen des Aktionsbündnisses die konsensuale zentrale Planung gemeinsamer bundesweiter Aktionen und die Abstimmung dezentraler Aktionen. Mit regionalen Aktions-, Mobilisierungs- und Vernetzungskonferenzen soll die Kampagne auf eine breite Basis gestellt werden. Die Devise lautet: zentrale Koordination so viel wie nötig, regionale Koordination so viel wie nur möglich.

Christine Hoffmann ist Generalsekretärin von Pax Christi, Paul Russmann ist Geschäftsführer von Ohne Rüstung Leben und Jürgen Grässlin ist Bundessprecher der DFG-VK; diese drei vertreten die Kampagne als SprecherInnen.

Mehr Informationen: http://www.aufschrei-waffenhandel.de

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