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»Viele müssen sich erst mal neu positionieren«21.03.2011

5408_Libyen - Stopp Aggression

UN-Mandat für Libyen-Krieg verunsichert Friedensbewegung und Linke. Andere Katastrophen vermindern öffentliche Wahrnehmung.
Gespräch mit Monty Schädel

Am Samstag hat der Interventionskrieg gegen Libyen begonnen, in dem bisher Frankreich treibende Kraft ist und einen NATO-Einsatz unter US-Führung wegen des schlechten Rufs der USA in der Region ablehnt. Ihr Verband lehnt den Kriegseinsatz grundsätzlich ab. Wie beurteilen Sie die Rolle der UNO, deren Sicherheitsrat die Luftschläge gegen die Truppen von Oberst Ghaddafi gebilligt hat?
Dieser Krieg wird nicht dadurch besser, daß die UNO ihn billigt. Mit dieser Entscheidung hat sich der UN-Sicherheitsrat selbst disqualifiziert. Wer meint, mit kriegerischen Mitteln Frieden herbeibomben zu können, liegt meiner Ansicht nach völlig falsch und ist für Verhandlungslösungen nicht mehr der Richtige. Krieg ist immer ein Verbrechen an der Menschheit, besonders an den Menschen, die unmittelbar betroffen sind.

Der Irak-Krieg wurde 2003 ohne UN-Mandat von einer »Koalition der Willigen« begonnen. Dagegen gab es in Deutschland große Demonstrationen. Welche Chancen sehen Sie für vergleichbar große Proteste gegen den Libyen-Krieg?
Die Tatsache, daß der UN-Sicherheitsrat diesmal zugestimmt hat, erschwert natürlich die Mobilisierung gegen den Krieg auf der Straße, weil viele Menschen bisher die Hoffnung hatten, daß die UNO für friedliche Lösungen steht, daß sie ein Ansprechpartner sei und kein Aggressor. Viele müssen sich erst einmal neu positionieren. Bei der Mahnwache am Brandenburger Tor, die kurzfristig organisiert wurde, waren nur rund 250 Menschen. Aufgerufen hatte auch die Linkspartei, von der ich mal ganz stark vermute, daß sie in Berlin weit mehr als 250 Mitglieder hat.

Hat es den kriegführenden Staaten nicht auch genutzt, daß die Augen der Weltöffentlichkeit in der letzten Woche eher auf die Natur- und Reaktorkatastrophe in Japan gerichtet waren als auf die schwer überschaubare Situa­tion in Libyen?
Bei der Entscheidung, diesen Krieg zu führen, dürfte das keine Rolle gespielt haben. Entscheidend war, daß es den beteiligten Staaten gelungen ist, ein Mandat zu bekommen, obwohl es ein durchsichtiges Manöver ist, für eigene wirtschaftliche Interessen Krieg zu führen.

Zur Verunsicherung vieler Menschen über die Rolle der UNO kommt aber sicher hinzu, daß sie mit der Vielzahl von Problemen auf der Welt überfordert sind und nicht alles mit der gleichen Aufmerksamkeit verfolgen können. Bezeichnend für die Interessenlage der Akteure ist aber, daß scheinbar grenzenlos Mittel und Personen in Bewegung gesetzt werden können, um in Libyen einen Krieg für die Sicherung von Öl zu führen, während in Japan Menschen sterben, weil die internationale Gemeinschaft nicht in Lage ist, entsprechend zu helfen.

Was fordern Sie von der deutschen Regierung, die sich bislang nicht mit eigenen Soldaten an diesem Krieg beteiligt?
Das Mindeste ist, daß die BRD sich weiterhin aus diesem Krieg heraushält und auch jede indirekte Kriegsbeteiligung unterläßt. Das heißt: Es dürfen weder Stützpunkte zur Verfügung gestellt werden noch Bundeswehrtruppen, die britische oder amerikanische Truppen an anderer Stelle entlasten, damit diese sich am Libyen-Krieg beteiligen können. Eine weitergehende Forderung ist, daß die Bundesregierung sich deutlich gegen diesen Krieg positionieren soll, statt – wie in den letzten Tagen – ihr Verständnis und ihre Verbundenheit auszudrücken.

Wie sollten sich Ihrer Meinung nach die EU und die Bundesregierung zu den Flüchtlingen aus der Region verhalten?
Die Staaten, die diesen Krieg im Namen der Menschenrechte führen, allen voran Frankreich und Großbritannien, machen sich dadurch noch unglaubwürdiger, daß sie sich parallel zu ihren militärischen Aktivitäten nicht um die humanitäre Situation von Flüchtlingen aus dem betroffenen Land kümmern. Im Mittelmeer sind weiterhin Einheiten der Grenzschutzagentur FRONTEX stationiert, um Flüchtlinge gewaltsam an der Einreise nach Europa zu hindern. Deutschland und andere europäische Länder sollten jetzt ihre Grenzen für die Flüchtlinge öffnen.

Monty Schädel ist politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
(Interview von Claudia Wangerin)

URL: http://www.jungewelt.de/2011/03-21/051.php
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DFG-VK-Themenseite Krieg in Libyen

Mehr Informationen: http://www.montyschaedel.de

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